Zusammenfassung
Von lebenslangem Lernen kann in zwei Bedeutungen gesprochen werden, die bereits aus logischen Gründen auseinanderzuhalten sind, und zwar erstens im Sinne einer Tatsachenfeststellung und zweitens im Sinne einer Empfehlung oder Forderung. Lebenslanges Lernen zu fordern wäre (nur) sinnvoll, wenn Adressaten dieser Forderung unter den Umständen, unter denen sie normalerweise leben, eine Alternative dazu hätten, also auch nicht oder nicht lebenslang lernen könnten. Aber diese Alternative besteht nicht. Menschen können — wenn überhaupt! — wohl nur gewaltsam daran gehindert werden, lebenslang zu lernen, d.h. Erfahrungen kognitiv zu verarbeiten. Und lebenslanges Lernen als Tatsache lediglich festzustellen, ist trivial und wohl kaum geeignet, diesem Sachverhalt jene Aufmerksamkeit zu verschaffen, die er gegenwärtig findet. Unter dieser Voraussetzung lebenslanges Lernen zu fordern kann nur bedeuten, in präzisierungsbedürftiger Weise über die (triviale) Tatsachenfeststellung hinauszugehen, daß Menschen lebenslang lernen, allerdings ohne lebenslanges Lernen als Tatsache außer Kraft zu setzen. Das kann dadurch geschehen, daß der Begriff „Lernen“ abweichend vom Fach- und Alltagssprachgebrauch als intentional gesteuerte, metakognitiv kontrollierte, mehr oder minder systematische Aktivität definiert, also nur auf einen Teil dessen angewendet wird, was Lerntheoretiker als „Lernen” bezeichnen. Mit dieser Feststellung korrespondiert die Tatsache, daß lebenslanges Lernen erst im Zusammenhang mit der Diskussion um die zunehmende Bedeutung organisierter Weiterbildung zu einem Thema öffentlicher Aufmerksamkeit geworden ist. Diese Tatsache darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch das lebenslange Lernen dieses engeren Verständnisses, also das intentionale Weiterlernen, nicht erst nach den zeitlichen Abläufen oder formellen Abschlüssen der für das Weiterlernen jeweils vorausgesetzten (grundlegenden) Lernprozesse beginnt. Diese Feststellung ist wichtig, weil Weiterbildung häufig als (zu) unabhängiger Sektor des Bildungswesens angesehen, konzipiert und realisiert wird.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Alexander, P. A.; Kulikowich, J. M. and Schulze, S. K. (1994): How subject-matter knowledge affects recall and interest. In: American Educational Research Journal 31, S. 313–337
Arbeitsgruppe Bildungsbericht am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (Hrsg., 1994 ): Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Reinbek
Blankertz, H. (1982): Die Geschichte der Pädagogik. Wetzlar
Bullinger, H.-J. (1995): Neue Arbeits-, Produktions-und Wettbewerbsstrukturen und deren Auswirkungen auf die Berufsbildung am Beispiel der Weiterbildung. In: Zukunftsaufgabe berufliche Bildung. Hg.v. Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung, Bonn, S. 17–28
Fluter, C. & Zedler, R. (1994): Kooperation in der Weiterbildung. In: Informationen zur beruflichen Bildung, Köln, Register 6, Blatt 37
Friedeburg, L. v. (1994): Bildung zwischen Aufklärung und Anpassung. Frankfurt/M.
Frieling, E. (1994): Personalwirtschaft in der Krise. In: Thema: Personal. Hg.v. C. Lindecke, Kassel, S. 924
Dörig, R. (1994): Das Konzept der Schlüsselqualifikationen. Diss. Nr. 1541 der Hochschule St. Gallen.
Glaser, R. (1984): Education and thinking. The role of knowledge. In: American Psychologist 39, S. 93–104
Mattem, C. and Weißhuhn, G. (1980): Einführung in die ökonomische Theorie von Bildung, Arbeit und Produktion. Frankfurt/M.
Posth, M. (1989): Qualifizierung als Wettbewerbsfaktor. In: Produktionsarbeiter in angelernten Tätigkeiten. Hg.v. Meyer-Dohm, P. u.a., Frankfurt/New York, S. 19–29
Renkl, A. (1994): Träges Wissen. Forschungsbericht Nr. 41 der Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie, München
Schleiermacher, F. (1957): Die Vorlesungen aus dem Jahre 1926. In: Derselbe: Pädagogische Schriften. Unter Mitwirkung von T. Schulze hg.v. E. Weniger, Düsseldorf und München
Weinert, F. E. (1998): Neue Unterrichtskonzepte zwischen gesellschaftlichen Notwendigkeiten, pädagogischen Visionen und psychologischen Möglichkeiten. In: Wissen und Werte für die Welt von morgen. Dokumentation zum Bildungskongreß des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, München, S. 101–125
Rights and permissions
Copyright information
© 2000 Leske + Budrich, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Heid, H. (2000). Qualität der Argumente, mit denen das Erfordernis lebenslangen Lernens begründet wird. In: Kompendium Weiterbildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97460-0_23
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97460-0_23
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-2578-4
Online ISBN: 978-3-322-97460-0
eBook Packages: Springer Book Archive