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Historisch-politische Denkoperationen

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Jugend und Geschichte

Part of the book series: Reihe Schule und Gesellschaft ((SUGES,volume 21))

  • 130 Accesses

Zusammenfassung

Aus der Einübung historischer Einsichten (d.h. aus Denkanstrengungen und -bewe-gungen, die sich in Wahrnehmung, Deutung und Orientierung auf den Zusammenhang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft richten) gehen kumulativ historische Qualifikationen hervor. Diese übertragbaren methodischen Grundleistungen kann man auch als Hauptoperationen geschichtlichen Denkens bezeichnen. Gesondert, aber ohne Anspruch auf Vollständigkeit, zu untersuchen sind:317

  • Fremdverstehen (5.1.),

  • Wandelswahrnehmung (5.2.),

  • Kausalitätszuschreibung (5.3.),

  • Urteilsabwägung (5.4.).

Die Verknüpfung dieser — wie erwähnt keineswegs erschöpfenden — Leistungen (5.5.) bedeutet dann “Fähigkeit zur Sinnbildung über Zeiterfahrung” (vgl. Rüsen 1994) oder “narrative Kompetenz” (vgl. Pandel 1994). Der Ansatz bei den methodischen Fähigkeiten ist — unter dem Namen “Methodenorientierung”318 — einer der “Renner” der letzten Jahre (zur Begründung vgl. v. Borries 1995a, 1999b) und beginnt sowohl in Schulbücher wie in Richtlinien des Faches Geschichte einzudringen.

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Literatur

  1. Natürlich könnte man auch von drei Stufen wie “Sachanalyse”, “Sachurteil” und “Werturteil” (Jeismann 1985) oder “historische Wahrnehmung”, “historische Deutung” und “historische Orientienmg” (Rüsen 1989, 93ff., 1994b, 156–170) oder von sieben Teilqualifikationen “Zeitbewußtsein”, “Wirklichkeitsbewußtsein”, “Historizitätsbewußtsein”, “Identitätsbewußtsein”, “politisches Bewußtsein”, “ökonomisch-soziales Bewußtsein” und “moralisches Bewußtsein” (Pandel 1987, 132f.) ausgehen. Doch scheint bei Jeismann und Rüsen die Abgrenzung der hierarchisch verstandenen (und nur analytisch, nicht pragmatisch trennbaren) Stufen schwierig; bei Pandel ist das Hauptproblem in der Verknüpfung der sieben Stränge versteckt.

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  2. Mit “methodenorientiertem Geschichtsunterricht” ist natürlich nicht die Konzentration auf Lehrmethoden, sondern die auf Schülerfahigkeiten gemeint. Eine Verkürzung wäre es allerdings, bei diesen nur die (keineswegs überflüssigen) technischen Fertigkeiten (z.B. Kartenarbeit, Lesefahigkeit, Quellenkritik, Ikonografieanalyse) ins Zentrum zu stellen und auf die fachspezifischen Kernoperationen (z.B. Historie als selektives, retrospektives und [multi-]perspektivisches Sinnbildungs- und Deutungsgeschäft) zu verzichten (vgl. v. Bornes 1999b).

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  3. Einfühlung bzw. Sich-hinein-Versetzen ist kein wesentlich irrationaler Vorgang, sondern fordert neben einer quasi-künstlerischen Sensibilität vor allem kognitive Fähigkeiten der Distanzierung, Dezentrierung, Hypothesenbildung und Analyse. Sie bedeutet nämlich den Verzicht auf den naiven und absoluten Schluß von sich selbst und heute auf jeden und alle Zeiten. Die Bildung eines kritischen “Übersetzungs”-Mechanismus ist eine anspruchsvolle intellektuelle Leistung.

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  4. In Klammern stehen Zusätze zur deutschen Fragebogenfassung, die eine perfektere Übersetzung bedeuten.

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  5. Eine solche echte “Polarität” ist in den Schülerantworten eher selten der Fall; meist bilden scheinbar entgegengesetzte Einstellungen/Deutungen (z.B. Affirmation und Kritik oder Verbesserung und Verschlechterung) nur orthogonale Dimensionen. In diesem Falle entsteht aus vier Items (die Widerstands-Statements natürlich recodiert) eine reliable Skala “Gehorsam gegenüber befohlener Heirat” (Cronbachs α = .71), die man allerdings durch Aufnahme des Items “Gehorsam gegenüber dem Vater als Gehorsam gegenüber Gott” (4. Gebot) noch verbessern kann (Cronbachs α = .77).

