Zusammenfassung
Das Thema scheint mir eine Behandlung in einem Vortrag aus mehrfachen Gründen zu lohnen: Zunächst handelt es sich bei dem Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, das in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet ist, letztlich um die Grundlage des gesamten Grundrechtssystems und demgemäß um ein Problem, das genausoweit reicht wie überhaupt das Eigeninteresse jedes Bürgers an den Grundrechten. Daher darf man ein besonderes Sachinteresse auch bei Nichtjuristen voraussetzen und die Probe aufs Exempel machen, ob die von Juristen getragene Rechtsprechung wirklich den Vorstellungen überlegender Bürger gerecht wird. Dadurch ist bei diesem Thema wohl allen Zuhörern Gelegenheit zur Beteiligung an der Diskussion gegeben, deren Ergebnis für meine eigene Stellungnahme von Bedeutung sein wird. Als Zweites will ich mit meinen Ausführungen einen Gedanken fortspinnen und verdeutlichen, den ich an anderer Stelle1 bereits herausgestellt habe und der auf die Gefahren einer Positi-vierung der Menschen- und Grundrechte hinweist, — Gefahren, die letztlich zu einer Entwertung der Anerkennung unveräußerlicher Menschenrechte führen können, wenn man sich dieser Entwicklung nicht beizeiten bewußt wird.
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Literatur
Vgl. H. Peters, die Positivierung der Menschenrechte und ihre Folgen i. „Naturordnung in Gesellschaft, Staat, Wirtschaft“. Festschrift für Johannes Messner, hrsg. v. Jos. Höffner, Alf. Verdross, Francesco Vito. Innsbruck 1961, S. 363 ff.
Vgl. Art. „Naturrecht“ i. Bd. 5 des „Staatslexikons der Görres-Gesellschaft“ (1960), S. 929 ff.
Welche Problematik in der heutigen faktischen Ausbildung der Juristen liegt, ist allen klar, auch wenn über die Mittel zur Abhilfe die Meinungen weit auseinandergehen; vgl. dazu z. B. Nr. 2 der Veröffentlichungen des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung e. V.: „Die Ausbildung der Deutschen Juristen“, Tübingen 1960, dazu aus vielen Ferid i. Jur. 2t. 1961, S. 318.
Am 6. Oktober 1961 hat die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (vgl. Heft 20 der Veröffentlichungen dieser Vereinigung, 1963) dieses Thema als Verhandlungsgegenstand aufgenommen.
Vgl. Carl Schmitt, Verfassungslehre 1928, S. 23: „Vor jeder Normierung liegt eine grundlegende politische Entscheidung“.
Vgl. E. Forsthoff, Die Umbildung des Verfassungsgesetzes in Festschrift für Carl Schmitt, 1959, S. 40 ff. Hier wird insbesondere gegen Rudolf Smend polemisiert, der in seinem bedeutenden Werk: Verfassung und Verfassungsrecht (1928, S. 161 ff.) das Wesen der Grundrechte durchaus richtig erfaßt hatte; sie liegen nach ihm auf ganz anderer Ebene als das spezielle Verwaltungsrecht, sind eben Verfassungsrecht und wollen nicht nur den Grundsatz von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung spezialisieren.
Forsthoff, a. a. O., S. 41.
Vgl. z. B. die seit 1949 entwickelte, m. E. unhaltbare Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG, dazu H. Peters, Die Zulassung von Hypothekenbanken. Gedrucktes Gutachten, 1959, S. 35 ff.
Harry Westermann, Person und Persönlichkeit im Zivilrecht. Heft 47, Reihe Geisteswissenschaften der Arbeitsgemeinschaft für Forschung, 1957. Auf S. 18 deutet Westermann auf den Versuch des Gesetzgebers hin, den Persönlichkeitsbegriff von dem der Person in Art. 2 Abs. 1 GG zu sondern.
A. a. O.,S. 54.
A. a. O., S. 33 ff.
Erst nachdem dieser Vortrag gehalten (21. Juni 1961) und abgeschlossen war, kurz vor der Drucklegung erschien im Jahre 1962 die wohl bedeutendste literarische Spezial-arbeit zu dem hier in Rede stehenden Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit: H. C. Nipperdey, Freie Entfaltung der Persönlichkeit i. Bettermann-Nipperdey, Die Grundrechte, 4. Bd. 2. Halbbd., 1962, S. 742–909. Die Themenstellung meines — im Umfang auf die Kritik der Rechtsprechung beschränkten — Vortrags und die Gesamtdarstellung Nipper-deys sind verschieden; immerhin halte ich es für notwendig, wenigstens in einigen Anmerkungen — deren Inhalt damals im Vortrag nicht berücksichtigt werden konnte — auf Nipperdeys Ausführungen wenigstens summarisch einzugehen. In einigen Fällen konnte auch durch einen Hinweis auf Nipperdey’s Anmerkungen die für einen Vortrag immer etwas mißliche größere Literaturzusammenstellung nachträglich verkürzt werden. In der Sache stimme ich mit Nipperdey dahin überein, daß Art. 2 Abs. 1 GG einen richtungweisenden Obersatz, einen Freiheitsrechtsleitsatz, ein „Muttergrundrecht“ enthält, also sowohl ein Grundrecht darstellt als auch eine besondere Wichtigkeit im Grundrechtssystem dokumentiert. Nicht kann ich Nipperdey folgen: a) hinsichtlich der von ihm begründeten Theorie von der Drittwirkung der Grundrechte, wenngleich ich hier im Ergebnis mit ihm weithin übereinstimme, insofern als grundlegende Verstöße in der Privatrechtssphäre gegen Grundrechte zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen, b) hinsichtlich seiner Ablehnung der von mir unten vertretenen Persönlichkeitskerntheorie; er steht dabei auf dem Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts; doch macht er dessen fehlerhafte Auslegung des Begriffs „verfassungsmäßige Ordnung“ nicht mit, ohne freilich hierbei zu letzter Eindeutigkeit vorzudringen.
Vgl. H. Peters, „Die freie Entfaltung der Persönlichkeit als Verfassungsziel“ i. Gegenwartsprobleme des internationalen Rechts und der Rechtsphilosophie. Festschrift für Rudolf Laun, 1953, S. 669 ff.
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Peters, H. (1963). Begründung für die Behandlung des Themas. In: Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, vol 109. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98826-3_1
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