Zusammenfassung
Die Frage nach der Wahl zwischen Zentralisation und Dezentralisation als den beiden polaren Strukturierungsmöglichkeiten der Stellen- und Abteilungsgliederung in der Unternehmung beschäftigt Organisationstheorie und -praxis seit langem. In der Praxis läßt sich die Beobachtung machen, daß sich diese Strukturalternativen in mehr oder weniger ausgeprägter Form abwechseln1). Ließ sich vor dem ersten Weltkrieg fast durchweg eine Tendenz zur Zentralisation erkennen, so wurde diese wenig später durch das Bestreben nach dezentraler Organisation — sowohl im Bereich der materiellen Leistungserstellung als auch im Bereich der gesamten betrieblichen Informationsverarbeitung — abgelöst. Mit dem Aufkommen der modernen Informationstechnologie, vor allem der automatischen Datenverarbeitungsanlagen, verstärkte sich wiederum die Diskussion um eine hierdurch bedingte oder möglich gewordene Rezentralisation, wobei in Theorie und Praxis durchaus unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Die heterogenen Auffassungen hierüber sind auf mehrere Gründe zurückzuführen. Zunächst einmal läßt die reine Feststellung der in der Praxis anzutreff enden Strukturlösungen noch keine Schlußfolgerungen auf die Zwangsläufigkeit einer derartigen Entwicklung zu. Die im speziellen Fall vorliegende Organisationsform ist zumeist das Ergebnis historischer Bedingungen sowie individueller Einflüsse, so daß nicht generell davon ausgegangen werden kann, daß die jeweilige Lösung auch als die optimale anzusehen ist. Weiterhin können die Ursachen für die Einführung eines bestimmten Strukturierungskonzeptes vielfältiger Art sein. Eine mit dem Einsatz einer automatischen Datenverarbeitungsanlage parallel laufende Leitungszentralisation z. B. darf nicht a priori als unmittelbare Folge des Sachmitteleinsatzes angesehen werden. Bei der Analyse des vorliegenden Problemkreises sind deshalb vor allem die folgenden zwei Punkte zu berücksichtigen:
-
(1)
Das Begriffspaar „Zentralisation — Dezentralisation“ wird vielfach nicht exakt definiert. Es kann sich auf unterschiedliche Sachverhalte beziehen, die genau abzugrenzen sind, bevor generelle Aussagen getroffen werden können.
-
(2)
Organisatorische Strukturlösungen sind in Abhängigkeit von verschiedenen Bestimmungsfaktoren — insbesondere der Aufgabe und den Aufgabenträgern — zu beurteilen. Allgemeingültige Aussagen können daher nur unter Angabe der speziellen Anwendungsbedingungen gemacht werden.
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Literatur
Berühmte Beispiele hierfür sind die großen amerikanischen Konzerne, wie etwa DuPont, General Motors und Westinghouse Electric Corp., die im Laufe ihres Bestehens mehrfach von der einen zur anderen Strukturlösung übergegangen sind. vgl. hierzu Dale, Ernest: Die großen Organisatoren. Eine Analyse des Erfolges amerikanischer Konzerne. Düsseldorf — Wien (1962), S. 49 ff., S. 95 ff. und S. 177 ff.
Vgl. hierzu insbesondere Bertalanffy, Ludwig von: Zu einer allgemeinen Systemlehre. In: Biologia Generalis. Archiv für die allgemeinen Fragen der Lebensforschung, hrsg. von Ludwig von Bertalanffy, Bd. XIX, Heft 1, Wien 1949, S. 120 f.; eine ähnliche Interpretation findet sich auch in der Tektologie von Bogdanow. Vgl. Bogdanow, Alexander: Allgemeine Organisationslehre, Tektologie. II. Bd., übersetzt von R. Lang unter der Redaktion von S. Alexander, Berlin 1928, S. 107 f.
Vgl. Richter, Günter: Zentralisation oder Dezentralisation als Kernproblem der Betriebsorganisation. Diss. TU Berlin 1951, S. 6.
Vgl. zu den Objekten und Zielen der Zentralisation insbesondere Bleicher, Knut: Zentralisation und Dezentralisation von Aufgaben in der Organisation der Unternehmungen. Berlin (1966).
Vgl. Kosiol, Erich: Organisation der Unternehmung. Wiesbaden 1962, S. 81.
Im folgenden soll der sprachlichen Einfachheit halber jeweils nur von Zentralisation gesprochen werden, da die allgemeinen Aussagen implizit auch für die Dezentralisation Gültigkeit haben.
Hinsichtlich weiterer formaler Differenzierungsmöglichkeiten der Verrichtungen sei verwiesen auf Kosiol, Erich: Organisation der Unternehmung, a. a. O., S. 80 ff.
