Zusammenfassung
Bisher wurde versucht, die Kulturlandschaft des heutigen Bundestagswahlkreises zu umreißen. Der besondere Akzent lag darauf, die Merkmale und ihren Wandel vom Kaiserreich bis in die Bundesrepublik in den kleinsten statistisch erfaßten politischen Einheiten, in den Gemeinden und Stadtteilen, zu fixieren. Damit sollten Bezugspunkte für die deutende Beschreibung des Wählerverhaltens in diesem Bereich während der letzten 90 Jahre geschaffen werden.
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Anmerkungen
Bei der letzten Reichstagswahl vor dem ersten Weltkrieg waren im Amtsbezirk Heidelberg 20,5 von 100 Einwohnern wahlberechtigt, im Amtsbezirk Wiesloch 21,3 %. — Bei den Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung von 1919 waren es im Amtsbezirk Heidelberg $5,5 von 100 Einwohnern (der Volkszählung von 1919), im Amtsbezirk Wiesloch 52,8%; bei der Reichstagswahl von 1930 sind im Amtsbezirk Heidelberg 70,1%, im Amtsbezirk Wiesloch 58,5% der Bevölkerung stimmberechtigt. (Zahlen nach den entsprechenden wahlstatistischen Veröffentlichungen.)
Kommunalwahlen sind also nicht berücksichtigt. — Diese etwa 50 Wahlen setzen sich wie folgt zusammen: 13 ordentliche Reichstagswahlen im Kaiserreich, 3 großherzogliche Landtagswahlen nach dem direkten Wahlrecht (1905, 1909, 1913); zwischen 1919 und 1933 2 Nationalversammlungswahlen, 8 Reichstagswahlen, 3 Landtagswahlen, 4 Wahlgänge zu zwei Präsidentenwahlen, 2 Volksbegehren und 2 Volksentscheide; zwischen 1946 und 1961 2 Wahlen zu verfassunggebenden Landesversammlungen, 4 Landtagswahlen, 4 Bundestagswahlen, 1 Volksbefragung und 1 Volksabstimmung.
Günther Franz, Die politischen Wahlen in Niedersachsen 1867–1949, 1. Aufl., Bremen 1951; das Zitat zu Beginn der Einleitung.
Vgl. dazu: Peter Molt, Vom Kaiserlichen Reichstag zum Bundestag, Wandel und Beständigkeit des deutschen Parteiwesens im Spiegel der Wahlen, in: Wahlen und Wähler in Westdeutschland, a. a. O., bes. S. 132–134.
Die Literatur über badische politische Geschichte ist nicht sehr reichhaltig — besonders gilt das für die Weimarer Republik — und läßt viele Fragen offen. Leider reicht die deutsche Verfassungsgeschichte Ernst Rudolf Hubers bisher nur bis 1850. Trotz erheblicher Einwände gegen die besonders im 5. und 6. Kapitel des 2. Bandes über das Verhältnis von Gesellschaft und Parteien geäußerten Ansichten ist das Urteil Kafkas, es handle sich bei diesem Werk um eine »derzeit nicht übertroffene und schwer zu übertreffende Leistung«, zu unterstreichen (vgl. dazu Gustav E.Kafka, Deutsche Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, in: Civitas, Jahrbuch für christliche Gesellschaftsordnung, 1. Band, Mannheim 1962, S. 213–219). — Über Details der Gründung des Großherzogtums vgl. Gebhardts Handbuch der deutschen Geschichte; und zwar den Artikel von Max Braubach, Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß; für die weitere Entwicklung auch die Beiträge von Theodor Schieder und von Karl Erich Born. — Sehr anregend für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts ist auch der von Werner Conze herausgegebene Sammelband »Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 1815–1848«, Band 1 von »Industrielle Welt«, Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, Stuttgart 1962: darin für diesen Zusammenhang neben Conzes eigenem grundsätzlichen Beitrag über das »Spannungsfeld von Staat und Gesellschaft« besonders wichtig Wolfram Fischer, Staat und Gesellschaft Badens im Vormärz, S. 143–171. — Unter den Übersichten über die badische Geschichte war die von Hans Herzfeld, Das Land Baden, Grundlagen und Geschichte, noch die ergiebigste. — Einen ganz knappen historischen Überblick enthält die für die Nachkriegszeit wichtige Arbeit von Hans Georg Wieck, Christliche und freie Demokraten in Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden und Württemberg 1945/46, Band 10 der Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Düsseldorf 1958. Über weitere Darstellungen zur badischen Geschichte wird in der Dissertation von Heinz Striebich, Konfession und Partei, Heidelberg 1955, referiert; diese Arbeit gibt Auskunft über die Entwicklung der konfessionellen Parteien, besonders des Zentrums. Über die Deutsche Zentrumspartei wurde natürlich auch die »klassische« Darstellung von Karl Bachern, »Vorgeschichte, Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei«, Köln 1927–1932, herangezogen. Von ähnlicher Nützlichkeit wie die Dissertation Striebichs war im Hinblick auf die SPD der Stadt Heidelberg die Dissertation von Karlheinz Kaufmann, Soziale Strukturen im politischen Feld, dargestellt am Beispiel Heidelbergs und der sozialdemokratischen Parteiorganisation in dieser Stadt, Heidelberg 1956. — Für die organisatorische Seite der Parteientwicklung ist die für diesen Zusammenhang allerdings zu allgemeine Studie von Thomas Nipperdey zu nennen, Die Organisation der deutschen Parteien vor 1918, Band 18 der Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Düsseldorf 1961. — Unter den Memoiren verdienen die scharfsichtigen Beobachtungen Willy Hellpachs (Wirken in Wirren, 3 Bände, Hamburg 1948 ff.) hervorgehoben zu werden; — leider ist der 3. Band, der die Jahre 1926–1945 beschreiben sollte, nicht erschienen. — Die weitere Literatur ist jeweils gesondert nachgewiesen.
Als Ausgangspunkt dieser Einheit und damit der neueren badischen Geschichte kann wohl die Vereinigung der besonders durch den konfessionellen Gegensatz seit Reformation und Gegenreformation entzweiten beiden badischen Markgrafschaften Baden-Baden und Baden-Durlach unter Karl Friedrich von Baden-Durlach im Jahre 1771 gelten. Die Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 fielen für den Markgrafen von Baden sehr günstig aus. Mit dem Bistum Konstanz, den rechtsrheinischen Besitzungen von Basel, Straßburg und Speyer und der rechtsrheinischen Pfalz erhielt er das 7- bis 8fache seines linksrheinischen Verlustes, zudem sollte er als Kurfürst in das erste Kollegium des Reichstags einrücken. Nach dem Siege Napoleons über Österreich konnten sich seine süddeutschen Bundesgenossen auch die reichsritterlichen Besitzungen aneignen und sie durch mediatisierte Gebiete weiter vermehren. Die Arrondierung Badens — ebenso wie die Württembergs und Bayerns -wurde 1805 durch die Zuweisung österreichischer Abtretungen vorangetrieben. 1810 wurden Baden noch einige württembergische Grenzgebiete zugesprochen. Seinen gesamten Besitzstand erhielt es auf dem Wiener Kongreß bestätigt.
Vgl. dazu Bernhard Vogel, Die Unabhängigen in den Kommunalwahlen westdeutscher Länder, phil. Diss. Heidelberg 1960.
Theodor Schieder, Staat und Gesellschaft im Wandel unserer Zeit, München 1958; das Zitat auf S. 145. — Man wird in diesem Fall Parteigeschichte und Wahlgeschichte sehr nah zusammenrücken dürfen.
Fischer, a. a. O., S. 147 und 152.
Das badische Volk erhielt im August 1818 eine der frühesten deutschen konstitutionellen Verfassungen. Die Abgeordneten der zweiten Kammer wurden indirekt über Wahlmänner gewählt. — Conze, S. 229 f., weist darauf hin, daß die liberale Opposition zwar bestand und auch als solche bezeichnet wurde, daß ihre Wortführer in den Kammerdebatten zwischen 1819 und 1848 diese Bezeichnung für sich jedoch ablehnten; »denn es sollte gemäß der konstitutionellen Theorie unter keinen Umständen eine festorganisierte Opposition und damit den Beginn zu einem Zerfall der Abgeordnetenkammer in eine Regierungs- und eine gegen die Regierung gerichtete Oppositionspartei geben«.
Huber spricht davon, daß Baden 1831/32 neben der Rheinpfalz zum »Land einer ungehemmten liberalen und demokratischen Agitation« wurde (II, S. 41; vgl. auch S. 144); Herzfeld weist auf die geistig regsamen bürgerlichen Beamten und Juristen der zweiten Kammer hin, durch die Baden zum »Exerzierfeld des deutschen Liberalismus des Vormärz« (S. 55) geworden sei.
Das Zitat bei Huber, II, S. 48, — hier auch S. 512: »Die badische April-Revolution 1848 war vornehmlich eine Agrarrevolution. Wenngleich es auch in den Industriestädten, wie in Mannheim, zu mannigfachen Ausschreitungen kam, so war doch der Kern des revolutionären Vorgangs die Auflehnung des Bauerntums gegen die großen standesherrlichen Familien…«
Herzfeld, S. 57. — Vgl. auch den zum Gedenken an den 100. Todestag von Friedrich Daniel Bassermann gehaltenen Vortrag von Heinz Goll-witzer, F. D. Bassermann und das deutsche Bürgertum, Mannheim 1955.
