Zusammenfassung
„Die Geschichte ist nichts anderes als Biographie, eine ganze Reihe von Biographien“ (Mead 1934/1993, 75), erklärte George Herbert Mead in einer seiner Einführungsvorlesungen und begründete damit seine Forderung an die Sozialwissenschaften, die Erfahrung des Einzelnen nicht als individuelles Lebensschicksal zu betrachten, sondern immer auch in einen Zusammenhang mit der Gesamtgesellschaft zu stellen.
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Literatur
Die Idee, das Subjekt in den Mittelpunkt erziehungswissenschaftlicher Forschung zu stellen, ist jedoch kein Phänomen der 70er Jahre unseres Jahrhunderts. Krüger (1995) zeigt auf, daß die Ursprünge der erziehungswissenschaftlichen Biographieforschung im Erziehungsroman „Emile oder über die Erziehung“ von Jean Jaques Rousseau 1762 zu suchen sind (vgl. Kruger 1995, 1997). Bereits Rousseau wendete den ‚erzieherischen Blick‘ in seinem Roman über Erziehung auf das einzelne Individuum.
Die Überlegungen von Thomas und Znaniecki sind später als Thomas-Theorem bzw. humanistischer Koeffizient ausgearbeitet worden: Menschliches Handeln hat einen subjektiven, situationsgebundenen Anteil. Wenn ein Mensch eine Situation als real definiert, dann hat diese Situation auch reale Konsequenzen (vgl. Fuchs 1984, 103; Treibel 1997, 109).
Ausführlich haben sich mit diesem Ansatz Peter L. Berger und Thomas Luckmann (1969) beschäftigt, die die Wirklichkeit als gesellschaftlich konstruiert beschreiben. Vgl. dazu auch Teil A, Kapitel 3.
Die Wurzeln des qualitativen Denkens reichen bis in die Antike zurück. Aristoteles gilt als Urvater des qualitativen Denkens, der für ein Wissenschaftsverständnis einstand, in dem die Gegenstände dem Werden und Vergehen unterworfen sind und „neben der Ableitung des besonderen aus dem Allgemeinen mittels logisch widerspruchsfreier Beweise (Deduktion) ein induktives Vorgehen erlaubt und damit auch die Grundlage für sinnvolle Einzelfallanalysen bildet“ (Mayring 1993, 3).
In der politischen Sozialisationsforschung wird ebenfalls neuerdings eine methodenkonstitutive Herangehensweise favorisiert und für neue Forschungen in diesem Bereich eingefordert (bereits Jacobi 1991, Kelle 1993; Clausen 1996, Geißler 1996; Hopf & Hopf 1997).
Andere Verfahren des nichtstandardisierten (qualitativen) Interviews sind bspw. das rezeptive Interview oder das problemzentrierte Interview.
Ähnlich wie Goffman in „Wir alle spielen Theater“ eine Hinter- und eine Vorderbühne konstruiert, erscheinen hier der Ort des Geschehens und die Personen als Hintergrundkonstellation und das sich anschließende Ereignis als Vorderbühne (vgl. Goffman 1959/1997).
Für die Interpretation einer Lebensgeschichte sind die narrativen Passagen die wichtigsten Sequenzen, um zur biographischen Gesamtformung des Biographieträgers zu gelangen.
Die These von den Zugzwängen des Erzählens geht auf Schatzmann/Strauß (1966) zurück (vgl. von Wensierski 1995).
Fritz Schütze hat die Methode des theoretical sampling bei der Entwicklung des narrationsstrukturellen Verfahrens aufgegriffen (vgl. oben).
Dieses Vorgehen unterscheidet sich damit grundsätzlich von anderen methodischen Konzepten, in denen Familienmitglieder nach ihren Lebensgeschichten befragt werden, wie etwa die von Bruno Hildenbrandt entwickelte fallrekonstruktive Familienforschung (vgl. zuletzt Hildenbrandt 1999), dem methodischen Vorgehen von BertauxBertaux-Wiame (1991) oder dem von Rosenthal et al. (1997). Vgl. dazu ausführlich Kapitel 4.
(I: Interviewer; E: Elisabeth)
In dieser Sequenz wird der Aushandlungsprozeß zwischen Interviewer und Interviewter besonders deutlich. Die Interviewte scheint aufgeregt und probiert mehrere Anläufe, um zur Konstruktion ihrer Lebensgeschichte zu finden. Zudem wird deutlich, daß beim Einstieg in das narrative Interview die biographischen Rahmendaten und die zentralen Bezugspersonen (die nach Analyse von Schütze meist in der ersten Sequenz vorgestellt werden), problembehaftet sind.
Zudem können dialektale Unterschiede innerhalb einer Familie Aufschlüsse über Beziehungskonstellationen, Herkunftsmilieu und -veränderung und der „Herkunftsverwurzelung“ bzw. der Herkunftsnegation geben.
Dieses forschungspragmatische Vorgehen wird beim Verfahren der Oral History ebenfalls praktiziert (vgl. Niethammer/von Plato 1985b; Wierling 1991).
Um sowohl den natürlichen als auch den konstruierten, d.h. den aus der Theorie herausgearbeitetn Kode in den Fallanalysen zu veranschaulichen, arbeite ich mit beiden Kodes: der natürliche Kode ist als Art und Weise des Umgangs mit der Geschichte formuliert, der konstruierte Kode wird durch die Form des Prozesses der politischen Sozialisation veranschaulicht.
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Bock, K. (2000). Der methodische Zugang der Studie. In: Politische Sozialisation in der Drei-Generationen-Familie. Forschung Erziehungswissenschaft, vol 103. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97492-1_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97492-1_8
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