Ost-West-Unterschiede: Bald ein Thema für die Vergangenheit?

Zusammenfassung

Regionale Besonderheiten der politischen Kultur erregen seit jeher die Aufmerksamkeit der Politikwissenschaft. In der alten Bundesrepublik beobachtete man beispielsweise ein Nord-Süd Gefälle, das sich am klarsten in der größeren Zustimmung der Bürger zur SPD in den nördlichen Bundesländern darstellte. Darüber hinaus wurden regionale Besonderheiten einzelner Bundesländer thematisiert. So wurde die Frage gestellt, ob die Uhren in Bayern tatsächlich so tickten wie im übrigen Bundesgebiet, oder ob die Politik in Bayern doch nach eigenen Gesetzmäßigkeiten ablaufe (Falter 1982; Mintzel 1987). Schließlich wurden auch Unterschiede in den politischen Ansichten der Bevölkerung in ländlichen Gebieten und in urbanen Zentren dokumentiert. Trotz der großen Übereinstimmung in den meisten politischen Grundsatzfragen bestehen im Westen Besonderheiten auf den unterschiedlichen regionalen Ebenen selbstverständlich weiter und werden das Interesse auch in Zukunft erregen. Doch seit der Wiedervereinigung hat sich das Augenmerk fast ausschließlich auf die Unterschiede in den politischen Einstellungen und Verhaltensweisen der Bürger in den alten und den neuen Bundesländern gerichtet (Bürklin 1992; Gluchowski/Zelle 1993; Niedermayer 1994). Dieser Wandel der Perspektive ist verständlich angesichts der Erwünschtheit, wenn nicht sogar Notwendigkeit einer Angleichung der politischen Ansichten in Ost und West, um die Stabilität des politischen Systems auch künftig zu garantieren. Ihren offensichtlichsten Niederschlag hat die unterschiedliche politische Kultur in den beiden Landesteilen in der Parteienlandschaft gefunden (Pollack/Pickel 1998; Veen 1997), denn die in den alten Bundesländern etablierten Parteien Bündnis 90/Die Grünen und FDP führen im Osten nach wie vor ein Schattendasein, wohingegen die PDS, die in den neuen Bundesländern einen starken Rückhalt besitzt, im Westen bisher kaum Anklang findet (Falter/Klein 1994; Moreau 1994; Neugebauer/Stöss 1996).