Zusammenfassung
Wenn je ein rhetorisches Ereignis die Republik bewegte, dann Herbert Wehners Aufsehen erregende Rede vom 30. Juni 1960. Eine der großen Tageszeitungen schrieb damals, „ob die Rede und die darin vertretenen Vorstellungen fortwirkende politische Gestaltungskraft haben werden, kann nur die Zukunft klären.“ — Diese Klärung ist inzwischen erfolgt, und die „fortwirkende Gestaltungskraft“ der Rede erstreckte sich über mehrere Jahrzehnte und hat die deutsche Politik in einer Weise verändert, wie dies noch in der Mitte der 50er Jahre nicht vorstellbar war. Aber zunächst einmal trauten viele Abgeordnete der Regierungsparteien ihren Ohren nicht, und auch manches Mitglied der SPD-Fraktion mag sich mehr als unbehaglich auf seinem Platz gefühlt haben, als ihr Sprecher im Plenum des Bundestages klipp und klar erklärte: „Wir bejahen die Landesverteidigung.“ Waren nicht erst acht oder neun Jahre vergangen, seit die Sozialdemokratische Partei Deutschlands zu einer „Volksbewegung“ gegen die Wiederbewaffnung, von einem ehrwürdigen Ort aus, der Frankfurter Paulskirche, aufgerufen hatte? Korrigierte die Partei tatsächlich die „Fehlentscheidungen Schumachers aus den Jahren 1949/50“, wie Eugen Gerstenmaier meint? Ist es kein „Umschwenken auf die Linie des politischen Gegners, wenn man die unvermeidlich gewordenen Konsequenzen aus dem durch seine Politik mitverschuldeten neuen Stand der Dinge zieht“ (Carlo Schmid)? Helmut Schmidt, auch hier abseits jeder Rabulistik, hat die eingängigste Formel für dieses eine fundamentale Wende in der Geschichte der Bundesrepublik bezeichnende Ereignis gefunden: „Die deutsche Sozialdemokratie hat es für notwendig gehalten, ihre Politik auf den Boden der Tatsachen zu stellen.“
Die vielen Dinge, die du tief versiegelt, durch deine Tage trägst in dir allein,
die du auch im Gespräche nie entriegelt, in keinen Brief und Blick sie ließest ein, ...
Benn
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© 2002 Leske + Budrich, Opladen
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Ferdinand, H. (2002). Zuchtmeister: Herbert Wehner 1906–1990. In: Ferdinand, H. (eds) Reden, die die Republik bewegten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97558-4_16
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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