Zusammenfassung
„Durch die Jahrhunderte geht die Tendenz zur Einschaltung des Handels... Die Einschaltung ist von keinem bewußt gewollt, eigentlich von allen gehemmt worden und geht doch mit gesetzmäßiger Sicherheit vor sich. Mit ebensolcher Gesetzmäßigkeit geht auch die entgegengesetzte Richtung, die Tendenz zur Ausschaltung des Handels, ihren Weg“1. Doch sind nach allem, was wir über diese beiden Prozesse wissen, die zur Ausdehnung des Handels drängenden Kräfte ungleich stärker als die zur Ausschaltung führende Entwicklung, wobei es sich — um Mißverständnisse zu vermeiden, sei dies hervorgehoben — nicht darum handelt, daß auf Handelsfunktionen verzichtet wird oder verzichtet werden könnte. Vielmehr werden die Aufgaben des Handels im Falle einer „Ausschaltung“ regelmäßig von anderen Gliedern der Wirtschaft, vor allem der Industrie, übernommen. Dazu gehört beispielsweise die Verbraucherwerbung der Markenartikelhersteller, ferner mindestens zeitweise die Übernahme gewisser Aufgaben auf dem Gebiete der Lagerhaltung durch die Industrie. Häufig geht es bei der sog. Ausschaltung des Handels lediglich darum, daß neben den selbständigen Handel andere Gebilde (z. B. die Einkaufsgenossenschaften oder die Verbrauchergenossenschaften — beide übrigens die Schöpfungen ganz verschiedener Wirtschaftsgesinnung!) treten. Daraus haben sich in der Vergangenheit scharfe wirtschaftspolitische Auseinandersetzungen und Konkurrenzkämpfe entwickelt, in deren Verlauf der selbständige Handel offenbar Terrain verloren hat.
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Literatur
Julius Hirsch: Stellung und Bedeutung des Handels in der deutschen Volkswirtschaft. in: Strukturwandlungen der deutschen Volkswirtschaft. Berlin 1928, 2. Bd., S. 85.
Für die Zählungen seit 1925 bzw. 1933 ist ein soldier Vergleich auch für die einzelnen Gruppen der beiden Wirtschaftszweige Groß- und Einzelhandel soweit durchgeführt worden, wie dies infolge zum Teil weitgehender Umstellungen der Systematik möglich war (vgl. S. 11 bis 13).
Über die Zunahme der Handeltreibenden seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg macht Werner Sombart folgende Angaben: „Im Königreich Preußen wurden Erwerbstätige im Handel auf 10 000 Einwohner 1843 (nach Die-terici) 97, 1895 (nach der Berufsstatistik) 240 gezählt. Selbst in dem hochentwickelten Königreich Sachsen waren vor sechzig Jahren [das war offenbar zwischen 1860 und 1870; v. V.] von 10 000 überhaupt Erwerbstätigen erst 256, 1895 dagegen 637 Handeltreibende. Und in einer Stadt wie Breslau betrug deren Anteil an der Gesamtbevölkerung 1846 3,1%, 1895 aber 6%. Auch von 1895–1907 hat sich die Händlerschaft im Deutschen Reiche wiederum rascher als die Bevölkerung vermehrt, so daß 1895 erst jeder neununddreißigste Mensch (38,8), 1907 aber schon jeder dreißigste (29,9) ein Händler war. “(Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus. Zweiter Halbband. München und Leipzig 1928, S. 783.)
Nach der Handwerkszählung vom 30. September 1949 betrug der Handelsabsatz des Handwerks in der Zeit vom 1. Oktober 1948 bis 30. September 1949 im Durchschnitt 18,5 v. H. des Gesamtabsatzes. In den einzelnen Zweigen ist der Anteil aber sehr verschieden; so betrug er z.B. im Nahrungsmittelhandwerk 14,5 v. H., im Textil-, Bekleidungsund Lederhandwerk 24,9 v. H., im Eisen und Metall verarbeitenden Handwerk, zu dem u. a. die Elektro-, Rundfunk- und Fahrradmechaniker gehören, 40,7 v. H. (vgl. im einzelnen: Handwerkszählung vom 30. 9. 1949, Band 6, S. 33 bis 35. Statistik der Bundesrepublik /Deutschland, Band 16. Stuttgart — Köln 1952). Ein Vergleich mit einem früheren Jahre ist nicht möglich.
