Zusammenfassung
In den vorhergehenden Abschnitten habe ich Augustins didaktisches Konzept anhand von drei ausgewählten Schriften untersucht. Der Schwerpunkt der Interpretation lag dabei auf dem Zusammenhang dieses Konzeptes mit seiner Sprachvorstellung und seinem Wissensbegriff, der sich aus dem Ineinander und Gegeneinander von christlicher Theologie, antiker Philosophie und Rhetorik bildete. Immer wieder hatte sich das Bild des fingerzeigenden Lehrers und des mit eigenen Augen vorstellenden Schülers ergeben, das wir als Augustins Paradigma für den Lehr-Lern-Prozess benennen konnten. Es sollte den schwachen Zusammenhang oder den Übergang des Bereiches der sensiblen zum Bereich der intelligiblen Welt erklären.
Ein Unterricht, der bei den vorgeführten Beispielen stehen bleiben will, unterscheidet sich von einem, der über sie hinausweist.453
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Literatur
Ch. Taylor, Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität, Frankfurt a. M. 1996, 235–261, hier 248.
Für genauere Informationen zu seiner Lektüre der Bekenntnisse sowie den von Wittgenstein verwendeten Ausgaben vgl. H. Spiegelberg, Augustine in Wittgenstein: A Case Study in Philosophical Stimulation, in: Journal of the history of philosophy, 17, 1979, 319–321.
Vor ihm hatte schon im 18. Jahrhundert eine Reihe von Denkern eine andere Auffassung von der Sprache entwickelt, die jedoch erst wiederentdeckt werden musste. Vgl. J. Trabant, Traditionen Humboldts, Frankfurt a. M. 1990 und K.-O. Apel, Die Idee der Sprache in der Tradition des Humanismus: von Dante bis Vico, Bonn 1963.
Videbam — ich sah/ich nahm wahr; tenebam — ich hielt fest/ich begriff; aperiebatur —es wurde offenkundig/ich entnahm; colligebam —ich sammelte/ich lernte verstehen. Dazu E. von Savigny, Philosophische Untersuchungen. Ein Kommentar für Leser, Frankfurt a. M. 31994, 34f.
Zur „nackten Wahrheit“ vgl. H. Blumenberg, Paradigmen zu einer Metaphorologie, Frankfurt a. M. 1998, 61–76.
An dieser Stelle sei auf Rousseau hingewiesen, der ebenfalls nur eine Art Antirhetorik akzeptierte und die Zeichen und Wörter gegen die Unmittelbarkeit der Sachen ausspielte, freilich einer anderen Art von Sachen. Dazu J. Starobinski, Rousseau. Eine Welt von Widerständen, Frankfurt a. M. 1993, 207–247.
Ch. Taylor, Lichtung oder Lebensform. Parallelen zwischen Wittgenstein und Heidegger, in: B. MacGuiness, „Der Löwe spricht… und wir können ihn nicht verstehen“. Ein Symposion an der Universität Frankfurt anläßlich des hundertsten Geburtstages von Ludwig Wittgenstein, Frankfurt a. M. 1991, 95.
K. Prange, Können, Üben, Wissen. Zur Problematik des Lernens in der Sprachphilosophie Ludwig Wittgensteins, in: Pädagogische Rundschau 26, 1972, 710.
Zur Gebrauchstheorie M. Meyer, Formale und handlungstheoretische Sprachbetrachtung. Stuttgart 1976.
H. J. Cloevn, St. Augustine’s De magistro — a transcendental investigation, in: AugStud 16, 1985, 21.
E. v. Savigny, Philosophische Untersuchungen. Ein Kommentar für Leser, Frankfurt a. M. 1994, 40.
D. E. Zoolalian, Augustine and Wittgenstein, in: Augustinian Studies, 9, 1978, 25–33 argumentiert im Sinne Chomskys, dass hier ein angeborenes Sprachvermögen angenommen werden müsse.
Über Gewißheit 160, 263, 310, 315, 538, 548 und passim. Vgl. zum Problem des Abrichtens bei Wittgenstein M. Kober, Gewißheit als Norm — Wittgensteins erkenntnistheoretische Untersuchungen in,Über Gewißheit`, Berlin u.a. 1993.
Die Begriffe entnehme ich dem Titel eines Aufsatzes von K. Schaller, Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 33, 1995, 47–60, der dort das Verhältnis dieser Pole im didaktischen Denken von Comenius untersucht.
Vgl. auch J. Keuffer, Kulturelle Modernisierung und das Verhältnis von Zwang und Freiheit. Zur Frage von Immanuel Kant „Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?“, in: Keuffer, J./M. Meyer (Hrsg.), Didaktik und kultureller Wandel, Weinheim 1997, 128–153.
Einige Literaturangaben: H. Krüssel, Konstruktivistische Unterrichtsforschung, Frankfurt a. M. 1993; Siebert, Lernen als Konstruktion von Lebenswelten, H. Wyrwa, Pädagogik, Konstruktivismus und kognitive Sicherheit: zur kognitiven Autonomie in pluralistischen Gesellschaftssystemen. Entwurf einer konstruktivistischen Denkerziehung, Aachen/Mainz 1996. Zur Kritik des Konstruktivismus in der Pädagogik vgl. inzwischen C. Diesberger, Radikal-Konstruktivistische Pädagogik als problematische Konstruktion, Berlin u.a. 1998 und E. Terhart, Konstruktivismus und Unterricht. Gibt es einen neuen Ansatz in der Allgemeinen Didaktik? Ms. Münster 1998.
