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Türkei pp 133–151Cite as

Frauen in der Türkei

Modernisierungs- und Identitätspolitiken in der Türkei Symbole für Modernität wie für Islamismus

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  • 327 Accesses

Part of the book series: Reihe: Der Bürger im Staat ((BÜRG,volume 4))

Zusammenfassung

Frauen werden im Westen wie auch in der Türkei häufig als Symbol bemüht: Mal stehen sie mit Kopftuch und Pluderhose (şalvar) für die rückständige, agrarisch-traditionell geprägte Türkei und die „Gastarbeiter“, die von dort nach Deutschland kamen, mal mit blonden Haaren und modischen Kostümen personifiziert durch die ehemalige Ministerpräsidentin Tansu Çiller (1993–96) für die moderne, demokratische Türkei, mal mit schwarzem Körperschleier (çarşaf) für die islamistische Bewegung oder aber mit rot-gelb-grünen Tüchern für das erstarkte kurdische Selbstbewusstsein. Die Konstruktion von Frauenbildern spielt insbesondere für Identitätspolitiken eine herausragende, symbolbelastete Rolle. Sie wird bei der Auseinandersetzung zwischen säkularen und islamistischen Kräften deutlich, aber auch von nationalistischen Kräften zur Überhöhung der eigenen oder Erniedrigung der anderen Gruppe benutzt. Identitätspolitiken gewannen in den 80er Jahren, vor allem aber nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der damit zusammenhängenden Krise materialistischer Ideologien an Zulauf. Sie werden sowohl von Staaten als auch von sozialen Kräften benutzt, um für Loyalität zu werben.1 Zwar stärken Identitäten die Gruppenidentifikation nach innen, sie haben aber immer auch eine ausgrenzende Wirkung durch die Grenzziehung gegenüber den jeweils Anderen und bergen insofern ein Konfliktpotential.

Die Gleichstellung der Frau ist ein zentrales Ziel der Modernisierung von oben in der Türkei Kemal Atatürks. In der Oberschicht ist das gelungen, hier treffen wir die moderne hochgebildete Frau in angesehenen Positionen, die in ihrem Kleidungsstil europäische Moderne verkörpert. Gleichzeitig treffen wir auf dem Land und in den Unterschichtvierteln der Metropolen die traditionelle, eher islamisch ausgerichtete Türkin an. Wieder anders präsentiert sich die Kurdin. Aktiv geworden sind Frauen inzwischen in allen Bereichen, sie repräsentieren jedoch nach wie vor unterschiedliche Schichten und Identitäten

Red.

hat u.a. Turkologie studiert und in Politikwissenschaft promoviert. Jüngst erschienen ist ihre Studie: „Lokale Politik und Geschlechterrollen — Stadtmigrantinnen in türkischen Metropolen“. Sie arbeitete als Wissenschaftliche Mitarbeiterin u.a. am Zentrum für Türkeistudien und an der Freien Universität Berlin. Derzeit arbeitet sie als Türkeiexpertin für eine internationale NGO.

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Literaturhinweise

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  12. So wurde z.B. 1990 in Istanbul von liberalen Feministinnen die Frauenforschungsstelle an der Universität Istanbul unter Leitung von Necla Arat und von radikalen Feministinnen die Frauenbibliothek unter Leitung von Skin Tekeli eingerichtet. Der Verein Mor Çati (Lila Dach), ein Zentrum radikaler Feministinnen, kümmert sich seit 1990 um misshandelte Frauen und konnte 1995 das erste autonome Frauenhaus in Istanbul eröffnen; in Ankara gelang dies schon 1993.

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  13. An der ersten Versammlung der Istanbuler Frauenplattform nahmen ca. 300, dann 150–200, im Herbst 1994 nur noch 15–50 Frauen teil, unter ihnen Anwältinnen, Ärztinnen, Journalistinnen, Verlegerinnen und wenige Gewerkschafterinnen und Arbeiterinnen.

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  14. Nach DPT 1991 (Gecekondu Arastirmasi, Ankara), S. 62, gaben in Ankara nur 3% der Ehefrauen der Haushaltsvorstände in Gecekonduvierteln an, in der letzten Woche eine Arbeit gehabt zu haben, in Istanbul 6% und in Izmir 7,6%.

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  15. Zu Gecekondufrauen siehe ausführlich: Wedel, Heidi: Lokale Politik und Geschlechterrollen — Stadtmigrantlnnen in türkischen Metropolen, Hamburg, 1999.

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  16. Die 1985 ausgelöste Debatte kristallisierte sich um ein Symbol, das Kopftuch, das plötzlich vermehrt von Studentinnen in den Metropolen getragen wurde. Kemalistische Professorinnen sahen darin ein Propagandamittel der „islamischen Reaktion“, das dann vom militärisch dominierten Hochschulrat YÖK Anfang 1987 verboten wurde. Daraufhin kam es zu Massenprotesten wie Demonstrationen, Sitz-und Hungerstreiks und Telegrammaktionen von kopftuchtragenden Studentinnen, die das Recht forderten, sich ihrem Glauben entsprechend zu kleiden und Zugang zur universitären Ausbildung zu haben.

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  17. Vgl. Köper-Basügöl 1993, S. 236–239.

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  18. Wedel, Heidi: Kurdirnen in türkischen Metropolen — Migration, Flucht und politische Partizipation, in: Borck, Carsten et al. (Hg.): Ethnizität, Nationalismus, Religion und Politik in Kurdistan, Münster, 1997, S. 155–184.

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  19. Editorial der ersten Nummer von Roza, März-April 1996, S. 3–5.

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Hans-Georg Wehling

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© 2002 Leske + Budrich, Opladen

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Wedel, H. (2002). Frauen in der Türkei. In: Wehling, HG. (eds) Türkei. Reihe: Der Bürger im Staat, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97517-1_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97517-1_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-3072-6

  • Online ISBN: 978-3-322-97517-1

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