Skip to main content

Die Ars coniecturalis des Nikolaus von Kues

  • Chapter
Die Ars coniecturalis des Nikolaus von Kues

Part of the book series: Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen ((AFLNW,volume 16))

  • 21 Accesses

Zusammenfassung

De coniecturis (Von den Mutmaßungen), das zweite philosophische Werk des Nikolaus von Kues, stellt uns vor mancherlei Rätsel. Das erste ist dies, daß die Schrift in keiner Handschrift datiert ist. Das fällt deshalb auf, weil der Autor Ort und Tag der Vollendung seines ersten Werkes, De docta ignorantia (Von der belehrten Unwissenheit), im Explicit angibt: Cornpleviin Cusa 1440 xii Februarii1. Da beide Werke durch die Widmung an Kardinal Giuliano Cesarini und durch gegenseitige Hinweise eng miteinander verbunden sind, erwartet man beim zweiten auch eine solche Angabe, zumal Cusanus auch später die Mehrzahl seiner Schriften in ähnlicher Weise datiert. Man muß also annehmen, daß er aus bestimmten Gründen kein Datum angeben wollte. Wegen des Zusammenhanges mit De doct. ign. nimmt man gewöhnlich 1440 als das Entstehungsjahr an. Nun scheint es aber, daß eine Notiz in De venatione sapientiae (Von der Jagd nach der Weisheit, 1463) eine spätere Datierung der endgültigen Redaktion des Werkes notwendig macht. Nach den einleitenden Sätzen, in denen von anderen früheren Schriften nicht die Rede ist, lesen wir: Conscripsi dudum conceptum de quaerendo deum; pro f eci post hoc et iterum signavi coniecturas. Danach wendet der Kardinal sich seinem neuen Vorhaben zu. Es liegt nahe, de quaerendo deum und coniecturas als Titel aufzufassen und jenen auf die gleichnamige, 1445 abgefaßte Schrift (Vom Gottsuchen) zu beziehen, diesen auf De coni. Die Notiz besagt nach dieser Auffassung dreierlei. Erstens, Cusanus hat von De coni. eine zweite Redaktion hergestellt 2. Zweitens, sie umschloß sachliche Änderungen, denn sonst erübrigte sich ja der Hinweis auf den seit De quaerendo deum erfolgten Erkenntnis-Fortschritt. Drittens, die zweite Redaktion ist frühestens 1445, d. h. im Jahre der Abfassung von De quaerendo deum, entstanden.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Nicolai de Cusa Opera omnia iussu et auctoritate academiae litt. Heidelbergensis ad codd. fidem edita, I De docta ignorantia, edd. E. Hoffmann et R. Klibansky, Lipsiae in aedibus F. Meiner, MCMXXXII, 164, 9. Diese Ausgabe wird im folgenden als h bezeichnet. De coniecturis bearbeite ich z. Z. für diese Ausgabe. Da der neue Text weithin von dem der alten Ausgaben (Straßburg 1488; Paris 1514; Basel 1565) abweicht, zitiere ich die Schrift so: I und II bedeuten die beiden Teile; die erste arabische Zahl das Kapitel, die zweite die neuen von uns zur Aufteilung der langen Kapitel eingeführten Randzahlen. Also etwa II 10, 51. Wer eine der alten Ausgaben zu Rate ziehen will, muß im 1. Teil jeweils zu meinen Kapitelzahlen 2 hinzuzählen. Denn in diesen Ausgaben ist der Widmungsbrief und der Prolog als 1. und 2. Kapitel gezählt. Im 2. Teil besteht Übereinstimmung in der Kapitelzählung.

    Google Scholar 

  2. Cusanus sagt: „iterum signavi.“ Bei diesem Ausdruck denkt man natürlich unwillkürlich an einen Maler, der sein Bild signiert. Etwas Ähnliches finden wir bei unserm Autor. Als er um 1462 seine gesammelten Werke in Rom in zwei Hss. kopieren ließ, sah er diese Abschrift durch und setzte mehrfach „vidi N. C.” unter die Texte. Das bedeutete, er heiße die Kopie gut. Die unter dem Namen des Idiota zusammengefaßten Dialoge (h V) signierte er im Explizit mit genauer Angabe von Ort und Zeit der Abfassung. De coniecturis signierte er in der Adresse des voraufgehenden Widmungsbriefes: „Deo amabili reverendissimo patri domino Iuliano… praceptori suo metuendo N. C.“ De doct. ign. ist merkwürdigerweise weder im Incipit noch im Explicit signiert.

