Zusammenfassung
Es ist eine besonders im protestantischen Deutschland verbreitete und sich geistig überlegen dünkende Meinung, worauf es auf Erden ankomme, das sei allein der innere moralische und religiöse Zustand eines jeden einzelnen Menschen, und demgegenüber sei alles andere, gar so etwas wie die Staatsverfassung, äußerlich und belanglos. Worum es also ginge, das sei, den einzelnen Menschen zu bessern und zu bekehren, ihm Sinneswandel, Buße Metanoia, zu predigen. Das ist ja denn auch seit zwei Jahrtausenden ununterbrochen geschehen. Da aber ein irgendwie durchschlagender Erfolg solcher Predigt ausblieb, so zieht man daraus meist den resignierten Schluß, die erbsündige Menschheit würde eben bis zum Jüngsten Tage so bleiben, wie sie immer war, und alle gutgemeinten Anstrengungen, daran etwas ändern zu wollen, seien Utopismus und Selbsttäuschung. Besonders lächerlich aber sei es, durch so kalte und äußerliche Veranstaltungen wie Verfassungsänderungen oder gar Wahlrechtsreformen irgend etwas Wesentliches erreichen zu wollen. Dieses prätendierte pietistische Innerlichkeitsmonopol und der daraus fließende verfassungsrechtliche Defätismus ist es wohl auch, der bei uns dem bedauerlich geringen Interesse an der Wahlrechtsreform letztlich zugrunde liegt.
Schiller hielt am 26. Juni 1784 in Mannheim vor der Kurpfälzischen Deutschen Gesellschaft eine Vorlesung über das Thema »Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?«, mit deren Abdruck er 1785 das 1. Heft seiner »Rheinischen Thalia« eröffnete. 1802 wurde sie in etwas verkürzter Form in den IV. Band seiner kleineren prosaischen Schriften aufgenommen unter dem Titel »Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet«.
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Rüstow, A. (1968). Die Staatsverfassung als moralische Anstalt betrachtet. In: Zwischen Politik und Ethik. Demokratische Existenz heute, vol 16. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98511-8_3
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