Zusammenfassung
Mit der Ausstellung im Lichthof des Brauhauses Winter erlebte DADA KÖLN im April 1920 seinen Höhepunkt, zugleich aber auch das Ende der Dada-Zentrale W/3. Etwa zu dieser Zeit distanzierten sich zunächst Angelika und Heinrich Hoerle von Arp, Baargeld und Ernst1, und wenig später zog sich auch Johannes Theodor Baargeld weitgehend von Dada zurück. Zwar lassen sich noch für einige Zeit enge Kontakte zu Max Ernst und ein gewisses Interesse für dadaistische Publikationen und Aktionen bei Baargeld nachweisen, doch scheint die Intensität seiner Dada-Aktivitäten nach der Ausstellung im April 1920 rapide nachgelassen zu haben.2 Walter Vitt hat die begründete Vermutung geäußert, Baargeld habe sich nach dem »Kapp-Putsch« vom 13.–16. März 1920 sowie den Kämpfen zwischen der Roten Ruhrarmee und den rechtsradikalen Freikorps bzw. der Reichswehr im Ruhrgebiet im März/April 1920 verstärkt seiner politischen Arbeit in der USPD gewidmet:
Betrachtet man diese Angelegenheit von ihrer Substanz her, so könnte man spekulieren, daß sich für einen Linkspolitiker wie Baargeld angesichts der bedeutenden politischen Konsequenzen, die aus dem Kapp-Putsch zu ziehen waren, die ästhetische Revolution plötzlich als Un-Problem, als eine verzichtbare Angelegenheit darstellte.3
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Literatur
Zumindest sind sie nicht im Katalog Dada-Vorfrühling vermerkt. Vgl. Reprint Dada-Vorfrühling. In: Wulf Herzogenrath / Werner Lippert (Bearb.), Von Dadamax zum Grüngürtel, a.a.O., S. 55–58. — Allerdings gibt es Hinweise, daß zumindest Heinrich Hoerle mit Exponaten an der Ausstellung beteiligt gewesen sei. So erinnert sich etwa Franz W. Seiwert: »hoerle war beteiligt an der ›denkwürdigen‹ ausstellung im brauhaus winter.« Franz W. Seiwert: »hoerle und ich«, a.a.O., S. 229. — Gestützt wird diese These auch durch die Erinnerungen Willy Ficks. Vgl. dazu Dirk Teuber: »Willy Fick und seine Freunde«, a.a.O., S. 30.
So weist Max Ernst in Briefen an Tzara noch im November 1920 und im Mai 1921 auf Baargeld hin: »391 no 14 macht arp, baargeld, armada v. duldgedalzen, haubrich, mir u. den sympathisierenden der Zentrale DaDa W/3 viel Freude.« Undatierter Brief von Max Ernst an Tristan Tzara, [vermutlich November 1920]. — »Baargeld vous enverra des travaux pour l’exposition.« Undatierter Brief von Max Ernst an Tristan Tzara, [vermutlich Mai 1921]. — Zit. nach Werner Spies: Max Ernst — Collagen, a.a.O., S. 237.
Walter Vitt: »Dada-Köln — Daten und Fakten«, a.a.O., S. 171. — Uli Bohnen weist zudem darauf hin, daß Gruenwald-Baargeld »im Zuge der Kampfe gegen den Kapp-Putsch an der Vorbereitung eines Sprengstoff-Attentats auf die Kölner Südbrücke beteiligt gewesen« sein soll. Er bezieht sich dabei auf die mündliche Auskunft der Witwe eines zweiten Beteiligten namens Andreas Tromm. Uli Bohnen: Franz W. Seiwert, a.a.O., S. 19.
Max Ernst: »Biographische Notizen (Wahrheitsgewebe und Lügengewebe)«, a.a.O., S. 139. — Luise Straus-Ernst hat darauf hingewiesen, daß es sich bei dem persönlich eingreifenden Museumsdirektor um Professor Karl Schaefer gehandelt habe. Luise Straus-Ernst: [Ohne Titel]. In: Kunstchronik und Kunstmarkt 55 (1920), H. 40, S. 787.
Ebd.
Vgl. dazu Angelika Littlefield: The Dada Period in Cologne, a.a.O., S. 16.
Zu Willy Ficks Teilnahme am Dada-Vorfrühling vgl. Dirk Teuber: »Willy Fick und seine Freunde«, a.a.O., S. 27–34.
Beide Arbeiten gelten als verschollen. — Raoul Schrott schreibt diese Arbeiten nicht Fick zu, sondern vermutet hinter diesen Titeln Fundstücke im Sinne der im November 1919 gezeigten »Plastiken«: »Es muß sich hier um irgendwelche Fundstücke, Wurzeln o. ä. gehandelt haben, die auf die in der ersten Ausstellung gezeigten Arbeiten von Kindern und Geisteskranken anspielen sollten. [...] Von Interesse ist der Aspekt der provokanten Symbolik, den diese zwei Titel innerhalb des Rahmens der Ausstellung erhalten: die Assoziation mit Tirol als das Raune, Vulgare, Primitive, als Kontrast und Gegensatz; Tirol aber auch als das Volkstümliche und Ursprüngliche (vielleicht waren es auch zwei Trachtenpuppen?), das jedem akademischen Sujet gegenüber aufreizend wirkte.« Raoul Schrott: Dada 21/22, a.a.O., S. 13. — Schrotts inhaltliche Deutung des Titels scheint zunächst plausibel. Allerdings halte ich die Darstellung Teubers und Littlefields, Fick habe sich hinter dem Pseudonym »Vulgirdilettant« verborgen, für glaubhafter — zumal sich die Schilderung auf Erinnerungen Ficks stützen kann, der sogar angibt, daß es sich bei den Arbeiten um Holzreliefs gehandelt habe: »Fick recalled that his works were woodden reliefs. As a trained cabinet worker he liked to incorporate elements of his trade.« Angelika Littlefield: The Dada Period in Cologne, a.a.O., S. 16.
