Zusammenfassung
Wenn in den Verbotsanträgen gegen die NPD als zentraler Punkt die Wesensverwandtschaft mit der NSDAP herausgestellt wird, dann mag dies vielleicht für eine Reihe von Aussagen aus dieser Partei heraus zutreffen; für den gesamten Bereich, der in der politischen Alltagssprache heute mit „Rechtsextremismus“ bezeichnet und in der wissenschaftlichen Diskussion präziser begründet mit „neue radikale Rechte“ benannt wird, müssen für die ideologische Charakterisierung differenziertere Beschreibungen verwendet werden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil seit Beginn der Bundesrepublik bzw. insbesondere seit dem SRP-Urteil von 1952 sich das gesamte rechte Lager infolge des normativen Leitbildes der „streitbaren Demokratie“ davor hüten musste, in die dort formulierten Verbotsfallen zu tappen. Zudem ist dieses Lager keine sozial kompakte Einheit, sondern eher einer vielschichtigen, durchaus auch in sich widersprüchlichen sozialen Bewegung vergleichbar (vgl. Gessenharter 1998).1 Und was für die sozialen Strukturen und Ablaufprozesse im Verlauf der letzten 50 Jahre gilt und sicher auch weiterhin gelten wird, ist in der ideologischen Dimension nicht grundsätzlich anders. Die Definition des Rechtsextremismus als „eine antiindividualistische, das demokratische Grundaxiom menschlicher Fundamentalgleichheit negierende Abwehrbewegung gegen die liberalen und demokratischen Kräfte und ihr Entwicklungsprodukt, den demokratischen Verfassungsstaat,“ (Backes/Jesse 1989: 43) ist nicht falsch, aber auf einer derartig hohen Abstraktionsebene angesiedelt, dass sie nur wenig Blick ermöglicht für Entwicklungen im Zeitverlauf bzw. für charakteristische Unterschiede in den einzelnen Bereichen dieser „Bewegung“. Nichtsdestoweniger ist es das mehr oder weniger starke Festhalten an diesen Grundsätzen, das es erlaubt, Ideologieprodukte dem rechtsradikalen Spektrum zuzuordnen, ohne allerdings damit sofort etwas über deren Verfassungsfeindlichkeit oder gar — widrigkeit auszusagen. Erst wenn solche Produkte allerdings die Grundüberzeugungen des Grundgesetzes, insbesondere seine zentralen Aussagen in Art.1 und 20, nicht nachvollziehbar teilen bzw. sie sogar mehr oder weniger offen ablehnen, lassen sie sich eindeutig dem rechtsradikalen Gedankengut zurechnen.
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Gessenharter, W. (2002). Intellektuelle Strömungen und Vordenker in der deutschen Neuen Radikalen Rechten. In: Grumke, T., Wagner, B. (eds) Handbuch Rechtsradikalismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97559-1_14
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-3399-4
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