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  6. Anders allerdings sind die Antworten der beiden arabischen Stichproben — mit merklich überdurchschnittlichen Gehorsamswerten — zu verstehen: In diesen Gesellschaften scheint die Logik der “gestifteten Ehe” für die Betroffenen noch nachvollziehbar — wohl ebenso historisch wie aktuell.

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  7. Erwartungskonform stimmt diese Wahl am stärksten mit dem Gehorsam aus religiösen Gründen (“Vaters Gebot als Gottes Gebot”) zusammen; das zeigt die gemeinsame Ladung auf der zweiten Dimension bei einer Faktorenanalyse klar (vgl. Angvik/v. Borries 1997, B317f.).

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  8. Die Jugendlichen scheinen viel stärker in dem Trivial-Schema “die waren damals eben alle bescheuert” oder “damals war man halt noch nicht so weit wie wir heute” befangen als in der alternativen Schlicht-Formel “damals war eben alles anders” bzw. “das muß man halt aus der früheren Zeit verstehen”.

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  9. Eine gewisse Kontrolle findet schon innerhalb der Befragung statt: Wird die Fremdheit heutiger Einwanderer von den Jugendlichen akzeptiert? Kann man sich Fremde als Mitbürger vorstellen? Das ist offenbar nicht (oder nur in bescheidenem Ausmaß) der Fall (vgl. 4.5.3.).

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  10. Die erkenntnislogischen Voraussetzungen und die (heute wieder betonten) erkenntnislogischen Grenzen des Fremdverstehens müssen hier nicht erörtert werden. Gäbe es aber kein Fremdverstehen, wäre der Begriff Geschichtswissenschaft unsinnig. Richtig ist offenbar, daß die Forderungen des Historismus (“Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott”, d.h. um ihrer selbst willen zu untersuchen und nach eigener innerer Logik zu verstehen) nicht aufgegeben werden können, sondern erst noch eingelöst (und überboten) werden müssen.

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  11. Beide Teiloperationen bedürfen übrigens gleichermaßen methodischer Kontrollen. Die (berechtigte) neue Forderung nach Reflexion der Erzählpläne und Sinnbildungsmuster von Historie ist nötig, aber sie setzt die (selbstverständliche) alte Forderung nach Kritik bei Quelleninterpretation und Situationsrekonstruktion nicht außer Kraft, sondern voraus. Und für Quelleninterpretation — man muß diese Trivialität offenbar inzwischen wieder betonen — ist das “Fremdverstehen” schlechterdings entscheidend.

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  12. Eine leise Einschränkung ist zu machen, insofern das Dilemma um eine “befohlene Heirat” möglicherweise eine etwas andere psychologische und geschichts-logische Struktur hat als die erwähnten in Deutschland benutzten Konfliktfalle, wo es um “glänzendes, erfolgreiches Unrecht” in der eigenen Vorfahrenreihe ging.

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  13. Größer sind die Unterschiede beim Abscheu vor “Grausamkeiten und Katastrophen”. Im “traditionalistischen” Osten und Süden wird diese Charakterisierung der Historie viel lebhafter verworfen als im “aufgeklärt-humanistischen” Norden und Westen (sowie unter den Arabern als “Verlierern der Geschichte”).

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  14. In Deutschland wurde 1992 zweifelsfrei festgestellt, daß die Älteren ihr projektiv-triebdyna-misches Interesse, das in der Schule nicht zugelassen wurde, abgespalten haben (vgl. v. Borries u.a. 1995, 97ff., 128ff., 210ff., 394ff.). Für Europa ist dasselbe Phänomen — wenn auch in möglicherweise abweichender Stärke — höchst wahrscheinlich.

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  15. Ersteres geschieht im Mittel nicht, letzteres — trotz der überaus krassen, eigentlich schon provokativen Formulierung — durchaus. eine moralisch-altruistische und weniger für eine kognitiv-pragmatische Lösung der Einwanderungsfrage ein. Diese Zusammenhänge sind hoch signifikant, aber das Gegenteil des Erwarteten.

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  16. Leider wurden die Heranwachsenden in Europa 1995 — anders als in Deutschland 1990 und 1992 (vgl. v. Borries u.a. 1992, 1995) — nicht nach geschichtsbezogenen positiven/negativen Emotionen und Sympathien/Antipathien gefragt.