Max Ernst: »Biographische Notizen (Wahrheitsgewebe und Lügengewebe)«, a.a.O., S. 139.
Gottfried Brockmann: »Zeichnung des Tordurchgangs zum Brauhaus Winter« (1975). In Walter Vitt: »Dada-Köln — Daten und Fakten«, a.a.O., S. 172.
[Anonym]: »Der letzte Schrei«. In: Kölnische Volkszeitung, 1.5.1920.
Hans Richter: DADA — Kunst und Antikunst, a.a.O., S. 165 f. — Allerdings unterhielt Hans Richter keine direkten Kontakte zu den Kölner Dadaisten. Dennoch ist ein Termin im späten April 1920 plausibel, denn der einzige mir zugängliche Pressebericht erschien am 1. Mai 1920 in der Kölnischen Volkszeitung.
Vgl. etwa John Russell: Max Ernst. Leben und Werk, a.a.O., S. 52.
Dirk Teuber: »Willy Fick und seine Freunde«, a.a.O., S. 29–31.
Vgl. Franz W. Seiweit: »hoerle und ich«, a.a.O., S. 229.
Jimmy Ernst: Nicht gerade ein Stilleben, a.a.O., S. 35.
Max Ernst: »Biographische Notizen (Wahrheitsgewebe und Lügengewebe)«, a.a.O., S. 139.
John Russell: Max Ernst. Leben und Werk, a.a.O., S. 53 f.
Vgl. Walter Vitt: »Dada-Köln — Daten und Fakten«, a.a.O., S. 172.
»DADA siegt!« (Spies / Metken 339), Klischeedruck und Typographie auf Papier, 1920, 42,3 × 63,5 cm.
Dieses Relief ist nicht zweifelsfrei zu identifizieren. Einer mündlichen Mitteilung zufolge, die Marguerite Arp-Hagenbach gegenüber Stefanie Poley machte, könnte es sich um das Relief »La mise au tombeau des oiseaux et papillons pour Hans Koch«, bemaltes Holz, 1916/17, 40 × 32,5 cm, handeln. Vgl. dazu Stefanie Poley: »Max Ernst und Hans Arp 1914–1921«, a.a.O., S. 190.
John Russell: Max Ernst. Leben und Werk, a.a.O., S. 52.
Die Arbeit wurde ebenfalls auf der Ersten Internationalen Dada-Messe im Juni 1920 in Berlin gezeigt. Die Recherchen zur Ausstellung Stationen der Moderne in Berlin (1988), in deren Rahmen die Ausstellungsräume der rekonstruiert wurden, führten die wissenschaftlichen Bearbeiter Helen Adkins und Ariel Alvarez zu der Vermutung, es könnte sich um die »Typische Vertikalklitterung...« gehandelt haben.
[Anonym]: »Der letzte Schrei«. In: Kölnische Volkszeitung, 1.5.1920.
»ein lustgreis vor gewehr schützt die museale frühlingstoilette vor dadaistischen eingriffen (l’état c’est MOI!)« (Spies / Metken 338), Assemblage aus Holz und weiteren Materialien, 1920, zerstört. — »erectio sine qua non« (Spies / Metken 322), von Druckstöcken mit Feder, Tusche, Aquarell und Gouache auf Papier, 1919, 46,7 × 30,8 cm. — »hypertrofietrofae«, auch: »trophée hypertrophique« (Spies / Metken 307), Klischeedruck mit Feder und Tusche auf Papier, ca. 1919/20.
Werner Spies: Max Ernst — Collagen, a.a.O., S. 41.
Die Zeichnung war zuvor bereits in der schammade reproduziert worden. Vgl. die schammade 1 (1920), o. P.
Vgl. zum »simultantriptychon« Walter Vitt: Auf der Suche nach der Biographie des Kölner Dadaisten Johannes Theodor Baargeld, a.a.O., S. 10–14. — Daß sich Baargeld und Ernst an der Pariser Liste orientierten, wird auch an der Übernahme von gravierenden sachlichen und orthographischen Fehlern deutlich. So findet sich in beiden Listen ein »W. Heartfield«, offensichtlich eine Kontraktion der Namen der Brüder Wieland Herzfelde und John Heartfield. Auch die falsche Schreibweise »Georges Grosz« wurde von den Kölnern adaptiert.
Brief von Max Ernst an Tristan Tzara, 17.2.1920. — Zit. nach Werner Spies: Max Ernst — Collagen, a.a.O., S. 236.
Die Pariser Liste war noch vor dem Ausschluß der Dadaisten aus dem Section d’Or-Projekt publiziert worden. Ernsts Polemik gegen Archipenko manifestiert sich auch in der Dada-Vorfrühling-Ausstellung: Ernst gibt einer Arbeit den Titel »der falsche archipenkolo«.
Bei Lullu Ernst handelt es sich um Luise Straus-Ernst. Mit ihrer Erwähnung in dieser »Ehrentafel« gewinnt Jimmy Ernsts Hinweis, seine Mutter habe mit eigenen Arbeiten am Dada-Vorfrühling teilgenommen, an Plausibilitat.
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Schäfer, J. (1993). Der Dada-Vorfrühling im Brauhaus Winter. In: Dada Köln. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98707-5_7
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