Allerdings findet man auch die Forderung nach einem neuen Stil des Lehrens, was keinen Sinn macht, wenn Bedeutung immer eine Eigenkonstruktion ist. H. Siebert, Lernen als Konstruktion von Lebenswelten. Entwurf einer konstruktivistischen Didaktik, Frankfurt a. M. 1994, 44, kennt merkwürdigerweise „Konditionierungslemen und mechanisches Training“.
Z.B. J. Richards und E. v. Glasersfeld, Die Kontrolle von Wahrnehmung und die Konstruktion von Realität. Erkenntnistheoretische Aspekte des Rückkopplungs-KontrollSystems, in Schmidt (Hrsg.), der Diskurs des radikalen Konstruktivismus, 219: [Wir müssen uns bewusst bleiben] „dass unser konstruktives Handeln mit den internen Signalen im Bereich unserer Erfahrung operiert und so zum Ergebnis einer Erfahrungswelt führt“. (i. O. kursiv). Genau woher der Bereich „unserer Erfahrung” kommt, wäre aber erst noch zu erklären — aus der Anamnese, der Evolution oder woher?
K. Müller, Erkenntnistheorie und Lerntheorie, 44. Vgl. auch S. J. Schmidt, Der radikale Konstruktivismus: Ein neues Paradigma im interdisziplinären Diskurs, in: Der Diskurs des radikalen Konstruktivismus, hrsg. S. J. Schmidt, Frankfurt a. M. 51992, 26–34.
G. Buck, Lernen und Erfahrung — Epagogik: Zum Begriff der didaktischen Induktion, Darmstadt, 3., um einen 3. Teil erw. Aufl., 1989.
D. Benner, Grundstrukturen pädagogischen Denkens und Handelns, in: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft, Band 1: Theorien und Grundbegriffe der Erziehung und Bildung, hrsg. D. Lenzen und K. Mollenhauer, Stuttgart/Dresden 1995, 283–300, hier 292.
D. Wolff, Der Konstruktivismus: Ein neues Paradigma in der Fremdsprachendidaktik? in: Die neueren Sprachen 5, 1993, 407–426, hier 426; Siebert, Lernen als Konstruktion, 46 und 78.
Vgl. J. Rawls, Kantischer Konstruktivismus in der Moraltheorie, in: J. Rawls, Die Idee des politischen Liberalismus. Aufsätze 1978–1989. Hrsg. v. W. Hinsch, Frankfurt a. M. 1994, 80–158, hier besonders 119ff.
O. Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien. Ein Kontrapunkt der Moderne, Frankfurt a. M. 1994, 131.
Z. B. J. Masschelein, Kommunikatives Handeln und pädagogische Handlung. Die Bedeutung der Habermasschen kommunikationstheoretischen Wende für die Pädagogik, Weinheim 1991. Masschelein versucht, zu zeigen, dass Lehrer und Schüler am Grunde gleichberechtigt seien, weil beide eine „kommunikative Identität“ besitzen (213). Interessanterweise führt er zum Schluss durch eine „strategische Identität” doch wieder eine Ungleichheit ein, nach der eine zweckrationale Überlegenheit des Lehrers, mithin ein Herrschafts-und Wissensgefälle, vorhanden ist.
Vgl. A. Schäfer, Autonomie — zwischen Illusion und Zumutung, in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik 72, 1996, 175–189.
Vgl. dazu A. Schäfer, Zur relativen Autonomie des pädagogischen Wirklichkeitszuganges, in: Luhmann, N./K.-E. Schorr (Hrsg.), Zwischen System und Umwelt. Fragen an die Pädagogik, Frankfurt a. M. 1996, 75–108.
Ich sehe hier davon ab, den Begriff des Wissens weiter auszudifferenzieren und spreche nur von propositionalem Wissen. Andere Wissensarten verlangen nur erneut nach einer Modifikation des Lehrbegriffes. Vgl. J. Oelkers, Ist Verstehen lehrbar? Ein Beitrag zur Fachdidaktik, in: Fachdidaktik und Lehrerausbildung. Beiträge im memoriam Max F. Wocke, hg. v. J. Oelkers, Bad Heilbrunn/Obb. 1986, 30–53
H. H. Krüger spricht beim Umgang mit derartigen Ambivalenzen von „reflexiver Modernisierung“. Vgl. ders., Erziehungswissenschaft in den Antinomien der Moderne, in: Krüger, H. H. /W. Helsper, Einführung in Grundbegriffe und Grundfragen der Erziehungswissenschaft, Opladen 1995, 324f.
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Trautmann, M. (2000). Schluss: Kritik des augustinischen Paradigmas — Zeigen in der Moderne?. In: Zeichensprache. Forschung Erziehungswissenschaft, vol 106. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97502-7_4
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