Erfaßt ist im wesentlichen der sog. selbständige Handel einschl. des genossenschaftlichen Handels.
Einzelhandel, Großhandel usw.
Jeweiliger Gebietsstand; für 1939 heutiges Bundesgebiet.
Der bei der Betriebszählung von 1907 gemachte Versuch, den Einzelhandel durch Erfassung der sog. offenen Verkaufsstellen gesondert auszuweisen, reicht nicht aus, um diese Betrachtung bis in die Zeit vor dem ersten “Weltkrieg auszudehnen.
Mit der Entwicklung des Großhandels von 1939 bis 1950 befaßt sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin: Der Großhandel im Bundesgebiet und in West-Berlin. in: Wochenbericht, 19. Jahrg., Nr. 41 (10. Okt. 1952), S. 164 bis 166. Die statistischen Angaben weichen zum Teil von den hier genannten, die eine Vergleichbarkeit auch mit den Ergebnissen der gewerblichen Betriebszählung von 1933 herstellen, ab. Der Aufsatz macht vor allem auf die starke Zunahme des Großhandels mit Fertigwaren und des Ein- und Ausfuhrhandels sowie den Rückgang der durchschnittlichen Betriebsgröße aufmerksam. Folgende Faktoren werden als Ursache für die Ausdehnung des Großhandels angegeben: „die stärkere Inanspruchnahme von Großhandelsleistungen“, die Abwanderung von Betrieben seit Kriegsende aus Ostdeutschland, dem Gebiet der Sowjetzone und aus Berlin, „dem früheren Handelszentrum, dessen Geschäftsbereich sich praktisch auf ganz Deutschland erstreckte“, die Gründung von zweiten Niederlassungen in West-Deutschland und der Drang, insbesondere bei Flüchtlingen und Arbeitslosen, nach einer neuen selbständigen Existenz. Aus Schätzungen des Großhandelsabsatzes (1935: rund 20 Mrd. RM, 1950: 48 Mrd. DM, 1951: 53 Mrd. DM) und aus einer Berechnung der Entwicklung des (preisbereinigten) Absatzvolumens des Großhandels — es soll 1951 um 10 bis 20 v. H. größer gewesen sein als 1935 — wird in diesem Bericht der Schluß gezogen, daß die Zahl der Großhandelsbetriebe weit mehr gestiegen sei als das Absatzvolumen, was als Nachweis der im Großhandel bestehenden Übersetzung aufgefaßt wird. Dazu ist allerdings geltend zu machen, daß die Schätzungen des Großhandelsabsatzes auf sehr unsicherer Grundlage stehen und somit auch die darauf aufbauenden Berechnungen und Folgerungen. Auf jeden Fall sind die Schätzungen des Großhandelsabsatzes sehr viel unsicherer als die des Einzelhandelsabsatzes.
Einen Beitrag zu den hier behandelten Fragen versucht das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften, Köln, in einer Untersuchung von Emmy Kleine: Zum Problem der Übersetzung des Einzelhandels. in: WWI Mitteilungen, 6. Jahrg., Nr. 1 (Januar 1953), S. 13 bis 23, zu liefern. Ausgangspunkt der Betrachtungen sind die Ergebnisse der nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstättenzählungen von 1939 und 1950 und eine Schätzung des westdeutschen Einzelhandelsabsatzes für 1938 und die Nachkriegszeit. Danach war der Absatz je Betrieb und je Beschäftigten im Einzelhandel 1950 dem Werte nach zwar um 36 v. H. bzw. 40 v. H. höher als 1938, der Menge nach — also nach Ausschaltung der Preisbewegung — aber um 21. v. H. und 18 v. H. niedriger als damals, woraus gefolgert wird, daß sich die Übersetzung — vor allem im Einzelhandel mit Bekleidung, Hausrat und Maschinen — in der Nachkriegszeit wesentlich verschärft habe und die Kapazitäten unzureichend genutzt seien, was zum Teil mit der auf S. 12 dieser Arbeit wiedergegebenen Übersicht in Widerspruch steht. Zu wenig berücksichtigt wird dabei jedoch u. a. die Tatsache, daß der Absatz seit 1950 weiter zugenommen hat und die 1950 bestehenden Betriebe, in Sonderheit die nach der Währungsreform gegründeten, auch bei vorsichtiger Abschätzung ihrer Aussichten mit einer Absatzsteigerung rechnen konnten. Die in der vorliegenden Untersuchung für die Entwicklung seit 1950 gemachten Angaben sprechen nicht für eine weitere Verschlechterung der Kapazitätsausnutzung, wie das WWI (S. 23) annimmt, wenngleich die Übersetzung des Handels (gewissermaßen als Strukturproblem) in keiner Weise bestritten wird. Im übrigen wird hier bewußt auf die Heranziehung von Absatzschätzungen zur Beleuchtung der interessierenden Fragen verzichtet, da diese für die Nachkriegszeit noch zu wenig fundiert erscheinen und überdies eine hinreichende Ausschaltung der Preisbewegungen für die Zeit vor 1938 kaum möglich ist.