    Google Scholar 

  3. De coni. II 17, 115: „Poteris multo me amplius participatum unitrinum divinitatis lumen in te contemplari, qui dudum vita aequali te a distrahentibus mundanis ad iustitiam colendam transtulisti.“

    Google Scholar 

  4. „Conceptus“ bedeutet hier sicher nicht Begriff, sondern „das, was er konzipiert hat”, also Entwurf. Vgl. De doct. ign. (Widmungsbrief) h 1,11: „ad meum istum… conceptum.“ Sachlich entspricht dem I 1, h 6,22: „In quem finem de ipsa docta ignorantia pauca quaedam scribendi labores assumpsi.” „Pandere“ gebraucht er im Sinne von vorlegen, veröffentlichen. Vgl. De doct. ign. h 1, 7 (in Anm. 5 zitiert). De visione Dei fängt gleich mit dem Wort „Pandam” an.

    Google Scholar 

  5. „Admirabitur et recte maximum tuum…’ingenium, quid sibi hoc velit quod, dum meas barbaras ineptias incautius pandere attempto, te arbitrum eligo, quasi tibi pro tuo cardinalatus officio apud Apostolicam Sedem in publicis maximis negotiis occupatissimo aliquid otii supersit.“ h 1, 5–9.

    Google Scholar 

  6. Erhalten ist uns ein Brief an Cesarini aus Mainz, 1441 April 7. Vgl. J. Koch, Briefwechsel des Nikolaus von Cues (Sitzungsberichte der Heidelberger Akad. d. Wiss., Philos.hist. Kl., 1942/43, 2. A,bh.), S. 10.

    Google Scholar 

  7. Prol. n. 3: „Quapropter has ipsas, quas hic subinfero, adinventiones ex possibilitate ingenioli mei non parva meditatione elicitas meas accipito coniecturas.“

    Google Scholar 

  8. Ausführlich behandele ich diese sehr interessante Hs., die auch eine bisher unbekannte kirchenpolitische Schrift des Cusanus enthält, in einem Aufsatz, der demnächst in der Gerhard Kallen zugedachten Festschrift erscheinen wird. Da ich zudem die hsliche Überlieferung in den Prolegomena zu der neuen Ausgabe von De coni. eingehend besprechen muß, verzichte ich hier auf Textbelege für meine Angaben.

    Google Scholar 

  9. Vgl. R. Klibansky in der Praefatio zu: Parmenides… nec non Prodi Commentarium in Parmenidem, Pars ultima adhuc inedita interprete Guillelmo de Moerbeka (Plato Latinus III), Londinii MCMLIII, p. XXVIII: „Nicolaus Cusanus, ut in corrigendis librorum vitiis facere solebat, in emendando Codice C (= Cod. Cus. 186) coniecturis nisus est.“

    Google Scholar 

  10. Man vergleiche etwa die Arbeit von V. Martin, O. P., The dialectic process in the philosophy of Nicholas of Cusa, in: Laval théologique et philosophique 5 (1949) Nr. 2, S. 213–268. Martin stützt sich fast ausschließlich auf De doct. ign. und kommt zu dem Ergebnis, daß die hier entwickelten Gedanken über Gott und Geschöpf auf einem Mißbrauch des mathematischen Grenzbegriffs (method of limits) beruhen. Das Studium von De coni. hätte ihn davor bewahrt, den Satz zu schreiben: „Claiming a perfect adequacy between measure and mathematics, he (d. h. Cusanus) suggests that all human cognition, especially man’s knowledge of God, is mathematical!“ — Es ist ein besonderes Verdienst M. de Gandillacs, daß er in seiner Darstellung (La philosophie de Nicolas de Cues, Paris, 1942; deutsch: Nikolaus von Cues. Studien zu seiner Philosophie und philosophischen Weltanschauung, Düsseldorf, 1953) De coni. durchgehends herangezogen hat.

    Google Scholar 

  11. De doct. ign. I 1, h 5, 23: „Omnis igitur inquisitio in comparativa proportione facili vel difficili existit.“ Vgl. dazu das ganze Kapitel.