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  17. Hier liegt natürlich ein methodisches Problem: Da jede Stichprobe ihr eigenes Land einschätzt, beziehen die Daten sich eigentlich nicht auf das gleiche Phänomen. Ggf. unterscheiden sich daher nicht die Jugendlichen, sondern die Länder, nämlich ihre reale Vergangenheit und ihre als wahrscheinlich voraussehbare Zukunft.

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  18. Im Nachhinein mag man bedauern, daß die Beschreibungen nicht dreimal, d.h. für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abgefragt worden sind. Denn erst dann könnte man die Wahrnehmung des vergangenen Wandels und die Erwartung des künftigen Wandels ganz trennscharf erfassen. Genau diese Strategie ist — ausgehend von Gedanken Rüsens (vgl. Rüsen u.a. 1991)-1991 in einer Pilotierung in Deutschland gewählt worden (unpubliziert). Dabei zeigten sich aber ganz große Ähnlichkeiten (überragende Korrelationen) der erwarteten Zukunft mit der wahrgenommenen Gegenwart, deren bloße Fortschreibung sie darstellte. Eine Verlängerung des Fragebogens und eine überflüssige Belastung der Probanden ließen sich insofern — wie schon 1992 in Deutschland (vgl. v. Borries u.a. 1995, 469f., 472f.) — bei YOUTH and HISTORY 1994/95 nicht rechtfertigen. Gleichwohl kann man nicht ganz sicher sein, daß die Fortschreibung der Gegenwart in die Zukunft in allen Kulturen gleich intensiv wie in Deutschland ausfällt.

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  19. Wir wissen das einigermaßen zuverlässig aus den Abstimmungsfragen (vgl. 4.4.2.).

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  20. Nicht aber Araber in Israel und Palästinenser!

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  21. Das gilt einschließlich der Türkei, aber ausschließlich Griechenlands, das sich vermutlich gerade von der Türkei ausgebeutet fühlt. Oder spielen Bürgerkriegserinnerungen eine Rolle?

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  22. Im ganzen zeigt die Verteilung, welche Sprengkraft die Vermutung (oder das Ressentiment) einer durch politische Abhängigkeit hervorgerufenen wirtschaftlichen Benachteiligung haben kann: “Ausbeutung” ist demnach nicht nur eine Form von “Armut”, sondern fast schon von “Krieg”.

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  23. Gut erklärlich ist auch, daß arabische Israelis und Palästinenser die Zeit unter ägyptischer, jordanischer und israelischer Fremdherrschaft (noch vor dem Suezkrieg 1956) als eher undemokratisch wahrnehmen, nur bei den jüdischen Israelis (wie immer ohne orthodoxe Privatschulen) ist die gleiche Einschätzung unerwartet. Oder schlägt hier die Erinnerung der Sephardim-Mehrheit an anfängliche Zurücksetzung (gegenüber den Aschkenasim) durch?

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  24. Unverständlich ist demgegenüber, woher die deutschen Befragten ihren Eindruck nehmen, “ihr Land” sei 1955 in besonderer Weise von “sozialen” und “ethnischen Konflikten” heimgesucht gewesen. Das ist — angesichts des deutschen “Konsensmodelles”, sich zunehmend integrierender (übrigens “deutscher”!) Flüchtlinge und noch fehlender “Gastarbeiter” — historisch untriftig. Welche Projektion liegt da zugrunde?

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  25. Beim hohen Wert Israels handelt es sich um eine Momentaufnahme zur Zeit des Osloer Friedensprozesses. In beiden arabischen Gruppen wurde diese Hoffnung schon Anfang 1995 nicht geteilt.

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  26. In Griechenland und der Türkei liegen die Verhältnisse allerdings anders.

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  27. Insgesamt drängt sich erneut der Eindruck auf, daß die Jugendlichen die Gegenwart als Maßstab der Zukunft benutzen und sie zugleich mehr oder weniger auf Dauer festschreiben: Nur in drei Ländern ist eine ernsthafte Abweichung von der Nulllinie (Abstand > .50 Skalenpunkte) erkennbar; in zwei Drittel aller Fälle sind die Zukunftsangaben eigentlich “neutral” (Abstand < .25 Skalenpunkte).

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  28. Freilich darf auch nicht verkannt werden, in welchem Umfang in den letzten Jahrzehnten — jedenfalls im Westen — die Belastung von Boden, Luft und Wasser mit vielen groben Verschmutzungen mit Hilfe verbesserter Filter- und Meßtechniken zurückgegangen ist.