Nach: Die nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten. Ergebnisse der Arbeitsstättenzählung 1950. Heft 166 der Beiträge zur Statistik Bayerns. Bayerisches Statistisches Landesamt, München 1951, S. 21.
Nach amtlichen Ermittlungen.
Vgl.: Heft 166 der Beiträge zur Statistik Bayerns, a. a. O., S. 22.
Vgl.: Heft 166 der Beiträge zur Statistik Bayerns, a. a. O., S. 30.
Nach: Die nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten in den bayerischen Regierungsbezirken und Kreisen. Ergebnisse der Arbeitsstättenzählung 1950. Heft 168 der Beiträge zur Statistik Bayerns. Bayerisches Statistsisches Landesamt, München 1952, S. 17/18.
15a Nach amtlichen Angaben.
Nach I. Spennemann: Die Betriebe des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen. in: Statistische Rundschau für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. Jahrg., 1952, 3. Sonderheft, S. 34 bis 37.
Nach: Die Betriebe in Hamburg nach Größenklassen in den Jahren 1939 und 1950. in: Hamburg in Zahlen, Jg. 1952, Nr. 33 (18. September 1952), S. 372/373.
Hans Niesner: Zwei Jahre Gewerbefreiheit, bearbeitet nach den statistischen Unterlagen des Städtischen Gewerbeamtes München. Als Manuskript vervielfältigt, München 1951. Fortsetzung: Die Entwicklung der Handelssparten in München im Jahre 1951. Maschinen-Manuskript, München 1952. Angaben für das Jahr 1952 wurden vom Städtischen Gewerbeamt München zur Verfügung gestellt.
Die endgültige Aufgabe eines Gewerbebetriebes soll aber meldepflichtig werden, um die Gewerberegister auf dem laufenden zu halten.
So auch Niesner: Zwei Jahre Gewerbefreiheit, a. a. O., S. 37 ff.
Nach Angaben des Gewerbeamtes. — 22 Neben der Zahl der „Betriebe“wurde die Zahl der „Branchen“, die die Einzelhandelsgeschäfte angemeldet haben, in einer Branchenkartei erfaßt. Es handelt sich also um die Zahl der Verkaufsstellen je Warengattung. Die Zunahme bringt die Erweiterung des Sortiments, zum Teil auch auf nicht verwandte Waren, zum Ausdruck. Vor der Einführung der Gewerbefreiheit waren nur 12 v. H. der Münchener Einzelhandelsbetriebe Mischbetriebe, Ende 1951 waren es 27 bis 28 v. H. Doch dürften diese Angaben nicht vollständig sein; denn viele Betriebe haben mit Einführung der Gewerbefreiheit die Erweiterung des Sortiments auf branchenfremde Erzeugnisse nicht angemeldet. Das Gewerbeamt schätzt den Anteil der nichtgemeldeten Branchenerweiterungen auf 30 v. H. Nichts ist freilich darüber bekannt, inwieweit im Einzelhandel Sortimente eingeschränkt worden sind.
Vgl.: Die Entwicklung der Handelssparten in München im Jahre 1951, a. a. O., S. 27; auch Tabelle 13 u. 14 dieser Schrift.
A. a. O., S. 28.
A. a. O., S. 29.
25a Nach Angaben des Münchener Gewerbeamtes. 1925 und 1939 Ergebnisse der gewerblichen Betriebszählungen. Für die folgenden Jahre Ermittlungen des Münchener Gewerbeamtes; Stand am Jahresende.
25b Nach Angaben des Münchener Gewerbeamtes.
25c Druck’schriftenhändler (den Stadthausierern zuzurechnen).