    Google Scholar 

  12. Vgl. dazu besonders De doct. ign. I 11, h 22 ff.; De coni. I 2,9. M. Feigl, Vom incomprehensibiliter inquirere Gottes im 1. Buch von De docta ignorantia des Nikolaus von Cues in: Divus Thomas (Freiburg) 22 (1944), S. 321–338. Die Verfasserin behandelt die oben im Text nur angedeutete Art der Verwendung der geometrischen Symbole sehr klar und ausführlich.

    Google Scholar 

  13. Da Cusanus in dem Nachwort zu De doct. ign. ausdrücklich sagt, er habe die Erleuchtung auf dem Meere erhalten (h 163, 7), so vermute ich, daß sie ihm auf folgende Weise gekommen ist. Jeder, der auf hoher See gewesen ist, weiß, daß der Horizont wie ein riesiger Kreis erscheint, in dem das Schiff ständig den Mittelpunkt bildet. Nun weiß man natürlich, daß das feste Land nicht kreisförmig ist. Erscheint es aber am Horizont, so bildet es zuerst einen Teil jenes Kreisbogens. D. h. in der Anschauung fallen hier gekrümmt und nicht gekrümmt zusammen.

    Google Scholar 

  14. Vgl. P. Wilpert, Das Problem der coincidentia oppositorum in der Philosophie des Nikolaus von Cues, in: Humanismus, Mystik und Kunst in der Welt des Mittelalters, hrsg. von J. Koch (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters Bd. III), S. 39–55.

    Google Scholar 

  15. Vgl. z. B. De coni. Prol. n. 4: „coniecturarum mearum secretum“; II 1, 1: „coniecturali arte ad cuncta duceberis” (!).

    Google Scholar 

  16. Vgl M. Honecker, Lullus-Handschriften aus dem Besitz des Kardinals Nikolaus von Kues, Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens, Reihe I Bd. 6, 1937, S. 252 ff.

    Google Scholar 

  17. Die rationalen Beweise gehören für Cusanus auch in den Bereich der ars coniecturalis. Diese umfaßt aber mehr. Vgl. S. 25 und 43.

    Google Scholar 

  18. Das ganze Kapitel gibt Gedanken Meister Eckharts wieder, die sich auch sonst im 2. Buch feststellen lassen. Einer meiner Schüler bereitet eine Untersuchung des Einflusses des Mystikers auf De doct. ign. vor. Da die Eckhart-Hs. des Cusanus (Cod. Cus. 21) 1444 datiert ist, habe ich früher angenommen, man könne erst nach diesem Jahr mit einem Einfluß Eckharts rechnen. Das war ein Irrtum.

    Google Scholar 

  19. Nur gelegentlich finden sich polemische Bemerkungen; z. B. I 10, 53: „Ad quae (nämlich die Geheimnisse der ars coniecturalis) philosophantes atque theologi ratiocinantes hactenus sibi sua positione principii primi ingrediendi viam praecluserunt.“ Cusanus sieht also klar, daß die verschiedene Auffassung des Widerspruchsprinzips ihn von Aristoteles und den von ihm beeinflußten Theologen trennt. Vgl. unten S. 43 f. In einer Randbemerkung zu II 16, 92, die sich in 2 Hss. findet, wendet er sich ausdrücklich gegen die aristotelische Theorie vom intellectus agens.

    Google Scholar 

  20. Zur Kennzeichnung der Eigenart von De coni, gegenüber De duct. ign. sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Schrift rein philosophisch ist, wenn der Autor die ars coniecturalis auch auf die Theologie angewendet wissen will. Es finden sich nur zwei Anspielungen auf Schrifttexte; von der Trinität ist nur in philosophischen Wendungen (unitas, aequalitas, conexio) die Rede. Einmal wird das Göttliche Wort erwähnt: „deus, mens infinita, in verbo coaeterno rebus esse communicat“ (I 2, 7).

    Google Scholar 

  21. De coni. I 4, 12: „Mens ipsa omnia se ambire omniaque lustrare comprehendereque supponens, se in omnibus atque omnia in ipsa esse taliter concludit, ut extra ipsam ac quod eius obtutum aufugiat nihil esse posse affirmet. Contemplatur itaque in numerali similitudine sua a se ipsa clicita ut in imagine naturali et propria sui ipsius unitatem, quae est eius entitas.“ Zu unitas — entitas vgl. II 14, 76; 17, 103 und De doct. ign. I 8, h 17, 6. Hier wird „unitas quasi entitas” nur auf Gott bezogen.

