Zusammenfassung
Um die Bedeutung einzelschulbezogener Förderprogramme für die Schulentwicklung untersuchen zu können, ist es notwendig, Begriffe und Gegenstand der aktuellen Schulentwicklungsdiskussion in den Blick zu nehmen. Dazu werden in diesem Kapitel zunächst innovationstheoretische Argumentationslinien nachgezeichnet. Die Schulkultur wird als entscheidende Schlüsselkategorie herausgehoben und ihre Weiterentwicklung als Kern der Qualitätsentwicklung einzelschulischer Arbeit betrachtet. Dazu wird die Schulkultur in mehreren Dimensionen konzeptualisiert: Die Lernkultur und die Erziehungskultur einer Schule „interagieren“in diesem Modell als subjektbezogene, pädagogische Dimensionen mit der Organisationskultur als institutioneller Dimension (Kap. 3.1). Die Frage nach Möglichkeiten und Strategien zur Einführung und Implementation innovativer Elemente in die Kultur der Einzelschule — kurz: nach Instrumenten der Schulentwicklung — wird unter Bezugnahme auf diese drei Dimensionen der Schulkultur zu beantworten versucht (Kap. 3.2). Vor dem Hintergrund dieser innovationstheoretischen Einordnungen ist es dann möglich, die in den beiden vorangegangenen Kapiteln aufgeworfene Forschungsperspektive im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand, den Förderwettbewerb der Robert Bosch Stiftung, zu präzisieren (Kap. 3.3).
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Literatur
Rolff (1990:253/1993:111) warnt davor, empirisch eruierte und zu Merkmalslisten gebündelte Faktoren der Schulqualität zum Entwicklungsmaßstab zu erheben und damit einem Zirkelschluss zu erliegen.
Ähnliche Merkmalslisten finden sich unter anderem bei Purkey/Smith 1983, Fend 1986b und Haenisch 1986.
Diese Begriffe lehnen sich eng an die Qualitätsdefinition von Timmermann (1996) an, der einen kontrahierten“Qualitätsbegriff bestimmt und die Frage nach schulischer Qualitätsentwicklung mit Ansätzen des betrieblichen Qualitätsmanagements verknüpft. Ähnliche Ansätze finden sich z.B. bei Dell u.a. (1997) und Philipp (1996a).
Die frühen Autonomie-Bestrebungen im Hamburg, Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen (vgl. Beiträge in Lorent/Zimdahl 1993) und die neueren Schulgesetze bzw. Erlasse dieser und weiterer Länder zeugen von diesem bildungspolitischen „Aufbruch“(vgl. auch die Handreichungen für Schulen; z.B. Ministerium Für Schule… NRW 1998; Ministerium Für Bildung… Schleswig-Holstein 1998).
Nicht unproblematisch — hieraufhat unter anderem Terhart (1994) hingewiesen — sei die positive Konnotation des Kulturbegriffs, die das gewachsene Spiel der Einflüsse und Interessen auf Schulebene vernachlässige (ebd.:695f). Terhart plädiert daher für einen „konfliktbasierten" KulturbegrifF in der Schulpädagogik. Ähnliche Kritik wird aus organisationssoziologi-scher Perspektive an der Verwendung des Begriffs der „Organisationskultur“geübt (vgl. TÜRK 1989). Diese Einwände können allerdings vor dem Hintergrund der aktuellen Ansätze in der Schulentwicklung entschärft werden: Theoretische Beiträge ebenso wie Praxisleitfäden weisen gerade daraufhin, dass es bei der Entwicklung von Schulkultur um Veränderungen in einem sozialen System und damit um „Mikropolitik der Schulentwicklung“(Altricher/ Posch 1996) geht. Es geht also um Prozesse der Kommunikation und des Aushandelns, die eben nicht konfliktfrei oder voraussagbar sind (vgl. Kap. 3.2.2). 22 Die tatsächlich ganzheitliche Betrachtung von Schule in all ihrer sozialen und institutionellen Komplexität dürfte unmöglich sein. Helsper/Böhme (1998) machen außerdem darauf aufmerksam, dass gerade das von ihnen als „Schulmythos“bezeichnete Unbewusste, das eine Schule ausmacht, als Komplementär zur bewussten Schulkultur im schulischen Alltag äußerst bedeutsam ist. Hier und im folgenden wird der Begriff der Ganzheitlichkeit von Schule daher apostrophiert verwendet und als Annäherung verstanden: Er bezeichnet den Versuch, möglichst viele Aspekte des schulischen Ganzen zu erfassen.
Dass hiermit drei Bereiche genannt sind, durch die es möglich ist, Aspekte des „schulischen Ganzen“theoretisch zu erfassen, wird auch von Tillmann (1995a) unterstützt. In seinen Überlegungen zu einer Theorie der Schule entwirft er in Anlehnung an ein Konzept von Derbrolav drei „Regionaltheorien“als sich ergänzende Perspektiven zur Systematisierung der Schulspädagogik. Seinen Definitionsvorschlägen folgend, handelt es sich dabei um (1) die Didaktik/Curriculumtheorie, (2) die Sozialisationstheorie und (3) die Schultheorie. Diese Systematisierung spiegelt sich in dem hier gewählten schulpädagogischen Konstrukt der Schulkultur wider.