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  29. Die Ukrainer erwarten — trotz Tschernobyl! — eine der geringsten Steigerungen an Umweltbelastungen überhaupt. Man hat dort eben andere Sorgen, tritt allerdings etwas überdurchschnittlich (und weit intensiver als die Nachbarländer Polen und Rußland) für die Abschaltung der Atomkraftwerke ein (vgl. 4.4.2.).

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  30. Zu untersuchen sind Fr. 34 sowie Fr. 26–30 (LINE, ASMA, ASCO, ASIN, ASEE).

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  31. Mathematisch gesehen bedeutet jedes exponentielle Wachstum — seien es nun 10,5 oder auch nur 2% jährlich — auf lange Sicht die Widersinnigkeit der berühmten “Schachbrettaufgabe”. Aber das ist Politikern und Wirtschaftsführern weltweit offensichtlich unbekannt oder -schlimmer — gleichgültig. Selbst die schon einmal getroffene Unterscheidung zwischen quantitativem und qualitativem Wachstum ist wieder verloren gegangen.

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  32. Hier ist also ausnahmsweise keine Einschätzung auf einer fünfstufigen Likertskala, sondern eine Entscheidung zwischen fünf Alternativen (“Antwort-Auswahl-Verfahren”) gefordert.

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  33. Mit anderen Methoden wurde 1992 in Ost- und Westdeutschland genau das gleiche festgestellt (vgl. v. Borries u.a. 1995, 182–184), was als beachtliche externe Validierung gelten muß. Die nachgewiesene Fortschrittsablehnung stieg sogar noch etwas mit höherem Alter und anspruchsvollerer Schulbildung, war also tendenziell sozial erwünscht und als Konvention erlernt. 360 Diese Deutung wird durch eine (methodisch ganz unabgesicherte) persönliche Erfahrung bestärkt. Studierende in meinen Seminaren äußern sich vielfach — vor aller einschlägigen Lektüre, aber in fest entschiedener Weise — “postmodern” und “posthistorisch”.

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  34. Sie können zudem weit weniger als andere Items unter den Verdacht semantischer Differenzen zwischen den Fragebogenversionen gestellt werden. Die grafischen Figuren zu den Ge-schichtsbegriffen, die gewiß das Antwortverhalten junger Menschen stärker beeinflussen als bloße Worte, sind nämlich überall gleich.

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  35. Letzteres würde z.B. die Wahl der “Extreme” in der Türkei erklären, nämlich angesichts des mehrfachen Wechsels von Militär- und Zivilherrschaft.

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  36. Das Nebeneinander einer plakativen Fortschrittsskepsis und eines latenten Fortschritts vertrauens wurde 1992 in Deutschland detalliert nachgewiesen (vgl. v. Borries u.a. 1995, 384ff.).

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  37. Die Industrialisierung bildet in dieser Reihe eher eine Ausnahme; sie wird gleichermaßen als “Verbesserungsprozeß” und als “Verschlechterungsprozeß” aufgefaßt (vgl. 4.3.2.).

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  38. Geschichtliche Sinnbildung hat z.B. die logische Struktur “Damals zwar..., heute aber..., weil danach... prägende Ereignisse und Erfahrungen... eingetreten sind” oder “Schon damals...., und heute erst recht...; denn inzwischen... geschah verstärkend/verschärfend...” (vgl. v. Bornes 1999a).

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  39. Solche Kausalattribuierungen sind auch Hauptinhalt der Begriffsklärungen zu “Armut und Reichtum” (vgl. 4.3.1.).

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  40. Es geht um Fr. 24 und 25 (NOW_A — NOW_O und NEXT_A — NEXT_O).

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  41. Beide Items zusammen ergeben eine brauchbare Kurzskala zum Einfluß “wissenschaftlich-technologischen Fortschritts” (Vergangenheit: Cronbachs α = .63, Zukunft: Cronbachs α = .61).

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  42. Gleichwohl passen beide Unter-Gruppen in eine ziemlich reliable Skala “Einfluß mächtiger Personen und wichtiger Ereignisse” (Vergangenheit: Cronbachs α = .77, Zukunft: Cronbachs α = .75).

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  43. Die “Philosophen” fügen sich nicht perfekt, d.h. konsistenzverbessernd, in die Skala “mächtige Personen und wichtige Ereignisse” ein, stehen dieser aber so nahe, daß sie hier gemeinsam zu behandeln sind.

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  44. Ein gutes Beispiel stellt das Einzelitem “politische Reformen” dar (siehe Grafik 46, S. 240).