    Google Scholar 

  22. Läßt sich humanitas im Deutschen nicht durch das Abstraktum „Menschheit“ wiedergeben — denn dieses Wort bedeutet für uns die Gesamtheit der Menschen —, so habe ich doch versucht, die eigenwillige Bildung humanaliter durch „menschheitlich” wiederzugeben. Denn wenn wir „menschlich“ sagen, meinen wir etwas, was unserm menschlichen Denken und Fühlen entspricht. Bei Cusanus handelt es sich aber um eine metaphysische Aussage, die man etwa folgendermaßen umschreiben kann: Während etwa die Natur des Sinneswesens (animalitas) sowohl in verstandesbegabten Wesen (den Menschen) als auch in nicht verstandesbegabten (den Tieren) eingeschränkt existiert, existiert die menschliche Natur nur in einzelnen Menschen. Und da der Mensch Mikrokosmos ist — auf diesen Gedanken läuft der ganze Abschnitt hinaus —, so enthält er eingeschränkt alles (was es in der Welt gibt) entsprechend seiner Natur in sich.

    Google Scholar 

  23. Entsprechend der Gepflogenheit der im Auftrag der Heidelberger Akademie herausgegebenen Übersetzungen (in Meiners Philos. Bibl.) verdeutsche ich „ratio“ mit Verstand, „intellectus” mit Vernunft. Wie die Vaterunser-Auslegung zeigt, hat Cusanus selbst den umgekehrten Sprachgebrauch. Vgl. J. Koch und H. Teske, Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten. Cusanus-Texte I. Predigten 6 (Sitzungsberichte der Heidelberger Akad. cl. Wiss., Philos.-hist. KI., 1938/39, 2. Abh.), S. 235 f. und 253.

    Google Scholar 

  24. De coni. II 14, 74: „Humanitatis igitur unitas cum humanaliter contracta exsistat, omnia secundum hanc contractionis naturam complicare videtur. Ambit enim virtus unitatis eius universa atque ipsa intra suae regionis terminos adeo coercet, ut nihil omnium eius aufugiat potentiam. Quoniam omnia sensu auf ratione auf intellectu coniecturatur attingi atque has virtutes in sua unitate complicari dum conspicit, se ad omnia humaniter progredi passe supponit.“

    Google Scholar 

  25. Man muß sich dabei das dialektische Verhältnis von Einfaltung (complicatio) und Ausfaltung (explicatio), Absolutheit (absolutio) und Eingeschränktheit (contractio) vor Augen halten. Die absolute Einheit enthält alles „eingefaltet“, die endlichen Dinge „falten” diese Einheit in der Weise immer mehr „aus“, daß, je größer der Abstand von der Sphäre des Absoluten wird, um so größer zugleich die Einschränkung wird.

    Google Scholar 

  26. Auch Eckharts System ist wesentlich Einheitsmetaphysik. „Das Eine“ ist auch für ihn, wie für den Areopagiten, die höchste Gottesbezeichnung. Alles Endliche ist „Abfall” vom Einen. Er sucht aber die Seinsmetaphysik damit zu verbinden, so daß er den Satz „Esse est deus“ als ersten Satz aufstellt. So ist sein System eine Mischform, und seine Aussagen über das Verhältnis von Gott und Geschöpf waren wohl für Cusanus ein kritischer Ausgangspunkt zum Aufbau seiner Einheitsmetaphysik in De coniecturis.

    Google Scholar 

  27. Vgl. darüber etwa C. Feckes, Die Harmonie des Seins, 1937, S. 67 ff.

    Google Scholar 

  28. Es finden sich aber Stellen, wo er sich der Ausdrucksweise der Seinsmetaphysik bedient. Vgl. Anm. 37.

    Google Scholar 

  29. De coni. I 9, 37: „Omnem constat numerum ex unitate et alteritate constitui unitate in alteritatem progrediente atque alteritate in unitatem regrediente, ut ex mutuo in invicem progressu finitetur arque actu uti est subsistat. Neque potcst esse quod unitas unius numeri cum unitate alterius omnem teneat aequalitatem, cum praecisio aequalitatis impossibilis sit in omni finito. Variabitur igitur in omni numero unitas atque alteritas; plus enim impar numerus de unitate quam par habere videtur propter indivisibilitatem unius in paria et possibilitatem alterius. Quapropter, cum quisque numerus sit unus ex unitate et alteritate, erunt numeri, in quibus vincit unitas alteritatem, et in quibus alteritas unitatem absorbere videtur.“

    Google Scholar 

  30. Über die Zahlenspekulation vgl. weiter unten S. 26 f.