Dies entspricht einer systemischen Perspektive auf Innovationsprozesse. Für die Schule stellen insbesondere Schratz/Stebsfer-Löffler (1998) zentrale systemtheoretische Überlegungen an. Sie verdeutlichen u.a., dass es — wie fur jedes selbstreferenzielle System — auch für die Schule keine instruktive Kommunikation zwischen dem System und seiner Umwelt geben kann. Innovationen können zwar von außen an eine Schule heran getragen werden und sie „irritieren“; sie können sie jedoch nicht determinieren. Wie eine Schule mit einer Irritation „umgeht“, ob und wie sie sie aufgreift oder nicht, „entscheidet“nur sie selbst in internen Prozessen.
Ulich (1996) belegt, dass sich viele Lehrkräfte insbesondere durch Leistungs- und Verhaltensschwierigkeiten der Schülerinnen großen bis sehr großen beruflichen Belastungen ausgesetzt sehen; eine andere, häufig genannte Schwierigkeit stellen die schulischen Organisationsstrukturen dar (z.B. Aufgabenvielfalt, Zeitdruck). Die Fallrekonstruktionen zu Belastungen im Lehrerberuf von Combe/Buchen (1996) liefern ähnliche Befunde.
Zu den Merkmalen organisationalen Lernen im Unterschied zum individuellen Lernen vgl. auch Türk 1989, Doppler/Lauterburg 1997, Senge 1998.
Bei größerer Selbständigkeit und Profilbildung der einzelnen Schulen — so wird argumentiert — muss es auch darum gehen, einen bestimmten Qualitätsstandard im Schulvergleich zu sichern, der Öffentlichkeit über die geleistete Arbeit Rechenschaft abzulegen und die eigene „Betriebsblindheit“durch Berücksichtigung externer Perspektiven zu überwinden. Daher werden verschiedene Modelle externer Evaluation diskutiert, die von der „peer-review“bis zum „audit“durch Schulinspektoren nach dem englischen Modell reichen (vgl. Burkard 1997; Rolff 1998c). Auch standardisierte Leistungstests sind spätestens seit den deutschen Ergebnissen der TIMSS-Studien verstärkt im Gespräch (vgl. Baumert/Lehmann u.a. 1997; Klemm 1998a, b). Sie werden derzeit im Rahmen der von der OECD durchgeführten „PISA 2000“-Studie weiter verfolgt, zielen allerdings primär auf eine Evaluation der Schulsysteme.
Ähnliche Bedingungsfaktoren finden Hameyer (1992, 1995), Holtappels (1995b, 1997a), Posch (1996).
Holtappels (1997a) zeigt z.B. in seiner empirischen Studie zur Vollen Halbtagsschule auf, dass Schulen unter anderem ihre sozialpädagogischen Angebote erweitern, wenn die Schülerinnen lebensweltliche Probleme in die Schule tragen oder Eltern neue Anforderungen an die zeitliche Betreuung von Kindern und Jugendlichen stellen.
Damit berücksichtigt Hansel zugleich die Kritik am Konzept des Projektunterrichts von Dewey, dernach Dewey kaum den real gegebenen institutionellen und methodischen Rahmen der schulischen Praxis berücksichtigt habe (vgl. Oelkers 1997).
Beispiel-Items: „Die Schüler bearbeiten in Gruppen Aufgaben“— „niemals oder ganz selten“: 32% der Schülerinnen; „sehr oft“: 14% der Schülerinnen, 26% der Lehrerinnen; „Die Schüler arbeiten selbständig an selbstgewählten Aufgaben“— „niemals oder ganz selten“: 59% der Schülerinnen, 38% der Lehrerinnen; „Die Schüler führen eigene Untersuchungen durch “— „niemals oder ganz selten“: 53% der Schülerinnen, 42% der Lehrerinnen.
Es zeigt sich allerdings auch, dass die Gelegenheit zum interkulturellen Lernen in einer internationalen Schülerbegegnung bis heute in erster Linie an den Gymnasien und weniger an den anderen Schulformen gegeben ist (vgl. Fuchs 1993)
In der schulpädagogischen Forschung lassen sich derartige Befunde bzw. Studien zu den erzieherischen Möglichkeiten speziell von Schülerbegegnungen nicht finden. Das Thema des Vorurteilabbaus scheint zu Beginn der 70er Jahre lediglich im Kontext des sozialen und politischen Lernens durch entsprechende unterrichtliche Ansätze auf (Becker/Wolf 1971, Bönsch/Silkenbeumer 1972).
Für diese Befunde ist die US-amerikanische Studie von Lortie (1975) grundlegend. In Interviews und einer großangelegten Fragebogenerhebung fragte Lortie zahlreiche Lehrerinnen, was sie täglich tun und denken. Unter anderem fand er heraus, dass Lehrerinnen isoliert in ihren Klassen arbeiten und mit ihren Problemen und Ängsten oft alleine stehen, dass sie unsicher sind darüber, ob sie bei den Schülerinnen tatsächlich etwas erreicht haben, und dass es daher für die weitaus meisten Lehrerinnen (86%) die bedeutsamste Bestärkung für die eigene Arbeit ist, wenn die Schülerinnen etwas gelernt haben.
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Czerwanski, A. (2000). Schulentwicklungstheoretische Bezüge. In: Private Stiftungen und staatliche Schulen. Reihe Schule und Gesellschaft, vol 23. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97476-1_3
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