Die Entfaltung des EU-Systems als Prozess von Angleichung und Differenzierung

Zusammenfassung

Betrachtet man die EU unter dem Aspekt von Angleichungs- und Differenzierungsprozessen, dann könnte es auf den ersten Blick so scheinen, als ob auf der europäischen Ebene primär eine Vereinheitlichungslogik dominiere, die in der institutionellen Struktur des EU-Systems, seinen Entscheidungsprozessen, aber auch den hierüber freigesetzten Mechanismen von Wettbewerb und Konkurrenz ihren konkreten Ausdruck findet. Sekundär resultierte dann aus dieser zusätzlichen Ebene der Ausübung politischer Herrschaft und den damit verbundenen Steuerungs- und Regulierungsleistungen ein starker Anpassungsdruck auf die Mitgliedstaaten, der sich dort aufgrund intensivierter Konkurrenzbeziehungen und vereinheitlichter rechtlicher Regelungen einerseits in tendenziell konvergenten Entwicklungen niederschlägt; andererseits aber auch aufgrund vorgefundener Divergenzen sowie unterschiedlicher Formen der Amalgamierung zwischen europäischen Rahmenregelungen und — vorgaben und nationalen oder regionalen Bedingungen bzw. Besonderheiten und schließlich aufgrund des Versuchs, negative Externalitäten europäischer Politiken auf der nationalen (und/oder regionalen) Ebene zu kompensieren, auch Heterogenität und Divergenz reproduziert oder sogar verstärkt (vgl. Héritier 1999, Cowles et al. 2000, Scharpf/Schmidt 2000 a und b).³³ Einer Angleichungstendenz auf der europäischen Ebene stünde somit eine widersprüchliche Einheit von Angleichung und Differenzierung in den Mitgliedstaaten gegenüber.