    Google Scholar 

  31. Vgl. I 11, 56; II 6, 29: „Actualitas est unitas in alteritate tantum participabilis; non igitur participatur actualitas nisi in potentia, quoniam ipsa eius est alteritas. Divinitas actualitas est absoluta, quae participatur in supremis creaturis in suprema potentia, quae est intelligere, in mediis media, quae est vivere, in infimis infima, quae est esse.“ Cusanus übernimmt hier zwar die Begriffsworte actualitas und potentia aus der Seinsmetaphysik, er deutet aber potentia um. Denn Denken, Leben und Sein sind für einen Seinsmetaphysiker weder Möglichkeit noch Vermögen (beides kann potentia bedeuten), sondern actus, also entweder erste oder zweite Seinswirklichkeit.

    Google Scholar 

  32. Über das Problem der Teilhabe bei Thomas handelt am gründlichsten L.-B. Geiger, La participation dans la philosophic de S. Thomas d’Aquin (Bibl. Thom. XXIII), Paris 1942. 4° Vgl. Plato, Rep. VI 20, 510 D.

    Google Scholar 

  33. De coni. I 11, 56; II 6, 29. II 1, 2 besagt dasselbe für alle endlichen Wesen. Es ist mir unverständlich, wie M. de Gandillac die beiden ersten Texte dahin interpretiert, daß „Potenz zunächst autonome Aktivität und zugleich irgendwie eine mitschöpferische Zusammenarbeit mit dem Werke der Allmacht“ ist (S. 164). Anscheinend hat er „in quadam concurrentia potentiae” (I 11, 56) mißverstanden.

    Google Scholar 

  34. De coni. I 4, 15. 16. Die folgenden Kapitel 5–8, in denen die vier Einheiten der Reihe nach behandelt werden, geben aber bereits deren Abgrenzung. Ausdrücklich ist von ihnen zuerst 8, 33 die Rede. Kap. 12 und 13 des ersten Teiles bieten die symbolische Grundlage für die Regionentheorie. Im zweiten Teil wird die Beachtung der regionalen Regeln immer wieder eingeschärft. Vgl. II 3, 20; 6, 34; 13, 65; 17, 106.

    Google Scholar 

  35. So E. Hoffmann, Nikolaus von Cues (zwei Vorträge), Heidelberg 1947, S. 48. Wenn ich recht sehe, identifiziert H. das geozentrische Weltbild des Mittelalters mit dem metaphysischen „Stufenkomos“. Das sind aber zwei ganz verschiedene Dinge.

    Google Scholar 

  36. De coni. I 13, 67: „nam infimum superioris (regionis) cum supremo inferioris in omnibus coincidere conspicis.“

    Google Scholar 

  37. Vgl. Ps.-Dionysius Areopagita De div. nom. c. 7 § 3, Patr. Graeca 3, 872. 45 Vgl. unten S. 28 f. und Abbildung 1.

    Google Scholar 

  38. Es müßte eigentlich heißen: „in Teilhabe an dem“, da cuius Gen. obi. ist.

    Google Scholar 

  39. De coni. II 1, 2–3: „Omnia autem participatione unius id sunt quod sunt. Ipsum vero, cuius participatio est omnium pariter et singulorum esse, in omnibus et in quolibet suo quidem modo resplendet. Quapropter non habes alia consideratione opus, nisi ut in diversitate rerum a te indagandarum identitatem inquiras auf in aliteritate unitatem. Tunc enim quasi absolutae unitatis modos in alteritate contractorum entium intueberis.

