Zusammenfassung
Auch wenn gegenwärtig die Wogen hochschlagen — neu ist die Präsentation des Privaten in den Medien nicht. Neu mag zwar das Ausmaß sein, in dem Privates zum Thema wird, neu ist die globale Verbreitung via Internet, neu sind Inszenierungen privaten Alltags in den Daily Talks und bei Big Brother. Doch Prinzessinnen in Liebesnot, Beichten an Frau Irene und der Schlüssellochblick ins traute Heim stehen in einer langen mediengeschichtlichen Tradition. Seit seinen Anfängen hat der bürgerliche Journalismus Geschichten von Personen präsentiert — niemals allein um Information sondern allemal auch um der Unterhaltung willen (vgl. Robling 1983: 30). Haushalt und Familie, das, was wir heute privat nennen, war bereits ein Thema für die ersten Frauenzeitschriften im 18. Jahrhundert (vgl. Weckel 1998). Und die Vorstellung eines „right to privacy“ wurde im 19. Jahrhundert in Europa und den USA nicht zuletzt deshalb entwickelt, weil Medienaffären dies dringlich machten. Die deutsche Entwicklung von Medienethik und Medienrecht vorangetrieben hat der Eulenberg-Harden-Skandal um die Jahrhundertwende: Der Publizist Harden hatte Eulenberg, einem Vertrauten des Kaisers, homosexuelle Neigungen unterstellt, was zu umfangreichen Schnüffeleien in dessen Privatleben führte (vgl. Wunden 1994). Alt scheint die Gier zu sein, mit der Medien und Publikum sich dem Privaten zuwenden und jene Mischung aus Attraktion und Abscheu, mit der auf die entsprechenden Präsentationen reagiert wird.
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Literatur
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© 2001 Leske + Budrich, Opladen
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Herrmann, F. (2001). Der kleine Unterschied in der Darstellungsweise und seine Folgen für private Themen. In: Herrmann, F., Lünenborg, M. (eds) Tabubruch als Programm. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97503-4_4
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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