25d Aufsuchen von Bestellungen bei anderen Kaufleuten. Angaben mit der Vorkriegszeit nicht vergleichbar. Viele Kaufleute lassen sich keine Legitimationskarten mehr ausstellen, da sie kaum polizeiliche Kontrolle zu befürchten brauchen. — a 1925.
Vgl.: Ein Jahr Gewerbefreiheit in Hessen. in: Staat und Wirtschaft in Hessen, 5. Jg., 2. Heft (1. April 1950); Nach zwei Jahren Gewerbefreiheit. in: Staat und Wirtschaft in Hessen, 6. Jahrg., 2. Heft (1. April 1951); An- und Abmeldungen gewerblicher Betriebe. in: Staat und Wirtschaft in Hessen. 7. Jg., 2. Heft (1. April 1952). — Angaben für 1952 sind vom Hessischen Statistischen Landesamt zur Verfügung gestellt worden.
Überschuß der Anmeldungen über die Abmeldungen.
27a Zahl der ausgegebenen Wandergewerbescheine, die jeweils auf ein Jahr befristet sind. Daher sind diese Angaben nicht mit dem „Nettozugang“in den anderen Sparten des Handels vergleichbar; sie werden an dieser Stelle nur der Vollständigkeit wegen genannt.
Bericht der Industrie- und Handelskammer Frankfurt/M über das Jahr 1952/53, S. 66. Die Angaben für das ambulante Gewerbe stellen nicht den Zugang dar, sondern den Bestand (Zahl der ausgegebenen Wandergewerbescheine).
Zusammengestellt auf Grund der Berichte der Industrie- und Handelskammer Frankfurt/M über die Jahre 1951/52, S. 49 bis 54 und 1952/53, S. 65.
Industrie- und Handelskammer für Mittelfranken in Nürnberg. Jahresbericht 1950/51, S. 12/13 und 1951/52, S. 11.
Bericht über das Jahr 1951. Handelskammer Hamburg, S. 132 ff.
A. a. O., S. 132. — a Bericht über das Jahr 1950, S. 103/104. — b Der Nettozugang von 5 309 Betrieben im Jahre 1951 ist der Saldo aus einem Bruttozugang von 8 437 neugegründeten Handelsbetrieben und einem Abgang von 3 128 Betrieben.
Industrie- und Handelskammer Bonn, Jahresbericht 1951, S. 48 ff. und 1952, S. 86 ff.
Industrie- und Handelskammer Bonn, Jahresbericht 1952, S. 92.
Bericht der Industrie- und (Handelskammer für den Regierungsbezirk Aachen über das Jahr 1949, S. 56; 1950, S. 62; 1951, S. 67; 1952, S. 66.
Industrie- und Handelskammer zu Hannover. Jahresbericht 1951, S. 25; Jahresbericht 1952, S. 23.
Bericht der Industrie- und Handelskammer zu Osnabrück über die Jahre 1950 und 1951, S. 35.
A. a. O., S. 34.
A. a. O., S. 40.
Der Rest von rund zwei Dritteln ist entweder zu den Prüfungen nicht erschienen, hat sie als aussichtslos abgebrochen oder nicht bestanden.
Jahresbericht der Industrie- und Handelskammer zu Köln 1952, S. 11.
Die Tätigkeit der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel im Jahre 1952, S. 44.
Tätigkeitsbericht der Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf 1952. in: Wirtschaft und Verkehr, 24. Jahrg., Heft 1 (15. Januar 1953), S. 10.
43a Jahresbericht 1952. Industrie- und Handelskammer zu Bochum, S. 34. — Für 1951 vgl.: Jahresbericht 1951. in: Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer zu Bochum, Sondernummer, S. 24.
Aus dem Jahresbericht 1952. in: Nachrichten der Industrie- und Handelskammer Münster, 8. Jahrgang, Heft 2 (Februar 1953), S. 5. Sperrung vom Verfasser.
Nach: Jahresbericht der Industrie- und Handelskammer für die Stadtkreise Essen, Mülheim (Ruhr) und Oberhausen zu Essen, 1948, S. 49/50; 1949, S. 32/33; 1951, S. 42; 1952, S. 45.
A. a. O.
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Nieschlag, R. (1953). Die Ausdehnung des Handels und Ihre Ursachen. In: Die Gewerbefreiheit im Handel. Schriften zur Handelsforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98734-1_2
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