    Google Scholar 

  40. Im Unterschied zu De doct. ign. beginnt Cusanus in De coni. mit der Darstellung der Symbole, die den ersten Teil der ganzen Schrift einnimmt. Dann folgen im zweiten Teil allgemeine Grundsätze über die ars coniecturalis (Kap. 1–2) und schließlich deren Anwendung auf eine Reihe von Einzelproblemen (Kap. 3–17). Der Text der Trierer Hs. zeigt (Prol. n. 4), daß ursprünglich eine Dreiteilung vorgesehen war. — Das symbolische Denken wird verschieden bezeichnet. Vgl. II 6,34: „symbolice concipito“; 7, 42: „symbolice his utere”; 9,49: „varietates igitur modorum essendi coniecturans arte figurali facillime venatur“; 10, 57: „talibus quidem symbolicis venationibus… ascende”.

    Google Scholar 

  41. De coni. II 6, 29: „Quaternarius igitur est participabilis unitas. Omne igitur unitatem participans ipsam in quaternario participare necesse est.“ R. Haubst, Das Bild des Einen und Dreieinen Gottes in der Welt nach Nikolaus von Kues, Trier 1952, läßt S. 212 ff. die Bedeutung des Quaternars nicht genügend hervortreten.

    Google Scholar 

  42. Die Zeichnung könnte zu dem Gedanken verleiten, Cusanus glaube, die Finsternis dringe in ihrer obersten Spitze bis zum Licht Gottes vor, so daß er auch noch irgendwie an der Finsternis teilhabe (vgl. Jakob Böhme). Er spricht in seiner Erklärung der Zeichnung (I 9, 42) aber nur von dem, was zwischen Gott und dem Nichts ist.

    Google Scholar 

  43. G. W. Leibnitz, Philos. Schriften I (1663/72), Darmstadt 1930, S. 538, spricht von der „Platonischen Christen vermischung Nichts und Etwas, schatten und Liechts, so sie durch in einander Strahlung zweyer einander entgegen gesetzten Triangel erkläret“. Die kleine Zeichnung Leibnizens entspricht genau der Figura P.

    Google Scholar 

  44. Es ist vielleicht nicht überflüssig zu bemerken, daß Cusanus seine Symbole nicht streng durchführt. Bei der Einzelinterpretation muß man immer wieder darauf gefaßt sein, daß irgend etwas nicht stimmt. So schiebt er z. B. beim Übergang von Figura P zu Figura U die Vorstellung von drei konzentrischen Kreisen ein (vgl. S. 37). Mehrfach sagt er, daß die Wahrheit im endlichen Bereich dreifach abgestuft ist (vgl. S. 37 f.). Das hindert ihn nicht, anderswo von einer viergliedrigen Teilhabe an der Wahrheit zu sprechen, da die Vier ja die Zahl der Teilhabe ist (vgl. II 6, 29).

    Google Scholar 

  45. „Universale enim penitus absolutum Deus est“ (h 80, 23). Das besagt nicht etwa, daß Gott der absolut allgemeine Begriff ist. Ein Begriff ist ein „ens rationis” und als solches im Verstand. Wie die vielen Dingen gemeinsame Natur ihnen als etwas Allgemeines vorausliegt, so liegt Gott als das allen gemeinsame Seinsprinzip schlechthin allen voraus. Vgl. Apologia doct. ign., h 9, 3–10.

    Google Scholar 

  46. V. Martin widmet in der oben S. 12 Anm. 13 genannten Arbeit De doct. ign. II 6 eine eingehende Darstellung und Kritik (S. 261 ff.). Er erwähnt aber nicht, daß es sich um eine „Voranzeige“ für De coni. handelt und hat sich wohl auch nicht die Mühe gemacht, diese Schrift einzusehen. Sonst wäre ihm ja klargeworden, daß Cusanus sich selbst kritisiert, indem er die ganze Konzeption stillschweigend aufgibt.

    Google Scholar 

  47. In De coni. unterscheidet Cusanus schärfer zwischen intellectus (Vernunft) und ratio (Verstand). Vgl. S. 37 ff.

    Google Scholar 

  48. De coni. II 13, 65: „Sicut enim universalia surrt in intellectu atque eorum locus intellectus dicitur, ita quidem hoc intelligi necesse est secundum saepe resumptas regulas, intellectum scilicet esse in universalibus ita quod ipsa in eo, quasi ut praesidens in regno est ita quod regnum in ipso.“

    Google Scholar 

  49. De anima III c. 4 (I’ 429 a 27).

    Google Scholar 

  50. Ich lasse hier offen, ob man gradatim nicht besser mit „schrittweise“ übersetzen sollte. Da das Wort in dem angezogenen Kapitel von De coni, überhaupt nicht vorkommt, ist ein etwaiger Übersetzungsfehler hier ohne Bedeutung.

