Zusammenfassung
Ein selbstreferenzieller friedenstheoretischer Ansatz, der Vorkehrungen dagegen zu treffen sucht, daß sich die eigenen Begriffe und Konzepte zur Rechtfertigung von personeller und struktureller Gewalt eignen und also in kulturelle Gewalt transformieren, erfordert einen zweidimensionalen Begriff, der Gewalt als Universale und als Form des Umgangs mit den daraus erwachsenden Problemen in Rechnung stellt. Diese Zweigliedrigkeit ist jedoch nur als Relation von Paradoxie (Gewalt als Universale) und Modi der Paradoxieauflösung (personelle, strukturelle und kulturelle Gewalt) zureichend begriffen, weil wir es bei der Gewalt mit einer Zirkelfigur zu tun haben: Was Gewalt zu einem theoretisch und praktisch kaum auflösbaren Problem macht, ist nicht die Tatsache, daß sie in vielen Fällen als effizientes Mittel der Erreichung bestimmter Ziele eingestuft wird (hier lassen sich Gegenrechnungen aufmachen), sondern die Tatsache, daß jede Gewalt explizit oder implizit auf Gewalt reagiert. Gewalt ist häufig Gegengewalt — als revolutionäre und u.U. als kriminelle Gewalt ist sie gegen strukturelle und personelle, als strukturelle ist sie gegen personelle Gewalt gerichtet, als zivilisierende tritt sie der Gewalt von Ausscheidungskämpfen, als kriegerische der personellen (militärischer Angriff) und/oder der strukturellen Gewalt (z.B. Menschenrechtsverletzung) entgegen.
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Literatur
Zum anthropologischen Diskurs über Gewalt vgl. Bonacker 1996:38ff..
Die Definition, nach der im Falle der Gewalt Handeln durch Handeln eliminiert wird (Luhmann 1975:64), steht dem nicht entgegen, weil Handeln ein attributionstheoretischer Begriff ist, der die Zurechnung von Selektionen auf ein System (Luhmann 1984:191ff.) bezeichnet; so ruht der Akzent noch immer auf der Potentialisierung von Ereignissen und weniger auf den Ereignissen selbst.
Zum beschränkten „friedenswissenschaftlichen Gebrauchswert von Aggression“ vgl. Schmitt-Egner 1993:100ff.. Zur Verdrängung der Differenz von Aggression und Gewalt in der Psychoanalyse und psychoanalytischen Sozialpsychologie vgl. Lorenzer 1973; Horn 1994:67.
Zur Erläuterung dieses Terminus siehe Baecker 1993a:26f.
Vgl. zum Nachweis einer auch die strukturelle Gewalt kennzeichnenden Intentionalität Brücher 1986:89ff..
Eine Definition von Kommunikation lautet bei Luhmann (in: Habermas/Luhmann 1976:43): „In diesem Sinne eines Informationsausgleichs findet Kommunikation in allen Situationen statt, in denen einer sein sinnbezogenes Erleben anderen absichtlich oder unabsichtlich zugänglich macht. Dazu ist Sprache nicht nötig;…
Diese können freilich mehr in einem Genre vermittelt werden, das gleich dem französischen Strukturalismus Philosophie und Literatur ineinander übergehen läßt, etwa bei Sofsky 1996.
Zur Kritik an der Nichtverifizierbarkeit der von Galtung und Czempiel hypostasierten Kausalrelation von personeller und struktureller Gewalt vgl. Rittberger 1988. Galtung spricht allerdings in 1998:349 nur von einem Kausalzusammenhang, der sich im allgemeinen feststellen lasse.
Zur Kritik am Umgang mit Kausalannahmen in den Sozialwissenschaften vgl. Luhmann 1970:9ff..
Siehe die Gewalttypologie von Galtung 1971:55ff., 1978:9ff., 1990:50ff..
Siehe zu dieser Kritik Narr 1972:171ff.; Maciejewski 1973, 1974; Giegel 1975; Habermas 1976
Krell 1995:87 nennt die tansanische Intervention im Uganda des Idi Amin und die vietnamesische Intervention in dem von Pol Pot regierten Kambodscha.
Auf die Unangemessenheit, Gewaltlosigkeit instrumentell zu verstehen und von aller Metaphysik zu befreien, verweist auch Saner 1982:98.
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© 2002 Leske + Budrich, Opladen
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Brücher, G. (2002). Gewalt als Universalkategorie. In: Frieden als Form. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97565-2_5
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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