Zusammenfassung
Die Bundestagswahl 1998 hat einen fundamentalen Wandel in der deutschen Parteistruktur mit sich gebracht. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands kam es zu einem vom Bürger direkt ausgelösten Regierungswechsel auf Bundesebene.1 Anders als bei den „ausgehandelten“ Machtwechseln der Vergangenheit, wo meistens Umorientierungen von Parteien in den Koalitionen die Veränderungen herbeiführten, fiel diesmal das Votum der Wählerschaft eindeutig und unmißverständlich gegen eine regierende Koalition aus. Bereits im Vorfeld der Bundestagswahl vom 27. September 1998 wurde die Entscheidungsrelevanz gerade des ostdeutschen Votums sichtbar. Die ostdeutschen Bürger, die noch 1994 in starkem Umfang der CDU und der F.D.P. ihr Vertrauen geschenkt hatten — insbesondere in der Hoffnung auf eine positive (wirtschaftliche) Zukunft der neuen Bundesländer —, diesmal in den Umfragen schon frühzeitig signalisierten, daß sie dazu 1998 möglicherweise nicht mehr bereit sein würden. Sie beurteilten die wirtschaftliche Lage der neuen Bundesländer mehrheitlich negativ (Rattinger/Maier 1998: 47–49) und fühlten sich in vielen Fällen (schleppende Anpassung der Löhne, rückläufige Entwicklung der Strukturmaßnahmen für den propagierten Aufbau Ost im Rahmen der Sparmaßnahmen für die Integration in die Europäische Union) sogar substantiell benachteiligt (Pollack/Pickel/Jacobs 1998: Pollack/Pickel 1998). Die daraus resultierende Unzufriedenheit drückte sich dann auch im Wahlergebnis aus. Die seit 16 Jahren regierende Koalition von CDU und F.D.P. erlitt eine herbe Niederlage, die in den neuen Bundesländern merklich höher als in den alten Bundesländern ausfiel. Dazu gelang es der PDS, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, wofür die Zustimmung von über einem Fünftel der ostdeutschen Wählerschaft entscheidend war. Damit sind zwei auffällige Unterschiede im Wahlverhalten zwischen den beiden Gebieten angesprochen: Dies ist einmal die starke Präsenz der PDS im Osten Deutschlands (Brunner/Walz 1998; Neu 2000; Pickel 1998a), zum anderen die erheblich höheren Einbußen der Regierungsparteien, speziell der CDU, in den neuen Bundesländern im Vergleich zu den alten Bundesländern. Es stellt sich die Frage, wie sich diese Differenzen im Wahlergebnis zwischen Ost- und Westdeutschland erklären lassen.
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Pollack, D., Pickel, G. (2000). Besonderheiten der politischen Kultur in Ostdeutschland als Erklärungsfaktoren der Bundestagswahl 1998 und die Rückwirkungen der Bundestagswahlen auf die politische Kultur Ostdeutschlands. In: van Deth, J., Rattinger, H., Roller, E. (eds) Die Republik auf dem Weg zur Normalität?. Veröffentlichung des Arbeitskreises „Wahlen und politische Einstellungen“ der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW), vol 7. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97465-5_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97465-5_6
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