    Google Scholar 

  51. In De doct. ign. unterscheidet Cusanus a) necessitas absoluta (d. h. Gott, insofern er „die Form aller Formen“ usw. ist); b) necessitas complexionis (in der die Formen der Dinge sind, der Natur nach unterschieden und geordnet — wie im Geist); c) possibilitas determinata actu (essendi) hoc vel illud; d) possibilitas absoluta (d. h. die Materie, von der im folgenden Kapitel die Rede ist). In De coni. II 9, 48 unterscheidet er a) quaedam absoluta unitas seu necessitas (d. h. die unveränderliche Einheit oder Natur eines Dinges); b) necessitas secunda seu consequentiae (die all das umfaßt, ohne das ein wirkliches Ding nicht gedacht werden kann); c) actualis modus essendi, der in seiner Kontingenz mehr von der Möglichkeit als von der Notwendigkeit umfaßt; d) possibilitas. Die Relativität der Unterscheidung ergibt sich aus der Anwendung der Figuren P und U. Erstere macht den allmählichen Übergang zwischen den vier Modi deutlich. Die zweite ordnet die vier Modi den drei Regionen der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft zu. Nun ergeben sich aber nicht 12 Modi, sondern nur 10, weil letztes und erstes Glied zweimal zusammenfallen, also höchste Notwendigkeit in der Region der Sinnlichkeit zugleich Möglichkeit in der Region des Verstandes ist und Entsprechendes für die beiden höheren Regionen gilt. Die Gegenüberstellung dürfte wohl zeigen, daß die beiden Einteilungen trotz Verwendung derselben Begriffsworte nichts miteinander zu tun haben.

    Google Scholar 

  52. Wenigstens anmerkungsweise sei hier auf De doct. ign. III 1, h 121, 17, verwiesen, wo Cusanus sagt, in De coni. werde von den Dämonen die Rede sein, über die er hier nur eine kurze Bemerkung macht. Vergleicht man aber, was an der einzigen in Betracht kommenden Stelle II 13, 69 über die Dämonen (d. h. die Teufel) gesagt wird, mit den Andeutungen in De doct. ign., so sieht man ohne weiteres die Verschiedenheit der Aussagen.

    Google Scholar 

  53. Ein letzter Hinweis in De doct. ign. sei hier berücksichtigt. In III 1, h 122, 14, kündigt Cusanus an, er wolle in De coni. Probleme geometrischer Grenzübergänge behandeln. Denkt man sich z. B. zwei Quadrate, von denen das eine dem Kreis einbeschrieben, das andere umschrieben ist, so kann man sich auch denken, daß jenes allmählich in dieses übergeht. Dabei erhält man nie ein Quadrat, das zugleich einbeschrieben und umschrieben, also dem Kreis gleich ist. „Mehr dergleichen soll im Buch der Mutmaßungen dargelegt werden.“ In Wirklichkeit werden solche Probleme in De coni. nicht behandelt, und in dem im Apparat von h angeführten Text (II 2, f. 51 vseq. = n. 12–13) wird nur gesagt, daß die Quadratur des Kreises unmöglich ist, weil in der Verstandesregion das Widerspruchsprinzip maßgebend ist.

    Google Scholar 

  54. M. de Gandillac, Nikolaus von Cues, S. 163, macht mit Recht darauf aufmerksam, daß verisimile hier nicht „Schein des Wahren“, sondern „Ähnlichkeit mit dem Wahren” bedeutet.

    Google Scholar 

  55. M. de Gandillac zitiert zwar (S. 164) den lateinischen Text genau, übersetzt aber (falls die deutsche Wiedergabe richtig ist) falsch: „Die Mutmaßung ist also positive Aussage, die an der Wahrheit, wie sie ist, teilhat.“ Hier fehlt ja gerade das entscheidende Merkmal „in Andersheit”. Zu einer Auseinandersetzung mit de Gandillacs Kapitel „Die Kunst der Mutmaßungen“ fehlt mir der Anlaß, da er die Regionentheorie ganz ignoriert und De coni. einseitig von den mathematischen Symbolen her versteht.