Vgl. zur ProzeBgliederung insbesondere Nordsieck, Fritz: Betriebsorganisation. Lehre und Technik. Stuttgart 1961, S. 22 ff.
vgl. Acker, Heinrich: Die organisatorische Stellengliederung im Betrieb. Wiesbaden (1956), S. 76 ff.
Vgl. hierzu Wegner,Gertrud: Sachmittel in der Organisation. In: Handwörterbuch der Organisation, hrsg. von Erwin Grochla, Stuttgart 1969, Sp. 1475 f.
vgl. zu dieser Interpretation des Bürobereichs den Beitrag von Grochla in diesem Buch. Grochla, Erwin: Das Büro als Zentrum der Informationsverarbeitung im strukturellen Wandel, S. 11 ff. dieses Buches.
So weist auch Baumberger darauf hin, daß sich die Aufgabenverteilung den technischen Möglichkeiten anpassen muß. Vgl. Baumberger, H. U.: Die Entwicklung der Organisationsstruktur in wachsenden Unternehmungen. Bern (1961), S. 44.
Vgl. Wegner, Gertrud: Systemanalyse und Sachmitteleinsatz in der Betriebsorganisation. Wiesbaden 1969, S. 67.
Die Nutzung muß in diesem Fall an der zeitlichen Inanspruchnahme durch die jeweilige personale Stelle gemessen werden.
Vgl. hierzu Manfras, Walfried: Möglichkeiten und Durchführung der Zentralisierung von Rechenarbeiten. In: Bürowirtschaftliche Forschung, hrsg. von Erich Kosiol, Berlin (1961), S. 218 ff.
In diesem Zusammenhang sei auf das Diktiergerät hingewiesen, das eine wesentliche Voraussetzung für die Einrichtung zentraler Schreibbüros darstellt.
Vgl. zum Begriff der mittleren Datentechnik Heinrich, Lutz J.: Mittlere Datentechnik. Datenverarbeitung zwischen Büromaschine und Computer. Köln (1968), S. 16 ff. sowie Friedewald, Rüdiger H.: Marketing für mittlere Datentechnik. In: Bürotechnik und Organisation, 10/1969, S. 738.
Vgl. auch Friedewald, Rüdiger H.: Marketing für mittlere Datentechnik, a. a. O., S. 738.
vgl. auch Schulte, Otto: Datenverarbeitungssystem entspricht neuem Führungsstil. In: Bürotechnik und Organisation, 1/1969, S. 26.
vgl. hierzu Grochla, Erwin: Zur Diskussion über die Zentralisationswirkung automatischer Datenverarbeitungsanlagen. In: Zeitschrift für Organisation, 38. Jg. 1969, S. 48.
Vgl. zu dieser Einteilung den Beitrag von Grochla in diesem Buch, S. 11 ff.
Vgl. Burlingame, John F.: Information T achnology and Decentralization. In: Harvard Business Review, Vol. 39, No. 6, 1961, S. 121 f
Vgl. Grochla, Erwin: Zur Diskussion über 11e Zentralisationswirkung automatischer Datenverarbeitungsanlagen, a. a. O., S. 51
Vgl. Reichenbach, Robert R.; Tasso, Charles A.: Organizing for Data Processing. AMA Research Study 92, o. 0. (1968), S. 22.
Acker, Heinrich: Die organisatorische Stellengliederung im Betrieb, a. a. O., S. 86 ff.
Vgl. hierzu Manfras, Walfried: Möglichkeiten und Durchführung der Zentralisierung von Rechenarbeiten, a. a. O., S. 216.
Vgl. u. a. Bleicher, Knut: Die Entwicklung eines systemorientierten Organisations-und Führungsmodells der Unternehmung. In: Zeitschrift für Organisation, 3/1970, S. 118 ff.
Vgl. hierzu u. a. Häusler, Joachim: Ist Hierarchie noch zeitgemäß. Gedanken zur Organisationsplanung und zur Gestaltung der Führungspraxis. M. Teil. In: Bürotechnik und Organisation, 7/1969, S. 500 ff.
In diesem Zusammenhang wird teilweise von Führungsform gesprochen. Vgl. hierzu Bleicher, Knut: Führungsstile, Führungsformen und Organisationsformen. In: Zeitschrift für Organisation, 1–2/1969, S. 31 f.
Vgl. Bleicher, Knut: Führungsstile, Führungsformen und Organisationsformen, a. a. O., S. 38.
Vgl. Höhn, Reinhard: EDV und Führungsstil. Organisatorische und geistige Vorbedingungen für den wirtschaftlichen Einsatz von Computern. In: Bürotechnik und Organisation. 8/1969, S. 548.
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Wegner, G. (1971). Aspekte der Zentralisation und Dezentralisation von Informationsverarbeitungsprozessen. In: Grochla, E. (eds) Das Büro als Zentrum der Informationsverarbeitung. Betriebswirtschaftliche Beiträge zur Organisation und Automation, vol 10. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98743-3_2
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