Für die Wahl der Frankfurter Nationalversammlung vgl. die in rechtlicher Hinsicht instruktiven, in politischer indessen nur skizzenhaften Ausführungen Hubers, II, S. 606 ff. — Heidelberg war durch Prof. Mitter-maier vertreten, der sich zunächst dem Linken Zentrum anschloß. Auch Robert von Mohl, der im württembergischen Wahlkreis Mergentheim gewählt worden war, wohnte in Heidelberg.
Zur Charakterisierung des politischen Klimas im damaligen Baden, vor allem an der Universität Heidelberg, vgl. die Lebenserinnerungen von Robert von Mohl, Leipzig und Stuttgart 1902, bes. S. 217–254.
Wieck, S. 19.
Hellpach, I, S. 458.
Nipperdey, S. 109 f. — Die gesamtliberale Organisation war in Baden wie auch anderwärts in den Händen der Nationalliberalen. Das Komitee als Typus der lokalen Parteiorganisation erhielt sich teilweise bis über die Jahrhundertwende hinaus. Den »Mittelbau« der Landesorganisation bildeten in Baden relativ offene Landesversammlungen, auf denen sich führende Gesinnungsgenossen aus den Bezirken zusammenfanden; diese wurden in den 70er Jahren nur selten zusammengerufen, wohl aber auf Anregung Miquels nach der Sezession von 1880, um die antisezessionisti-sche Haltung der badischen Partei zu festigen. Die formelle Parteiführung lag beim Landesausschuß, dessen Einberufung weitgehend im Ermessen des Partei- und Fraktionsführers Kiefer stand. Der eigentliche Ausbau der Landesorganisation wurde bei den Liberalen erst nach der Wahlniederlage von 1890 vorangetrieben.
Alle 9 bei der Wahl von 1887 gewonnenen Wahlkreise gingen verloren, 6 an das Zentrum, 2 an linksliberale Kandidaten, 1 an die Sozialdemokraten.
Gemeint ist der Mannheimer Landgerichtspräsident Anton Bassermann, Ernst Bassermanns Vater. — Karola Bassermann, S. 71.
In Baden besaßen die Linksliberalen zunächst keine Parteiorganisation; erst 1891 wurde ein für Hessen, Baden, Nassau und die Pfalz zuständiger überlokaler Parteiverband gegründet, Ende der 90er Jahre dann auch eigene Bezirksorganisationen.
Mit »linksstehend« kann bei einem Nationalliberalen nur die Haltung der meisten süddeutschen Reichstagsabgeordneten gemeint sein, wie sie sich etwa in der Ablehnung der sogenannten Zuchthausvorlage zeigte oder auch 1912, als sie die Einbeziehung der Sozialdemokraten ins Reichstagspräsidium befürworteten. Der 1899 zum Fraktionsführer gewählte Ernst Bassermann sagte am 15. Oktober dieses Jahres im Reichstag: »Es kann eine Zeit kommen, in der Deutschland um seine Existenz kämpfen muß, dann müssen wir uns auf alle Klassen der Bevölkerung stützen können, auch auf die Arbeiterklassen.« (Karola Bassermann, S. 102.) Andererseits waren die Nationalliberalen um die Jahrhundertwende durchweg wie Bassermann »Kämpfer für die Militärvorlage, für die Flotte, für die Kolonien, für das Auslandsdeutschtum» (so Gustav Stresemann in seiner Gedächtnisrede vom 21. September 1917 im Reichstag, abgedruckt in: Ernst Bassermann, Das Lebensbild eines Parlamentariers aus Deutschlands glücklicher Zeit, S. 214).
1907 bestanden in den wichtigsten nationalliberalen Gebieten Hannover, Westfalen, Rheinprovinz, Pfalz, Württemberg und Baden 100 Jungliberale Vereine neben 531 allgemeinen Parteivereinigungen. In Baden waren es in diesem Jahr 29 Jungliberale und 141 allgemeine, 1914/15 239 allgemeine Vereine mit 31 200 Mitgliedern (Nipperdey, S. 97 ff.). -Vgl. auch Karola Bassermann, S. 114.
G. Binz (Rechtsanwalt und Stadtrat in Karlsruhe), »Die Parteien», in: »Das Großherzogtum Baden…«, S. 1095 f. und S. 1101.
Organisatorisch bestanden im wesentlichen Honoratioren-Komitees, mit der Zeit wurden daraus Wahlvereine (vgl. Nipperdey, S. 246). — Hellpach urteilt in seinen Memoiren allerdings wohl vornehmlich seiner Karlsruher Eindrücke wegen: »Konservative im norddeutschen Sinne gab es hierzulande überhaupt nicht« (I, S. 474). — Über Einzelheiten vgl. S. 69 f. und S. 92.
Hans Gabler, Die Entwicklung der deutschen Parteien auf landschaftlicher Grundlage von 1861–1912, Tübingen 1934, S. 34 f.
Das Großherzogtum Baden, S. 1098. — Vgl. über ihr Abschneiden bei Reichstagswahlen unten S. 84–86.
Die Wahlreform beseitigte das indirekte Klassenwahlrecht und sah als neue Mitglieder der ersten Kammer Vertreter der Technischen Hochschule, der Handels- und Landwirtschaflskammer, der großen und kleinen Städte sowie der ländlichen Gemeinden vor.
Die jahrelange Spaltung zwischen einer nachgiebigeren und einer radikaleren politischen Richtung bekam der Partei nicht gut. Nach beständigem Aufstieg errang sie bei der Landtagswahl von 1881 23 Mandate, sank aber bis 1887 auf 7 ab. Im Winter 1885/86 wurde der Zwiespalt zwischen der die erzbischöfliche Versöhnungspolitik akzeptierenden Fraktionsmehrheit unter Lender und den anderen Mitgliedern der Fraktion, die unter Wackers Führung für eine energische Fortführung des parlamentarischen Kampfes gegen die nationalliberale Kammermehrheit eintraten, offen ausgetragen. »Die Partei war völlig desorganisiert, die Presse ungenügend.« Nach diesem Tiefstand der katholischen Volkspartei, nach dieser geistigen »Zerfahrenheit, wie sie innerhalb der Zentrumspartei noch nirgends aufgetreten war», schloß sich 1888 die katholische Volkspartei der allgemeinen deutschen Zentrumspartei an; vor diesem Zeitpunkt besaß sie keine feste Organisation in Baden. (Zitate bei Striebich, S. 48.)
Zit. bei Karola Bassermann, S. 114.
Peter Molt hebt in einer kritischen Besprechung des Nipperdeyschen Buches gerade diesen Punkt als bedeutenden Beitrag für die Fragestellung der politischen Wissenschaft hervor; ein Vergleich der Nipperdeyschen Ergebnisse mit Arbeiten über das gegenwärtige Parteiwesen zeigten nämlich, »inwieweit die heutigen Organisationsstrukturen traditionell in den Anfangs- und Entwicklungszeiten deutscher Parteien begründet sind« (PVS, 3. Jg., Heft 1, S. 95–98).
Striebich, S. 59.
I, S. 454.
Nipperdey, S. 336 ff.
Durch die Änderungen der badischen Gemeindeordnungen im Jahre 1910 war die Klassentrennung etwas gemildert worden, wenn auch das Drei-Klassen-Wahlrecht weitergalt. Den 8 nationalliberalen Stadträten standen nun 4 vom Fortschritt, 2 vom Zentrum, 2 Sozialdemokraten und 2 Stadträte der freien Bürgervereinigung, einer Interessenvertretung der Hausund Grundbesitzer, gegenüber. — Diese freien Wählergruppen weisen während der Weimarer Republik eine erstaunliche Kontinuität auf und sind im lokalen Bereich ein Symptom für die sich an speziellen Interessen orientierende Aufsplitterung der »bürgerlichen« Wählerschaft. 1919 gewinnen die »vereinigten bürgerlichen Gruppen« 3, 1922 ebenfalls 3, 1926 sogar 4 Stadtratsmandate. 1930 verlieren sie ihre Wähler an die NSDAP. Hinter diesen Gruppen stand vor allem die DNVP, der Landbund, aber auch lokale Sonderinteressen, so 1922 die »Bürgerpartei«, 1926 der Einzelhandel. — Der Bürgerausschuß war der große, politisch nicht sonderlich bedeutungsvolle repräsentative Bürgerrat.
Alfred Rapp, Die Parteibewegung in Baden 1905–1927, Karlsruhe 1929, S.7.
Nach der Reichsverfassung wurde in jedem Bundesstaat auf durchschnittlich 100 000 Seelen derjenigen Bevölkerungszahl, welche den Wahlen zum norddeutschen Reichstage zugrunde gelegen hat, ein Abgeordneter gewählt. Für Baden war demnach bei den ersten Reichstagswahlen im Frühjahr 1871 die bei der Volkszählung vom 3. Dezember 1867 ermittelte Bevölkerungsziffer maßgebend, die für 1 434 970 Einwohner Badens 14 Wahlkreise mit ebenso vielen Abgeordneten ergab. Bei dieser für die Einteilung der Wahlkreise maßgeblichen Volkszählung betrug die Differenz zwischen dem kleinsten (Mannheim) und dem größten (Schopfheim-Waldshut) Wahlkreis etwa 20 000 Personen. 1912 hat der kleinste Wahlkreis (Adelsheim-Buchen-Tauberbischofsheim) etwa 108 000 Einwohner, der größte (Mannheim) etwa 296 000. Wie im ganzen Reich sind auch in Baden vor allem die Städte stark gewachsen.
Einen ausreichenden Überblick über Einwohnerzahl, Wahlberechtigte und Wahlergebnis der Reichstagswahlen von 1871–1912 in den 14 badischen Wahlkreisen enthalten die »Statistischen Mitteilungen über das Großherzogtum Baden«, hrsg. v. Großherzogl. Stat. Landesamt, N. F. Band 5, Jg. 1912; die ersten Wahlergebnisse im Großherzogtum Baden hatte der Band 20 von 1903 enthalten; damit auf Weisung des Innenministeriums einer Anregung des Landtags entsprechend.
Amtsbezirk Wiesloch, 1875: 69,4%, 1900: 69,5% Katholiken. — Amtsbezirk Heidelberg, 1875: 66,5%, 1900: 65,6% Protestanten.
Dieses fiktive Wahlkreisergebnis darf selbstverständlich nicht zu falschen Aussagen verleiten. Es kann für Untersuchungen des langfristigen Wählerverhaltens herangezogen werden, um die politische Stimmung der Wahlberechtigten in den Grenzen des heutigen Bundestagswahlkreises am Wahltag zu messen. Dagegen können Schlüsse wie etwa der: dieser Wahlkreis, der seit 1949 in Händen der CDU ist, wäre früher an einen nationalliberalen Abgeordneten gegangen, nicht gezogen werden. Wahlsystem und Wahlkreisgrenzen beeinflussen dafür das Wahlergebnis erfahrungsgemäß viel zu stark.
Stich- und unmittelbar auf die Hauptwahlen folgende Nachwahlen waren gewöhnlich uninteressant, zumal bei ihnen, wenn das Ergebnis eindeutig voraussehbar schien, häufig der Großteil der Wähler ohnehin zu Hause blieb. So mußte beispielsweise gleich drei Wochen nach der ersten allgemeinen Wahl im März 1871 in beiden Wahlkreisen nochmals gewählt werden, da die zunächst kandidierenden und auch siegreichen Bewerber der Nationalliberalen auch noch in anderen badischen Wahlkreisen gewählt worden waren und dort das Mandat annahmen. Da der Sieg des neuen liberalen Kandidaten außer Zweifel stand, bekam das Zentrum im Gebiet des heutigen Wahlkreises statt zuvor 4043 Stimmen nur noch 43. Statt zuvor beinahe 70% machten im Wahlkreis nur noch 40% der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch.
Die Deutsche Reichspartei, die 1871 und 1874 durch die Persönlichkeit des Prinzen Wilhelm von Baden den Wahlkreis Karlsruhe gewann, und die Deutsche Volkspartei (Demokraten), die mehrmals in den Wahlkreisen Karlsruhe und Pforzheim erfolgreich war, stellten im Heidelberger Gebiet nie Kandidaten auf.
In den beiden Wahlkreisen waren von 1871–1918 folgende Kandidaten siegreich:
Vgl. über diese Wahltaktik unten S. 75.
In der folgenden Tabelle läßt sich am Beispiel der Städte Heidelberg und Eberbach erkennen, wie besonders bei der Wahl von 1890, bei der die Nationalliberalen wie 1887 den konservativen Kandidaten unterstützten, nationalliberale Wähler den freisinnigen Kandidaten wählten. In der ländlichen Odenwaldgemeinde Schönbrunn dagegen geben die nationalliberalen Wähler von 1884 bei den Wahlen von 1887 und 1890 fast geschlossen dem konservativen Kandidaten ihre Stimme. Heidelberg und Nußloch — Gemeinden mit starken katholischen Minderheiten — zeigen auch die Unterstützung des freisinnigen Kandidaten durch Zentrumswähler (1884 hatte das Zentrum den konservativen Kandidaten unterstützt). Die drei fast ganz oder überwiegend katholischen Gemeinden Peterstal, Dilsberg und Lobenfeld — Hochburgen des Zentrums im 12. Wahlkreis, zu dem auch alle anderen Beispiel-Gemeinden gehören -demonstrieren ebenfalls, wie geschlossen die Zentrumswähler — der Wahltaktik ihrer Partei folgend — 1890 freisinnig wählen. — Zur Charakterisierung der Beispiel-Gemeinden werden die Einwohnerzahlen von 1875 und 1900 und das »Mischungsverhältnis« der Konfessionen in diesen Jahren angegeben.
Vgl. unten S. 92.
Andererseits zog die Deutschsoziale Reformpartei, wie erwähnt, bei der Wahl von 1893 im 13. Wahlkreis auf Anhieb einen noch höheren Stimmanteil auf sich, obwohl sich in diesem Wahlkreis mit dem bisherigen Inhaber des Mandats ein konservativer Kandidat bewarb.
56,0%; — weitere Beispiele: Kirchheim 50,8%, Wieblingen 59,3%.
Beispiele: Gauangelloch/Ochsenbach 66,7%, Gaiberg/Waldhilsbach 58,9%, Sand-hausen/Bruchhausen 51,4%, Heiligkreuzst./Lampenh./Altenbach 47,6%.
46,8% in Eberbach; auch hier ist in zwei zu einem Wahlbezirk zusammengelegten Siedlungen niedrige Wahlbeteiligung zu verzeichnen: Schwan-heim/Unterallemühl 46,0%.
In den beiden Amtsbezirken gibt es 1871 nur zwei Gemeinden (Peterstal und Lobenfeld), wo umgekehrt die Zentrumsvorherrschaft durch die Nationalliberalen eingeschränkt wird.
Beispiele: Ebenfalls 100% nationalliberalen Stimmanteil, aber niedrige Wahlbeteiligung haben Pleutersbach und Schwanheim.
Nach Walldorf und Wiesloch am niedrigsten ist die Wahlbeteiligung mit 79,7% im gemischt-konfessionellen Baiertal (1875: 49,4% ev., 40,3% kath., 10% israel.).
Tabelle:
Es läßt sich nicht ausschließen, daß die Sozialdemokraten keinen Kandidaten aufgestellt hatten. Es wäre aber auch möglich, daß sich hinter den 28 »zersplitterten« Stimmen des Amtsbezirks Heidelberg (23 in Heidelberg selbst) sozialdemokratische verbergen, sind doch beispielsweise in den Archivalien (GLA Karlsruhe Abt. 236/14856, Reichstagswahl 1884) unter den Kandidaten des 13. Wahlkreises nur die Namen des nationalliberalen und des konservaten unterstrichen und deutlich geschrieben, alle anderen aber winzig und fast unlesbar.
Für 1887 war im GLA das nach Gemeinden aufgeschlüsselte Wahlergebnis nur für die Amtsbezirke Heidelberg und Eberbach, nicht aber für Wiesloch zu finden.
Darf man nämlich davon ausgehen, daß der größte Teil der katholischen Wahlberechtigten in diesen Gemeinden der Wahltaktik des Zentrums gefolgt ist und den freisinnigen Kandidaten gewählt hat, so ergibt sich, daß die evangelischen Wahlberechtigten teils konservativ, teils ebenfalls freisinnig, teils sozialdemokratisch gewählt haben. Von den folgenden Beispielen ist das Wahlergebnis in Nußloch am besten geeignet, diesen Zusammenhang zu illustrieren, weil hier die Zahl der Nichtwähler am wenigsten ins Gewicht fällt:
1907 59 Stimmen = 20,6%; 1912 85 Stimmen = 32,6%; 1890 hatte der sozialdemokratische Kandidat im Wahlbezirk Rauenberg/Rothenberg ganze 3 Stimmen, 1903 7; — über 10% der gültigen Stimmen für die Sozialdemokratie werden im katholischen Süden 1903 noch in Dielheim abgegeben (45 = 14,6%) und 1907 in Horrenberg (25 = 12,1%).
Dr. Vogel gewann 1900 in einer Ersatzwahl das Mandat des fast ausschließlich evangelischen Wahlkreises Rinteln-Hofgeismar-Wolfshagen, das seit 1890 ein Kandidat der Reformpartei innehatte.
Zitate aus dem Programm der deutschsozialen Reformpartei von 1895, abgedruckt bei Specht-Schwabe, Die Reichstagswahlen von 1867–1907, Berlin 1908, S. 416 f.
1900 lebten in Maisch 102 Juden; das entspricht einem Anteil an der Bevölkerung von 6,7%.
Auch für Pleutersbach ist dies zu vermuten.
Vgl. Peter Molt, a. a. O., bes.: »Die Wahlbeteiligung im geschichtlichen Vergleich«, S. 117 f. — vgl. das Resümee in Teil C, S. 177, Anmerkung 52.
Auf die schwankende Wahlbeteiligung auch während dieser Zeit aufmerksam zu machen, ist vielleicht schon deshalb nicht überflüssig, weil das Wählen noch eine reine Männersache war und bei den Reichstagswahlen im Gegensatz zu den Kammerwahlen, bei denen bis 1905 ein Klassenwahlrecht galt, alle Männer über 25 Jahren das Wahlrecht hatten.
Von den bekannten zehn katholischen Gemeinden des Amtsbezirks Wiesloch fehlen drei: Dielheim (77,6%), Rot (73,5%), St. Leon (75,6%); aus dem Amtsbezirk Heidelberg fehlt der einzige ganz katholische Ort, Peterstal.
Im 1903–1912 durchschnittlich wählenden Schönbrunn und im bei diesen Wahlen stets unterdurchschnittlich wählenden Schwanheim und Sandhausen sind vermutlich ebenso wie teilweise in Lampenhain und Ochsenbach weiterhin die oben auf S. 77 vermerkten technischen Schwierigkeiten ein Grund der niedrigen Wahlbeteiligung.
Z.B. St. Ilgen (1900): 72,0% evangelisch/26,7%) katholisch. Später auch Leimen: 72,8% evangelisch/26,6%) katholisch. Nußloch: 60,3% evangelisch/38,3% katholisch. Mauer: 54,9% evangelisch/45,1% katholisch.
Waldhilsbach hatte 1900 81,6% evang. und 17,8% kath. Bevölkerung.
Dieses Mal fehlen von den zehn Südgemeinden wie 1903 und 1907 St. Leon (84,6%) und zum erstenmal auch Rauenberg (81,4%), vom Amtsbezirk Heidelberg wieder Peterstal. — Zum Ausgleich gehen die Bürger von Maisch 1912 geschlossen zur Wahl: von 176 Wählern geben 175 eine gültige Stimme ab, 165 davon für den vom Zentrum unterstützten Kandidaten des Bundes der Landwirte.
Vgl. Molt, a. a. O., S. 118.
Vgl. auf der folgenden Tabelle die Nrn. 1–9.
Vgl. auf der Tabelle die Nrn. 10–19.
Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang Schönau (Nr. 24 auf der Tabelle), das zwar 1871 noch eine überdurchschnittliche Wahlbeteiligung aufweist, wo aber der Wahleifer 1877 (50,6%!), 1878 (62,4%), 1881 (48,6%!) erheblich nachläßt und 1878 der konservative (!) Kandidat über Vs der gültigen Stimmen erhält, so auch 1884 bei erheblich gestiegener Wahlbeteiligung (78,1%) und mit Unterstützung des Zentrums. Kann man hinter diesen auffallenden Schwankungen sowohl der Wahlbeteiligung wie des Parteienerfolgs Aktionen der zwischen 1874 und 1887 leer ausgehenden Sozialdemokratie vermuten, die zwar ihren Erfolg von 1890 erst 1912 wieder erreichen und sogar übertreffen kann, deren regelmäßige Erfolge seit 1887 aber das Wählerverhalten in Schönau »stabilisieren«?
Vgl. in der Tabelle die Nrn. 20–23.
Nur in Rot liegt sie 1903 deutlich unter dieser Grenze, etwas auch in St. Leon und Dielheim.
In Lobenfeld, Dossenheim und auf dem Dilsberg.
Auch in Nußloch gelingt es der SPD nicht, bei der Wahl von 1912 die 1907 errungene Mehrheit der gültigen Stimmen gegen die Nationalliberalen zu halten.
Beispiele: Schönau, Leimen, Bammental, Rohrbach, Wilhelmsfeld, Waldhilsbach.
Beispiele: Friedrichsdorf, Gauangelloch, Wiesenbach.
Beispiele: Walldorf, Wieblingen, Sandhausen, Nußloch, Ziegelhausen, St. Ilgen, Altenbach, Gaiberg, Mönchzell, Mückenloch. Auch Heidelberg und Wiesloch gehören zu dieser Gruppe, obwohl der liberale Block 1912 mit 53,1% in Heidelberg und 1907 mit 56,2% in Wiesloch nochmals die absolute Mehrheit erringt.
Bei der Wahl zur badischen Nationalversammlung hat die USPD kandidiert, in Baden aber nicht bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung. Im Gebiet des heutigen Bundestagswahlkreises 177 erhält die USPD außer in der Stadt Heidelberg (441) in den Zentren der sozialistischen Wählerschaft einige Stimmen: Schönau 9, Eppelheim 9, Kirchheim 26, Leimen 16, Nußloch 6, Peterstal 9, Rohrbach 25, Sandhausen 25, Wieblingen 6, Wilhelmsfeld 14, Ziegelhausen 15, Wiesloch 15, St. Leon 8, Rot 7, Rauenberg 7 und Walldorf 350 (!), fast ebenso viele wie die SPD (389).
Während sich die Zahl der gültigen Stimmen bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung in Baden um rund 26 000 erhöhte, gewann das Zentrum 5000 Stimmen dazu, die Deutschnationale Volkspartei rund 6000, die Sozialdemokratie rund 37 000, nur die DDP verlor 7000 Stimmen. — Die 15 000 Stimmen, die die USPD bei der Wahl zur badischen Nationalversammlung gewonnen hatte, scheinen zum großen Teil der SPD zugute gekommen sein.
Hellpach, II, S. 113 bzw. S. 150.
Marianne Weber, Lebenserinnerungen, Bremen 1948, S. 85; dort auch das folgende Zitat.
Vgl. auch Marianne Weber, Max Weber, Ein Lebensbild, Heidelberg 1950, S. 690–94; — Wolfgang J. Mommsen (»Max Weber und die deutsche Politik 1890 bis 1920«, Tübingen 1959) deutet diese Zwiespältigkeit wohl richtig: »Hätte er mit ganzer Kraft und leidenschaftlichem Willen den Schritt aus dem Gelehrtendasein in die aktive Politik tun wollen, der Weg dazu wäre für ihn offen gewesen. Aber er wollte das im Grund nicht. Er fühlte sehr wohl, daß er sich den gewiß oft subalternen Spielregeln des parteipolitischen Betriebs nicht einfügen konnte noch wollte. Den Parteipolitikern war sein Verhalten, in dem realpolitische Anpassung und äußerster gesinnungsethischer Rigorismus einander abwechselten, unheimlich und unberechenbar« (S. 303).
Zitat in »Wegweiser in die Zeitwende«, hrsg. von Elgar Kern, München-Basel 1955, S. 67.
Marianne Weber, Lebenserinnerungen, S. 88.
Hellpach, II, S. 304.
Die sechs Heidelberger Kandidaten sind: Dr. Julius Curtius, Stadtverordneter; Hans Keppler, Arbeitersekretär; Heinrich Koch, Metzgermeister und Stadtrat; Geheimrat D. Dr. Hans von Schubert, Professor; Viktor Steiner, Rechtsanwalt; Dr. Sophie Eckardt.
Leider geben die unter dem Titel »6 Jahre Minister der Deutschen Republik« 1958 veröffentlichten Aufzeichnungen von Curtius kaum parteigeschichtliche oder -organisatorische Hinweise, über Baden schon gar nicht.
Geiß, der 1918 die Abdankungsabordnung leitete, soll zum Großherzog, der eine Bemerkung über den Charakter dieser denkwürdigen Zusammenkunft machte, gesagt haben: »Königliche Hoheit — mei’ Schuld ischt’s nit.« — Auch in den folgenden Jahren amtierten nur Präsidenten aus den Reihen der Sozialdemokratie, des Zentrums und der deutschen Demokraten. Schon daraus läßt sich die relative Stabilität des badischen Parteiensystems während der Weimarer Republik erkennen, und tatsächlich wurde Baden fast durchgängig von einer Regierung nach dem Muster der Weimarer Koalition regiert.
Vgl. oben S. 65 f. — Die Zitate bei Hellpach, I, S. 474 bzw. S. 503; das folgende Zitat II, S. 175.
Alfred Weber, a. a. O., S. 57 und S. 67.
Zitiert bei Hellpach, II, S. 171.
Vgl. zu diesem ganzen Abschnitt die erwähnte Dissertation von Kaufmann; Zitat auf S. 100.
Alfred Weber, »Das Berufsschicksal der Industriearbeiter«, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 34. Band, Tübingen 1912, S. 379.
Bachern, 8. Band, S. 441 bzw. S. 438; vgl. überhaupt den Abschnitt über Baden 1918–1930, S.437–470.
Über die Erfolge bäuerlicher Splittergruppen vgl. den Abschnitt über »Die politische Landschaft«, bes. S. III.
Marianne Weber, Lebenserinnerungen, S. 92.
Vgl. sein Buch »Mit der alten Fahne in die neue Zeit«, Freiburg 1925, und die Biographie von Pius Enderle, Josef Schofer, Karlsruhe 1957.
Rapp, S. 11.
Vgl. die wahlstatistischen VeröfFentlichungen des Badischen Statistischen Landesamtes über die Reichstagswahl von 1924 und — besonders sorgfältig bearbeitet — über die Reichstagswahl von 1928, Karlsruhe 1924 u. 1928. — Vgl. weiterhin »Die Reichstagswahl 1930 in Baden«, bearbeitet und hrsg. vom Badischen Statistischen Landesamt, Karlsruhe 1930.
Wieck, S. 22.
Zitat bei Striebich, S. 59. — Die »Heidelberger Neueste Nachrichten« kommentierten am 17. 11. 1930 den etwa seinem Abschneiden bei den vorausgegangenen Reichstagswahlen entsprechenden Wahlerfolg bei den badischen Kommunalwahlen des 16. 11. 1930: »Nationalsozialisten und Evangelischer Volksdienst haben die bürgerlichen Mittelparteien schwer erschüttert«.
Zitat bei Gottfried Mehnert, Evangelische Kirche und Politik 1917–1919, Düsseldorf 1959, S. 144. — Am evangelischen Volksdienst waren die beiden schon 1920 wieder aus der DNVP ausgeschiedenen Mitglieder der Kornthaler Brüdergemeinde Paul Bausch und Wilhelm Simpfendörfer maßgeblich beteiligt. 1929 stießen zu dieser stark biblizistisch orientierten »evangelisch-politischen Bewegung, die sich nicht Partei nannte« auch die alten Christlich-Sozialen, die niemals ganz in der DNVP aufgegangen waren und größtenteils ausschieden, als der grundsätzlich gegen die Gewerkschaften eingestellte Hugenberg Parteivorsitzender wurde; — vgl. besonders das 5. Kapitel Mehnerts: Der Protestantismus und die politischen Parteien, S. 129–182.
Vgl. Wieck, S. 21; — vgl. auch oben S. 64 f.
»Der Wille zur alten Grundsatztreue war... in erster Linie maßgebend. Der zweite Grund... lag in der psychologischen Erwägung, daß der angekündigte Zustrom aus anderen politischen Lagern augenblicklich wohl eine zahlenmäßige Stärkung unserer Reihen, aber auch eine sehr bedenkliche Schwächung nach der grundsätzlichen Seite und damit eine verhängnisvolle Gefahr für die weltanschauliche Geschlossenheit bringen würde...«, Schofer, Mit der alten Fahne in die neue Zeit, a. a. O., S. 115 ft.
Bei einer Wahlbeteiligung von 84,9% erhielt die SPD 1912 die Stimmen von 25,7% der Wahlberechtigten (30,5% der gültigen Stimmen), 1919 bei fast gleich hoher Wahlbeteiligung 30 % (35,7 % der gültigen Stimmen) des annähernd verdreifachten Wahlkörpers. — 1903 gaben dem Zentrum im Wahlkreis 23% der Wahlberechtigten ihre Stimmen (= 30,2% der gültigen Stimmen), 1919 22,1 % (= 26,4%) der gültigen Stimmen).
Die Zitate bei Hellpach, I, S. 459 bzw. S. 476; Hellpach war im November 1918 in die DDP eingetreten.
Jedenfalls scheint darauf hinzudeuten, daß der Landwirt und Mühlenbesitzer, erster Vorsitzender des Badischen Gemeindeverbandes, Hermann Julier, 1924 Spitzenkandidat des Badischen Landbunds, 1928 als erster auf der Liste der christlich nationalen Bauern- und Landvolk-Partei kandidiert.
Sie erreichten in einzelnen Bereichen des heutigen Bundestagswahlkreises folgende v. H.-Anteile an den gültigen Stimmen:
Die Wahl von 1919 hatte eine Ausnahme gebildet: damals wählten im Reich 83,0% der Wahlberechtigten, im Wahlkreis 84,2% und in Baden 84,4 %. — Bei den Reichstagswahlen von 1928 und 1930 betrug die Wahlbeteiligung in der Reihenfolge Reich — Wahlkreis — Baden: 1928 75,6 71,4 61,7 1930 82,0 83,5 75,9 (Zahlen nach Meinrad Hagmann, Der Weg ins Verhängnis, München 194(3, S. 29 und 34.)
Für die beiden Reichstagswahlen von 1932 und die Wahl vom März 1933 wurden nur noch die Zahlen veröffentlicht, und diese nicht einmal mehr vollständig; — das entspricht auch dem Vorgehen der Reichsstatistik, die die Wahlergebnisse der letzten drei Reichstagswahlen in einem Band (434) 1935 veröffentlicht hat; in der Vorbemerkung steht als Begründung: »Der alte Parteienstaat, die Zeiten des Parlamentarismus, in denen zahllose Parteien um die Stimmen der Wähler rangen, und sich gegenseitig mit Erbitterung befehdeten, sind überwunden. Eine Epoche im politischen Leben des deutschen Volkes ist damit zu Ende gegangen. Unter diesen Umständen könnte es fast müßig erscheinen, die Ergebnisse der Reichstagswahlen vom 31. 7. 1932, 6. 11. 1932 und 5. 3. 1933, bei denen zum letzten Male die alten Parteien auf dem Plane erschienen, zur Veröffentlichung zu bringen... Trotzdem erscheint es nicht angängig, von einer Bekanntgabe der Statistik der letzten Wahlen überhaupt abzusehen. Im Interesse der Kontinuität und der Vollständigkeit dieser Veröffent-, lichungsreihe erschien es daher geboten, auch die Statistik der letzten Wahlen... zum Abdruck zu bringen und damit gewissermaßen den Schlußstrich unter eine mehr als 60jährige politische Entwicklung zu ziehen. Auch ein gewisser historischer Wert wird den Ergebnissen der letzten Wahlen zu den Reichstagen nicht abzusprechen sein...«
St. Leon; — vielleicht haben bei dieser Wahl die zahlreichen Pendler in dem besonders revolutionären Mannheim sich auch durch ihre Katholizität und die mehrheitliche Meinung ihrer Wohngemeinde nicht davon abbringen lassen, die »Arbeiterpartei« zu wählen. Das wird auch im benachbarten Rot mitgespielt haben; — in St. Leon und Rot ist die Wahlbeteiligung niedriger (73,7 und 81,8 %) als in den anderen »Zentrums-Gemeinden«, die mit durchweg über 90 % alle regionalen und überregionalen Durchschnitte übertreffen.
Außer in St. Leon (24,9%) und Rot (11,2%) auch in Dielheim (11,6%) und Rauenberg (16,7 %).
Diesen Schluß könnte man aus dem Umstand ziehen, daß die wenigen für DDP und DNVP abgegebenen Stimmen hier nicht zahlreicher sind als der bescheidene Anhang des liberalen Blocks von 1912:
Über diese drei Gemeinden vgl. S. 90.
Anscheinend haben in Lobenfeld 1919 und 1920 besonders viele katholische Arbeiter sozialistisch gewählt, gingen aber bis zur Maiwahl von 1924 wieder zum Zentrum über.
Auf dem Dilsberg waren 1925 76,9% der Bevölkerung katholisch, 22.1 % protestantisch; die Zahlen für Lobenfeld: 72,4% / 25,5%; für Altenbach: 53,2%) / 46,5%; 1875 waren in Altenbach 61,1 % der Bevölkerung evangelisch und nur 38,9 % katholisch gewesen.
In Horrenberg und in den als Paradebeispielen schon bekannten Orten Rettigheim und Malschenberg.
In Rot, Maisch, Rauenberg, Mühlhausen.
Ein gleich passendes Beispiel ist Bammental.
1920 werden in Heidelberg genau 15% der gültigen Stimmen für das Zentrum abgegeben, 1933 15,1%.
In Gaiberg gingen bei der Reichstagswahl von 1930 alle Wahlberechtigten zur Wahl; die 450 gültigen Stimmen (im Jahre 1925 setzte sich die Bevölkerung aus 63,5 % Protestanten und 35,5 % Katholiken zusammen) verteilen sich wie folgt: SPD 90, KPD 67, Einheitsliste der Deutschen Volkspartei und Deutschen Staatspartei 13, Badische Zentrumspartei 64, Deutschnationale Volkspartei 16, Evangelischer Volksdienst 112, NSDAP 78, sonstige 10.
Bei der Reichstagswahl von 1903 entfielen im Wahlkreis auf das Zentrum 30.2 % der gültigen Stimmen (23 % der Wahlberechtigten), im März 1933 22 % der gültigen Stimmen (19,8 % der Wahlberechtigten).
Vgl. Friedrich Stampfer, Die ersten 14 Jahre der deutschen Republik, Offenbach 1947, S. 484 ff., und Otto Braun, Von Weimar zu Hitler, Hamburg 1949, S. 114.
Erich Eyck, Geschichte der Weimarer Republik, Zürich und Stuttgart 1956, 2. Bd., S. 87.
Arthur Rosenberg, Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik, hrsg. von Kurt Kersten, Stuttgart 1955, S. 453 f.
Zahlen nach den vom Badischen Statistischen Landesamt zusammengestellten Abstimmungsergebnissen in: »Volksbegehren und Volksentscheid« über den Gesetzentwurf »Enteignung der Fürstenvermögen«, Karlsruhe 1926.
In Maisch stimmen beim Volksentscheid 48% der Stimmberechtigten ab, 45,1% für den Gesetzentwurf; in Rettigheim 44,7 bzw. 41,1%.
In Schönau sind 66,5% der Stimmberechtigten für den Gesetzentwurf, in Wilhelmsfeld 52,5%, in Waldhilsbach 70,8%; — bemerkenswerterweise fällt auch im Amtsbezirk Heidelberg die einzige ganz katholische Gemeinde Peterstal mit einem hohen Anteil von Ja-Stimmen beim Volksentscheid auf (63,1%). In Rauenberg 61 %, sehr viele Ja-Stimmen auch in St. Leon (54,7%), Dielheim (53,5 %), Rot (50,7 %).
In Rotenberg (14,9% Ja-Stimmen), Malschenberg (20,4%), Horrenberg (18,4% Ja); in Malschenberg hatten sich jedoch 72,5 % der Stimmberechtigten am Volksbegehren beteiligt; das ist der höchste Anteil im Wahlkreis überhaupt.
Stampfer, a. a. O., S. 487.
Bei der Reichstagswahl von 1893 erhielten die Sozialdemokraten im Wahlkreis 15,6% der gültigen Stimmen und 11,7% der Wahlberechtigten, bei der Reichstagswahl von 1907 26,7% der gültigen Stimmen und 22,6 % der Wahlberechtigten, bei der Reichstagswahl von 1912 30,5% der gültigen Stimmen und 25,7%) der Wahlberechtigten: vgl. die Tabelle ihrer Anteile bei den Reichstagswahlen der Weimarer Zeit auf S. 105.
Eppelheim, Leimen, Rohrbach, St. Ilgen, Bammental, fast auch Sandhausen, Kirchheim, Waldhilsbach.
In Kirchheim, Rohrbach, St. Ilgen, Sandhausen, Waldhilsbach. Eppelheim ist 1919 die einzige Gemeinde mit SPD-Vorherrschaft, die einen leichten prozentualen Rückgang der Sozialdemokraten gegenüber 1912 aufweist; offensichtlich haben dort DDP und DNVP die Vorkriegsposition des Liberalen Blocks nicht nur halten, sondern sogar etwas verbessern können.
1920 in Waldhilsbach und Altneudorf sowie in Bammental, 1924 nur noch in den ersten beiden.
Einen einmaligen Sonderfall im Wahlkreis stellt die Entwicklung des Parteienerfolgs im fast ganz katholischen Peterstal dar. 1919 bekommt die SPD einige Stimmen mehr als das Zentrum. Während das Zentrum seinen Anteil an den gültigen Stimmen bei den Reichstagswahlen von 1920 und 1924 von unter 50 bis über 60 % steigert, geht der Anteil der sozialistischen Parteien von über 50 bis unter 35 % zurück. Vom Dezember 1924 bis zum März 1933 sinkt das Zentrum wieder auf etwa 40% der gültigen Stimmen ab, die sozialistischen Parteien erhalten dagegen im November 1932 die Hälfte der gültigen Stimmen und im März 1933 nicht viel weniger. Andere Parteien, auch die NSDAP, bleiben bedeutungslos.
Auch in St. Ilgen — wie Sandhausen in der Hardt gelegen — geht der Anteil der sozialistischen Parteigruppe an den gültigen Stimmen von über 55 (1920) auf etwa 40% (1930–1933) der gültigen Stimmen zurück; doch scheint sich hier die wohl kaum wesentlich andere wirtschaftliche Situation stärker als in Sandhausen auch zugunsten der KPD ausgewirkt zu haben, die hier z. B. seit 1930 zunehmend mehr Stimmen als die SPD erhält.
Zwischen einem Drittel und einem Fünftel der Wahlberechtigten erhalten die sozialistischen Parteien in Baiertal; recht bewegt verläuft die sozialistische Erfolgskurve in der überwiegend protestantischen Arbeiterwohngemeinde Gaiberg; sieht man jedoch auf Anfangs- und Endpunkt, so stellt sich auch hier ein fester Kern von etwa 30 % der gültigen Stimmen heraus. Schließlich weisen einige weitere Arbeiterwohngemeinden einen regelmäßigen sozialistischen Wahlerfolg von etwa einem Fünftel der gültigen Stimmen auf: auf dem katholischen Dilsberg, im gemischt konfessionellen Dossenheim und im überwiegend protestantischen, stark kleinbäuerlichen Heiligkreuzsteinach sind es bis 1933 kaum unter 20%, in Rauenberg und in Mönchzell durchschnittlich eher 15%). In der bäuerlichen Odenwaldgemeinde Moosbrunn können die sozialistischen Parteien mit 15% der Stimmen rechnen, deren Anwachsen auf Vs der gültigen Stimmen bei niedriger Wahlbeteiligung nur beweist, daß sie regelmäßig abgegeben wurden.
In den protestantischen Odenwaldflecken Haag und Schwanheim, im protestantischen Ochsenbach und im gemischt konfessionellen Spechbach.
Nur in Baiertal, St. Leon und Friedrichsdorf entwickelte sich in der Weimarer Republik ein einigermaßen stabiler sozialistischer Stimmenanteil.
In Wiesenbach, Schatthausen und besonders deutlich im ganz protestantischen Tairnbach.
Waldwimmersbach, Schönbrunn, Heddesbach, Brombach und Lampenhain.
Vgl. Heinrich Striefler, Deutsche Wahlen in Bildern und Zahlen, eine soziographische Studie über die Reichstagswahlen der Weimarer Republik, S. 55. — Ein maßgeblicher SPD-Funktionär, der bei der Neugründung nach dem zweiten Weltkrieg mitgewirkt hat, spricht von einer »Antireaktion« dagegen, daß die »Pfarrer in dieser Gegend die Macht in den Händen gehabt hätten«.
Für SPD, USPD und KPD abgegebene Stimmen in: Malschenberg 52/ 92/0; Mühlhausen 8/16/2; Rauenberg 27/154/0; Rettigheim 3/13/0; Roten-berg 0/2/0; Maisch 52/92/0; St. Leon 12/6/32.
Die SPD erhält in Peterstal 47 Stimmen, die USPD 76, die KPD keine. USPD-Erfolge auch im überwiegend katholischen Lobenfeld, im katholischen Ortsteil von Friedrichsdorf, im mehrheitlich katholischen Altenbach. Auf dem Dilsberg erhält die SPD 70 Stimmen, die USPD 3, die KPD 5. Erwähnenswert ist auch die Stabilität der SPD in Dossenheim, einem der mehrheitlich katholischen Orte des Amtsbezirks Heidelberg.
Darunter außer Walldorf in allen Städten und u.a. in Schönau und Ziegelhausen.
Lediglich das kleine evangelische Brombach fällt aus dem Rahmen, von 20 sozialistischen Wählern entschieden sich 11 für die USPD.
Außer Mauer sind die folgenden Gemeinden alle ganz oder überwiegend evangelisch: Altneudorf, Bammental, Gauangelloch, Mauer, Meckesheim, St. Ilgen, Waldhilsbach, Rockenau; — recht geschlossen bleibt die SPD auch (USPD nicht viel mehr als 1/3 der SPD-Stimmen) in Leimen, Sandhausen, Mückenloch, Tairnbach.
Striefler, a. a. O., S. 31.
Das entspricht ungefähr 1% der Wahlberechtigten; — vgl. oben S. 108.
In der Stadt Heidelberg übersteigt der KP-Anhang ebenfalls leicht den Durchschnitt des Amtsbezirks.
Nur in Dielheim und Mückenloch; die SPD-Position ist auch in St. Ilgen und Altneudorf geschwächt.
Zu den bereits genannten Gemeinden aus dem Amtsbezirk Wiesloch kommen hinzu: Altenbach, Mönchzell, Moosbrunn, Waldwimmersbach, Mückenloch, Heiligkreuzsteinach.
In Heidelberg bekam der Liberale Block 1912 53,1 %, 1919 die DDP 35,0%, die DNVP 13,4%; in Neckargemünd bekam der Liberale Block 1912 51,0%, 1919 die DDP 39,4 % und die DNVP 7,7 %.
Die Stimmenanteile der Liberalen und Konservativen bei der Wahl von 1912 einerseits, die der DDP und DNVP 1919 andererseits betragen: Haag 89,3, -, -75,4, 19,4. Schönbrunn 84,5, 4,1–86,9, 3,0. Schwanheim 88,1, 5,1–70,1, 23,6. Moosbrunn 85,0, 7,5–79,2, 1,3.
In Lampenhain übertrifft sie die der DDP und erreicht die relative Mehrheit der gültigen Stimmen, während sie in Heddesbach und Brombach etwa die Hälfte bzw. 2/3 der DDP-Wählerschaft ausmacht.
Stärkste Partei bleibt die DDP hier in Gaiberg und in Mückenloch; — in Gaiberg und Meckesheim werden DDP und DNVP zusammen von der absoluten Stimmenmehrheit gewählt.
Aus dem Ergebnis der Reichstagswahl von 1907 lassen sich deshalb keine Schlüsse ziehen, weil das Zentrum die Konservativen unterstützte.
Gaiberg, Mönchzeil, Moosbrunn.
DDP, DVP und DNVP erhielten 1920 der Reihe nach folgende Anteile an den gültigen Stimmen in:
In einigen dieser Gemeinden nimmt auch die DNVP zu, beispielsweise in Baiertal und in Wiesloch, während in Walldorf alle liberalen Parteien Stimmen verlieren.
In Altenbach, Bammental, Heiligkreuzsteinach, Lampenhain, Meckesheim.
Vgl. »Die Wahlen zum Reichstag am 4. Mai 1924 in Baden«, bearb. im Badischen Statistischen Landesamt, Karlsruhe 1924, S. 79.
Beispiele: Ziegelhausen, Nußloch, Leimen, Sandhausen, Rohrbach, Schönau, auch in Wilhelmsfeld.
Von den Gemeinden, in denen der Badische Landbund seine Stimmen vor allem von den beiden liberalen Parteien erhielt, wurden für DDP und DVP 1920 und 1924 (Mai) folgende Stimmenzahlen abgegeben (in Klammer die Stimmen des Badischen Landbunds vom Mai 1924): Vor allem von der DNVP erhielt der BLB seine Stimmen in den folgenden Gemeinden; angegeben werden die Stimmen der DNVP von 1920 und vom Mai 1924 (in Klammer die Stimmen des Badischen Landbunds vom Mai 1924): In folgenden, vornehmlich im Odenwald gelegenen Dörfern haben sowohl die liberalen Parteien als auch die DNVP Stimmen an den BLB verloren: Gaiberg, Haag, Heddesbach, Heiligkreuzsteinach, Lampenhain, Ochsenbach, Schönbrunn und Schwanheim.
Beispiele: Altenbach, Dilsberg, Mauer, Mönchzeil, Pleutersbach, Rockenau, Tairnbach, Sandhausen.
Im Odenwalddorf Brombach machten im Mai 1924 von 205 Wahlberechtigten ganze 26 (= 12,7%) von ihrem Wahlrecht Gebrauch: 6 wählten völkisch, 3 deutschnational, 7 den BLB, 2 die DVP, je einer DDP und Zentrum, 2 SPD und 4 KPD. Unter der Hälfte der Wähler gingen auch im benachbarten Heddesbach, Heiligkreuzsteinach und Lampenhain zur Wahl. Sehr schwach ist die Wahlbeteiligung auch in Schwanheim, Haag, Mönchzell, Ochsenbach, Pleutersbach, Rockenau. — Eine andere, sozusagen zeitlich verschobene Version dieses Wahlverhaltens: in Haag wählen zwar im Mai 1924 auch nur stark die Hälfte der Wahlberechtigten, im Dezember sind es aber noch weniger, 1928 gerade noch Vs. Gleichzeitig sinkt der Anteil des Landbunds, von fast 60 % bei der ersten Wahl von 1924 auf einen Wähler im Mai 1928. Zwar steigt während dieses Absturzes der Stimmenanteil von DNVP und DVP, und einige ihrer Wähler von 1920 mögen vom Landbund auch wieder zu ihnen zurückgekommen sein; auch die NSDAP gewinnt 1928 — bei gesunkener Wahlbeteiligung! — vermutlich Landbund-Wähler. Vor allem ist aber wichtig, daß die Gesamtzahl der Wähler geringer wurde und sich so die Reserve bildete, aus der die NSDAP ab 1930 schöpfte.
Die Reichspräsidentenwahl von 1932 ist unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr von Interesse. Das Anwachsen der »Hitlerbewegung« geht zur Genüge aus den in diesen Jahren besonders häufigen Reichstagswahlen hervor. Der auf Hitler im ersten Wahlgang entfallende Stimmenanteil lag zwischen dem Erfolg der NSDAP bei den Reichstagswahlen von 1930 und 1932.
Braun begründet die Tatsache, daß er als Sammelkandidat der republikanischen Parteien nicht in Frage kam, obwohl zahlreiche Parteifreunde das gewiß wünschten, mit der »antisozialdemokratischen Einstellung der übergroßen Mehrheit der Wählerschaft«. Die Erfahrung habe gelehrt, daß bei den bürgerlichen Wählern das Klassenbewußtsein stärker ausgeprägt sei als beim Proletariat und »jede Parteidisziplin sprengte«. Da diese bei den sozialdemokratischen Wählern ausgeprägter vorhanden sei, konnte man diese »eher für einen bürgerlichen Sammelkandidaten an die Urne bringen«; — Zitat, a. a. O., S. 83.
Karl Dietrich Erdmann, Die Zeit der Weltkriege, in: Bruno Gebhardt, Handbuch der Deutschen Geschichte, Bd. 4, Stuttgart 1959, 2. verbesserter Nachdruck 1961, S. 158; — Werner Conze nennt Hindenburg »die einzige, wirklich populäre, als Mythos im Volk wirkende Persönlichkeit«; Zitat in »Deutsche Geschichte im Überblick«, hrsg. von Peter Rassow, Stuttgart 1958, S. 649.
Deutliche Beispiele sind dafür die »labilen« sozialistischen Hochburgen Bammental und Sandhausen, wo Marx im zweiten Wahlgang nicht einmal dann die Summe der für ihn und Braun im ersten Wahlgang abgegebenen Stimmen erhält, wenn man alle im zweiten Wahlgang auf Thälmann entfallenden Stimmen abzieht. Nicht nur die Nichtwähler und Hellpach-Wähler, sondern auch Braun-Wähler sind in diesen Gemeinden zu Hin-denburg übergegangen.
Im zweiten Wahlgang verdoppelte Thälmann seine Stimmen in Schönau, Altneudorf, Bammental. Eine Anmerkung wert ist das Wahlergebnis in der Stadt Heidelberg: dort bekam Ernst Thälmann im zweiten Wahlgang genau die gleiche Stimmenzahl wie im ersten (2043). Die Heidelberger Sozialdemokraten haben also geradezu eiserne Parteidisziplin gewahrt, auch die DDP-Anhänger offensichtlich größere als z. B. in Eberbach. Vielleicht gab sich damals das Zentrum in Heidelberg schon ebenso wenig »konfessionell«, wie das heute die CDU mit gutem Grund für die richtige Taktik hält; ebenso »eisern« ist die Parteidisziplin der SPD-Wähler in Waldhilsbach und auch in Ziegelhausen.
Hellpach, II, S. 264 und 270.
Bestätigt wird diese Ansicht auch durch Hellpach, der auf seiner Wahlkampagne die Stimmung der Wählerschaft in ganz Deutschland kennengelernt hatte: »die elektrisierende Wirkung, welche die Aufstellung Hindenburgs im Lande übte, hing nicht zuletzt mit dem erlösenden Gefühl zusammen, daß da ein Mann nur um seiner Persönlichkeit willen und außerhalb des ganzen Parteigetriebes dem Volke zur Wahl dargeboten wurde« (II, S. 270).
In Moosbrunn, Schwanheim, Mönchzell und Rockenau.
Auf die Deutschnationale Freiheitsbewegung entfielen 12,3% der gültigen Stimmen.
Vgl. Tabelle auf Seite 144.
Die Berechnung geht davon aus, daß die 1000 Wahlberechtigten, die 1930 zum erstenmal in Heidelberg ihre Stimme bei einer Reichstagswahl abgeben, zum größten Teil Neuwähler sind und daß sie alle von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Da sich die Zahl der gültigen Stimmen 1930 gegenüber 1928 um 9000 erhöht hat, dürften weiterhin 8000 Wähler, die 1928 nicht gewählt haben, dieses Mal ihr Wahlrecht ausgeübt haben. Die SPD verliert rund 1000 Stimmen, die KPD gewinnt 1500. Die traditionelle große Wahldisziplin sozialistischer Wähler macht einen hohen Zuwachs aus Kreisen bisheriger Nichtwähler unwahrscheinlich. Man kann deshalb annehmen, daß der KPD erstens die sozialdemokratischen Verluste und knapp die Hälfte der Neuwähler (500) zugute gekommen sind. Dieser hohe Anteil an der freilich bei dieser Wahl nicht ins Gewicht fallenden Zahl der Neuwähler wird durch den sozialistischen Prozentsatz der gültigen Stimmen bei vorhergehenden Wahlen nicht ganz erklärt (denn dieser erreichte in der Stadt Heidelberg jeweils etwa zwischen 30 und 35%); doch dürfte die Radikalisierung gerade der »dauererwerbslosen« Jungarbeiterschaft, die sich doch wohl besonders zugunsten der KP und NSDAP ausgewirkt hat, den etwas höheren Ansatz begründen. Das Zentrum gewinnt 1000 Stimmen. Ist auch der Wahleifer der Zentrumsanhänger von ähnlicher Güte wie der der sozialistischen Wähler, kann man doch gerade in Heidelberg angesichts der großen Zahl nicht das Zentrum wählender Katholiken annehmen, daß 1000 potentielle Zentrumswähler zu gewinnen waren, wenn es darauf anzukommen schien. Unter den Verlierern sind außer der SPD die beiden liberalen Parteien; sie bekommen 1930 rund 4600 Stimmen weniger als 1928. Die wirtschaftlichen Splittergruppen — Mittelständler, Bauern, Aufwerter usw. — verlieren etwa 700 Stimmen, die DNVP rund 2200. Unter den »kleinen« Gewinnern der Wahl von 1930 befindet sich außer den Kommunisten und dem Zentrum der neu auftretende Evangelische Volksdienst (vgl. oben S. 111 f.). Auf ihn entfallen etwa 2400 Stimmen. Da der EVD insgesamt als christlich-protestantische Absplitterung der DNVP anzusehen ist (vgl. oben S. 102), kann ihm wohl zumindest die starke Hälfte der DNVP-Verluste angerechnet werden, etwa 1200 Stimmen. Seine restlichen Wähler waren wohl teils ehemals liberale (DVP?), teils Nichtwähler (jeweils 600), die sich von diesem »protestantischen Zentrum« angesprochen fühlten und von der NSDAP abhalten ließen. Bleibt der Zuwachs der NSDAP: ihr darf man wohl den Rest der DNVP-Verluste (etwa 1000 Stimmen) überschreiben, den weitaus größten Teil der liberalen Verluste (rund 4000 Stimmen), die Einbußen der Splittergruppen (rund 700 Stimmen), die Hälfte der Neuwähler (500) und den größten Teil der Nichtwähler von 1928. Nach Abzug der für Zentrum und EVD herangezogenen Stimmen bleiben für die NSDAP etwa 6400 Nichtwähler. Das gibt zusammen 12 600 Stimmen und damit die Zahl des nationalsozialistischen Stimmengewinns von 1930.
In zahlreichen ländlichen Gemeinden des Wahlkreises waren der DNVP bei den Wahlen von 1924 durch den Badischen Landbund Stimmen abgezogen worden. Viele ehemalige BLB-Wähler kamen dann zur NSDAP. In anderen Gemeinden, wie z. B. in Gauangelloch, Spechbach, Lampenhain, erhielt die NSDAP noch 1928 keine Stimme, wohl aber 1930, als die DNVP-Wähler ziemlich geschlossen zur NSDAP wechseln.
Diese Zahl liegt zwischen dem Anteil, den die KP an allen Wählern dieser Wahl hatte, und den sie bei Neuwählern sicher übertroffen haben dürfte, und dem, der beiden sozialistischen Parteien zugekommen wäre, falls die neuen Wähler im gleichen Verhältnis wie die alten sozialistisch, aber nur KP gewählt hätten.
Mit ziemlicher Sicherheit sind die meisten der 423 Stimmen, die im Amtsbezirk Wiesloch bei der Wahl von 1930 gemeinsam für Volksrechtspartei und Christlich-Soziale Reichspartei ausgewiesen sind, dem Zentrum zugute gekommen, allein in Dielheim und Mühlhausen jeweils über 150. Wenn man die auf diese Kombination im Amtsbezirk Heidelberg entfallenden über 600 Stimmen ebenfalls dem Zentrum zurechnen dürfte, wären die angenommenen 1000 Stimmen sogar überschritten.
Diese Vermutung hat auch Kaufmann, a. a. O., S. 12.
Theodor Geiger, a. a. O., S. 121.
Rettigheim, Rauenberg, Rotenberg; — bei der Wahl von 1928 errang die Hitler-Bewegung und der Völkisch-Nationale Block zusammen 3,5 % der gültigen Stimmen im Reich, in Baden 3,3 %. In folgenden Gemeinden des Amtsbezirks Heidelberg kam die NSDAP schon bei dieser Wahl über 30% der gültigen Stimmen hinaus: Heddesbach (34) stärkste Partei, Pleutersbach (65) stärkste Partei, Schwanheim (43) stärkste Partei, Eberbach (31,5) stärkste Partei, Moosbrunn (32,5) gleichstark mit den sozialistischen Parteien.
Schwanheim (59%), Waldwimmersbach (63,5%), Pleutersbach (51%), Brombach (53,5%), Heddesbach (74,5%), Schönbrunn (53%), Ochsenbach (69%). — Stärkste Partei war die NSDAP bei dieser Wahl auch schon in Mauer (35 %), Eberbach (33,5%), Heiligkreuzsteinach (39%), Haag (46%)), Bammental (38,5%), Sandhausen (38,5%), Meckesheim (49%), Schatthausen (49,5%), Lampenhain (44%), Spechbach (35,5%), Tairnbach (42%), Mönchzell (41%), Gauangelloch (35 %), Heidelberg (30,2%). — Unter 10% erreicht die NSDAP in Horrenberg (unter $ %), Malschenberg, Dielheim (unter 5 %), Rettigheim, Maisch; auch auf dem Dilsberg, in Peterstal und Waldhilsbach. Nicht über 15% kommt die NSDAP in Rot, Rotenberg, Mühlhausen, Rauenberg; unter 20% bleibt sie auch in Baiertal, Wilhelmsfeld, Wiesenbach, Schönau, Leimen, Altenbach, Ziegelhausen, St. Ilgen, Gaiberg.
In folgenden Gemeinden erhielt die NSDAP bei dieser Wahl über 70%: Heddesbach (über 80), Haag (über 80), Schwanheim (über 80), Tairnbach (über 85), Pleutersbach (über 80), Lampenhain, Brombach (über 75), Moosbrunn, Schönbrunn (über 85), Ochsenbach (über 90), Waldwimmers-bach (über 8o%). Über 50% erhielt die NSDAP in Heiligkreuzsteinach (über 55), Friedrichsdorf, Sandhausen, Spechbach (über 60), Bammental, Gaiberg, Gauangelloch (über 60), Meckesheim (über 65), Mückenloch (über 55), Schatthausen (über 65). Zwar nicht über $o% der gültigen Stimmen erreichte die NSDAP in den folgenden Gemeinden, wo sie aber trotzdem stärkste Partei war: Neckargemünd, Eberbach, Mauer, Walldorf, Wiesloch, Nußloch, Mönchzell, Wiesenbach, Rockenau, Heidelberg. — Unter 10% blieb die NSDAP dagegen in Dielheim, Horrenberg, Malschenberg, unter 20% in Maisch, Rot, Rotenberg, Rettigheim, Rauenberg, Mühlhausen; so auch im katholischen Peterstal (Amtsbezirk Heidelberg); — zwischen 20 und 30% der gültigen Stimmen erreichte die NSDAP in: Ziegelhausen, Dilsberg, Lobenfeld, Schönau; zwischen 30 und 40 % in: Dossenheim, Wilhelmsfeld, St. Ilgen, Waldhilsbach, Altneudorf, Leimen, Eppelheim, Altenbach, Baiertal, St. Leon. Stärker als die NSDAP waren in allen diesen Gemeinden entweder das Zentrum oder die sozialistischen Parteien.
Ausnahmen sind Rockenau und besonders Altneudorf; in beiden Gemeinden hat schon vor dem ersten Weltkrieg die SPD eine große Anhängerschaft gewonnen.
Über 70% aller Stimmen erhält die NSDAP in: Waldwimmersbach (über 80), Lampenhain (über 75), Pleutersbach (über 85), Brombach (über 90), Meckesheim (69,5), Haag (über 90), Heddesbach (über 85), Moosbrunn (über 75), Schönbrunn (über 90), Ochsenbach (über 90), Schwanheim (über 85), Tairnbach (über 90). Über 50% bekam die NSDAP in Sandhausen (über 55), Eberbach (49,5), Schatthausen (über 65), Friedrichsdorf, Gaiberg, Gauangelloch (über 60), Heiligkreuzsteinach (über 60), Rockenau (über 60), Wiesenbach (über 55), Bammental, Spechbach (über 55), Mückenloch (über 60), Neckargemünd (49), Mauer (49).
Unter 20%: Rauenberg, Malschenberg, Horrenberg, Dielheim; auch in Peterstal. Unter 30%: Rot, Maisch, Rotenberg, Mühlhausen, Rettigheim; — das ist auch in den »sozialistischen« Gemeinden Schönau, Waldhilsbach und Ziegelhausen der Fall.
Alle diese Arbeiterwohngemeinden gehören in die Gruppe B III der wirtschaftlichen Gemeindetypik (vgl. dazu oben S. 39 Anm. 39); — das Hauptcharakteristikum dieser Untergruppe ist, daß der Anteil der hauptberuflich landwirtschaftlich Erwerbstätigen an den Erwerbspersonen in diesen Gemeinden noch besonders hoch ist.
Karl Dietrich Erdmann in Gebhardts Handbuch der Deutschen Geschichte (Bd. IV), S. 199 f.; dort auch das obige Zitat.
Die einzige Ausnahme: Rotenberg (92,5%); — aber auch hier stimmen keine 90% der Wahlberechtigten für Hitler; — über den Amtsbezirk Wiesloch standen für diese Wahl nur lückenhafte wahlstatistische Unterlagen zur Verfügung; doch ist nicht anzunehmen, daß sich gerade Rot und St. Leon anders verhalten haben sollten; vgl. auch ihr Verhalten bei der Abstimmung von 1938!
542 Wahlberechtigte, 502 gültig Wählende, 388 Ja-Stimmen; vgl. auch S. 114.
Am 12. November 1933 stimmten bei der Reichstagswahl in der Stadt Heidelberg von 61 494 Wahlberechtigten 5026 ungültig; bei der Volksabstimmung 1029 ungültig, 2523 mit Nein. Bei der Volksabstimmung vom 19. August 1934 wurden von 59 760 Wahlberechtigten 1113 ungültige und 5550 »Nein«-Stimmen abgegeben.
S. 3 der Vorbemerkung zu Band 531 der Reichsstatistik.
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Vogel, B., Haungs, P. (1965). Wähler und Parteien von 1871 bis zum zweiten Weltkrieg. In: Wahlkampf und Wählertradition. Politische Forschungen, vol 7. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98558-3_3
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