    Google Scholar 

  56. Deconi. I 10, 52: „Ratio vero praecisio quidem sensus exstitit; unit enim ratio sua praecisione sensibiles numeros, atque ipsa sensibilia rationali praecisione mensurantur; sed haec non est vera simpliciter, sed rationaliter vera mensura, Rationalium vero praecisio intellectus est, qui est vera mensura. Summa auteur praecisio intellectus est veritas ipsa, quae deus est.“

    Google Scholar 

  57. Vgl. zu diesem Abschnitt auch II 13, 65.

    Google Scholar 

  58. Demnach gibt es auch eine Gewißheit im Bereich der Sinne, und sie kann z. B., wenn es sich um den Gesichtssinn handelt, dem Blinden nicht durch einen anderen Sinn ersetzt werden (De cont. II 6, 31). Aber es ist eben nur eine sinnliche Gewißheit.

    Google Scholar 

  59. Vgl. dazu De coni. I 6, 25; 13, 69; II 17, 106. Die verstreuten Bemerkungen tiber den Gebrauch der Termini sind deshalb wichtig, weil ja unsere Mutmaßungen positive Sätze (assertiones positivae) sind, die nur in Begriffsworten formuliert werden können.

    Google Scholar 

  60. Vgl. De coni. I 10, 53 und Apologia doctae ignorantiae h 28, 15: „illud principium (scilicet contradictionis) est quoad rationem discurrentem primum, sed nequaquam quoad intellectum videntem.“

    Google Scholar 

  61. Deconi. II 2, 12; vgl. 1, 6–7.

    Google Scholar 

  62. Vgl. De coni. I 5, 21: „Quamvis verius videatur deum nihil omnium, quae auf concipi auf dici possunt, exsistere quam aliquid eorum, non tarnen praecisionem attingit negatio, cui obviat affirmatio. Absolutior igitur veritatis exstitit conceptus, qui ambo abicit opposita, disiunctive simul et copulative. Non poterit enim infinitius responderi,an deus sit’ quam quod ipse nec est nec non est, atque quod ipse nec est et non est.“ Vgl. im Gegensatz dazu De doct. ign. I 6, h 14, 7–12.

    Google Scholar 

  63. Apologia, h 15, 8–16: „Quare in regione rationis extrema sunt disiuncta… Sed in regione intellectus… coincidentia unitatis et pluralitatis… attingitur visu mentis sine discursu, uti in libellis De coniecturis videre potuisti, ubi etiam super coincidentiam contradictoriorum deum esse declaravi, cum sit oppositorum oppositio secundum Dionysium.“ Schon in der De coni. zeitlich am nächsten stehenden Schrift De deo abscondito n. 11 formuliert Cusanus das Coincidenz-Prinzip ähnlich wie in De coni „Non est nihil neque non est neque est et non est, sed est fons et origo omnium principiorum essendi et non essendi.”

    Google Scholar 

  64. Vgl. De principio f. 8v und die Obersetzung: Über den Ursprung, Deutsch mit Ein-führung von M. Feigl, Heidelberg 1949, n. 19, S. 52.

    Google Scholar 

  65. Vgl. G. Kallen, De auctoritare presidendi in concilio generali, Cusanus—Texte II. Traktate (Sitzungsberichte der Heidelberger Akad. d. Wiss., Philos.-hist. KI., 1935/36, 3. Abh.), S. 106–112.

    Google Scholar 

  66. „Vir doctissime…, ad hoc ut in his ecclesiae perturbationibus… ultimam verioremque coniecturam secundum regulas doctae ignorantiae venari valeas: notato“ etc. (S. 106).

    Google Scholar 

  67. „Ratio enim contradictoriorum coincidentiam non admittit“ (S. 109).

    Google Scholar 

  68. Zur Ergänzung verweise ich auf E. Hoffmann Nikolaus von Cues, zwei Vorträge, Heidelberg 1947, S. 65 f.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1956 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Koch, J. (1956). Die Ars coniecturalis des Nikolaus von Kues. In: Die Ars coniecturalis des Nikolaus von Kues. Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, vol 16. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98782-2_1

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-98782-2_1

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-322-98123-3

  • Online ISBN: 978-3-322-98782-2

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics