Zusammenfassung
Vermutlich bis zur Mitte der 60er Jahre hätte das Thema Linksextremismus1 unter Jugendlichen kaum größere Aufmerksamkeit erregen können. Heute ist die Zeit der weltweiten studentischen Protestbewegung (1965 bis 1969) fast schon Episode und die bundesrepublikanischen Nachlaßverwalter des legendären „Sozialistischen Deutschen Studentenbundes“ (SDS) sehen sich gegenwärtig selbst starken Zweifeln an Sinn und Effektivität ihrer Stellvertreterrolle für die Erfüllung der „historischen Mission“ der Arbeiterklasse ausgesetzt. Mit dem Auftreten der sogenannten Spontis an den Hochschulen (seit 1976/77) wurde zwar die Vermutung laut, es könne sich hierbei um eine „Neue Studentenbewegung“ handeln, die, an den Ausgangspunkt zurückgekert — wenn auch nicht unbedingt auf einer höheren Stufe — den seinerzeit gerissenen Faden fortspinnen könne. Diese Hoffnung (oder Befürchtung) scheint sich indes nicht zu erfüllen, eher deuten Selbstfindungsversuche im großen Rahmen („Großer Ratschlag“ und „Sozialistische Konferenz“) darauf hin, daß ein die Akteure selbst überzeugendes Konzept (Ziele und Mittel umfassend) derzeit nicht zur Verfügung steht, zumindest keines, auf das sich die vielen unterschiedlichen und häufig miteinander rivalisierenden Organisationen, Bewegungen und Gruppen zu einigen vermöchten. Diese Einigung ist jedoch aller Voraussicht nach notwendige Bedingung für den wirksamen Versuch, politisch „etwas zu bewegen“.
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Anmerkungen
Die Begriffe „Extremismus“ und „Radikalismus” werden im Beitrag von P.C. Ernst definiert.
Mehr als ein Drittel der Mitglieder der DKP ist jünger als 30 Jahre. Bei den anderen kommunistischen Orgânisationen dürfte der Anteil eher höher sein.
Der Ausdruck hebt ab auf den „Organisationsfetischismus“ derjenigen linksextremen Organisationen, die nach dem Vorbild der von Lenin geschaffenen „Partei neuen Typs” organisiert sind, d.h. eine straffe Organisation nach dem Prinzip des „demokratischen Zentralismus“ (Kommunikation nur in Richtung von oben nach unten bei scheinbar freier Wählbarkeit der Leitungsgremien). Diese Organisationen vertreten fast ausnahmslos einen dogmatischen Kommunismus, s. Anmerkung 5.
Hiermit sind diejenigen linksextremen Gebilde gemeint, die das Modell der „Partei neuen Typs“ ablehnen zugunsten verschiedener Formen der „Selbstorganisation”.
Die Bezeichnung hebt ab auf das Maß, in dem eine als Kanon behandelte politische Weltanschauung — ausnahmslos der Marxismus-Leninismus in einer sowjetischen, maoistischen, stalinistischen oder trotzkistischen Variante — den Mitgliedern gegenüber zur Grundlage des politischen Handelns gemacht wird.
Im Mai 1980 haben 30 Parteimitglieder die SEW (unter öffentlicher Bekanntgabe ihrer Gründe) verlassen, nachdem sie erfolglos die vorbehaltlose Unterordnung der SEW unter die SED innerparteilich kritisiert hatten.
Im September 1980 hat sich eine starke Fraktion (ca. 600 Mitglieder) abgespalten, die künftig als „Bund Westdeutscher Kommunisten“ auftreten will.
Die Gruppen des;,Kommunistischen Studentenbundes/MarxistenL,eninisten“ sind 1977 dem Jugendverband als „Rote Garde — Hochschulgruppen” direkt unterstellt worden.
Zur „undogmatischen Linken“ zählen alle Gruppen, Bewegungen und Strömungen, die sich nicht auf einen bestimmten weltanschaulichen Kanon festlegen, der durch ein Interpretationsmonopol der Organisationsspitze gesichert wird. Dem entspricht das Fehlen ausgeprägter Organisationsstrukturen.
Diese Intentionen waren die „Große Weigerung“ (sich in das System integrieren zu lassen), die antiautoritäre Einstellung (Ablehnung der Zwänge einer autoritären Leistungsgesellschaft), die „Neue Unmittelbarkeit” (unmittelbare Bedürfnisbefriedigung statt Anpassung an „verselbständigte Systeme“) vgl. J. Habermas, Protestbewegung und Hochschulreform, 1969, S. 14 ff.
Thesen des SB 1975, herausgegeben vom Arbeitsausschuß des SB, S. 90.
Die „marxistischen Gruppen“ sind für die undogmatische Linke insofern untypisch, als sie eine straffere Organisationsform bevorzugen. Andererseits sind sie keinem doktrinären Marxismus verpflichtet, sondern gehen unmittelbar auf Marx-Schriften als Quelle politischer und wissenschaftlicher Inspiration zurück.
Die DKP verwendet den Begriff „Diktatur des Proletariats“ (_. Einparteiendiktatur) nicht, hält aber in der Sache an ihm fest, vgl. H. Mies/W. Gerns, Weg und Ziel der DKP, 1979, S. 102 ff.
Dies gilt für den KBW in Zukunft möglicherweise nicht mehr oder nur noch eingeschränkt.
Diese Übergangsstufen sind: eine „Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt“ sowie eine „Antimonopolistische Demokratie”, die dann den „Weg zum Sozialismus öffnen“ soll.
Die Politik der Aktionseinheit der Arbeiterklasse soll auf der Basis des gemeinsamen Klasseninteresses die Arbeiterklasse unabhängig von Parteizugehörigkeit und Weltanschauung (wieder) einigen.
Die 1970 von ehemaligen führenden SDS-Angehörigen gegründete „Kommunistische Partei Deutschlands“ (KPD) war Mitte der 70er Jahre eine, der aktivsten der sogenannten K-Gruppen. Zur Auflösung führte u.a. das Fehlen eines großen revolutionären Vorbildes, ausbleibende Erfolge und starke Konkurrenz der Ökologiebewegung.
D. Cohn-Bendit in W. Kraushaar (Hrsg.), Autonomie oder Ghetto, 1978, S. 196. Die Aussichten der „Alternativbewegung“ werden von ihm jedoch eher skeptisch eingeschätzt, weil das „Bewußtsein eines kollektiven Subjektivismus” verlorengegangen sei, a.a.O.
R. Bahro, in: „Frankfurter Rundschau“ (FR) v. 8. 4. 1980.
Der 1960 als „Sozialdemokratischer Hochschulbund“ gegründete und 1972 auf Intervention der SPD in „Sozialistischer Hochschulbund” (SHB) umbenannte SHB vertritt in seinem Grundsatzprogramm (1977) einen Marxismus-Leninismus sowjetischer Prägung und will seinem Bekunden nach auf marxistischer Grundlage im Rahmen der sozialdemokratischen Bewegung arbeiten.
Politischer Protest in der Bundesrepublik Deutschland, eine Arbeit der Infratest Wirtschaftsforschung GmbH, 1980. In die Untersuchung einbezogen wurde eine repräsentative Stichprobe der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland (Personen zwischen 16 und 50 Jahren) in den Jahren 1975/76.
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Kind, H. (1980). Linksextremismus unter Jugendlichen. In: Jugend in der Gegenwartsgesellschaft. Gegenwartskunde, vol 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98445-6_14
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