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  45. Die vier Items “Umweltkrisen”, “Naturkatastrophen”, “Bevölkerungsexplosion” und “massenhafte Migrationen” lassen sich zu einer konsistenten Skala mit dieser Bedeutung zusammenfassen (Vergangenheit: Cronbachs α = .74, Zukunft: Cronbachs α = .75).

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  46. Trotz der hohen Korrelationen mit den drei anderen Items, die die Bildung einer Skala gestatten, ist die Einschätzung der “massenhafte Migrationen” eine Ausnahme.

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  47. Auch hier bilden die “massenhaften Migrationen” — unbeschadet der erbitterten deutschen Debatten über “Asylmißbrauch”, “Armutsflüchtlinge” und “Einwanderungsgesetz” (die 1993 zur Verfassungsänderung geführt hatten) — eine Ausnahme.

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  48. Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, daß möglicherweise ausgerechnet “everybody” (so der englische Normfragebogen) nicht sicher und exakt genug übersetzbar ist. Vielleicht stehen in den Konnotationen mancher Sprachen/Kulturen die einzelnen mehr gegen, in denen anderer Sprachen/Kulturen die einzelnen mehr für das Kollektiv.

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  49. Das zeigt sich an den Korrelationen auf Schülerebene (N > 31.500) wie auf Länderebene (N = 30).

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  50. Die Skalen zum Einfluß von “wissenschaftlich-technologischem Fortschritt” (Vergangenheit: Cronbachs α = .60, Zukunft: Cronbachs α = .68), von “wichtigen Ereignissen und mächtigen Personen” (Vergangenheit: Cronbachs α = .71, Zukunft: Cronbachs α = .72) sowie von “ökologisch-demografischen Prozessen” (Vergangenheit: Cronbachs α = .75, Zukunft: Cronbachs a = .75) sind auch für die Lehrenden recht reliabel (vgl. Angvik/v. Borries 1997, B195–197, 203–205).

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  51. Einen Augenblick ist nach Anhaltspunkte dafür zu suchen, daß Lehrende das Item systematisch anders aufgefaßt haben könnten als Lernende. Es ist aber kein Grund erkennbar, der in so vielen Ländern und Sprachen parallele semantische Verstehensdifferenzen hervorzubringen verspräche.

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  52. Eine Ausnahme bildet nur der künftige Einfluß “jedes/r einzelnen”. Da halten die Jugendlichen an ihrer massiv höheren Einschätzung fest.

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  53. Bei den deutschen Befragten ist der Gegensatz zu den Lehrenden noch deutlich größer als im europäischen Mittel. Das bedeutet z.B. einen schärferen Gegensatz in der Frage des Einflusses “jedes Menschen”, aber auch fehlende Angleichung in der Einschätzung der künftigen Technologie-Entwicklung.

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  54. Dabei ist von der Fragwürdigkeit der Anwendung des Mittelalterbegriffes auf außereuropäische Kulturen (sowie von der Test-Faimess z.B. für die an YOUTH and HISTORY teilnehmenden Araber) noch ganz abgesehen.

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  55. Damit ist aber — seltsamerweise — nicht die Herrschaft des aufklärerischen Stereotyps wiederhergestellt. Vermutlich ist das mentale Gewicht von “Glauben” und “Aberglauben” im Mittelalter angesichts fortschreitender Säkularisierung überhaupt nicht mehr vorstellbar, wie auch die berichteten Ergebnisse zur Frage einer “befohlenen Heirat” zeigen (vgl. 5.1.1.). Außerdem ist der Verweis auf den Investiturstreit (“Kämpfe von Kirche und König”) inzwischen Teil der negativen Deutung geworden.

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  56. Etwas anders stellt sich der Zusammenhang zwischen politischem Interesse und Mittelalterdeutungen dar. Auch die “positiven” Verweisen auf “Ruhm” und “Kathedralen” (nicht aber auf “Ritter”) fallen bei den politisch Interessierten etwas kräftiger aus.

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  57. Die Korrelationsmatrix macht das klar. Negative Zusammenhänge fehlen praktisch. Doch hat “Dunkelheit und Aberglauben” nichts mit “Ruhm fiir mein Land”, “Kathedralen” und “Rittertum” zu tun (r ≈ .00), ebensowenig “Ruhm fiir mein Land” mit “Dunkelheit und Aberglauben”, “Herrschaft über Bauern” und “Rittertum” (letzteres: r = .11). Die größte Verwandtschaft hat “Herrschaft über Bauern” mit “Kämpfen zwischen Staat und Kirche” (r = .31), schon an zweiter Stelle folgt “Herrschaft über Bauern” mit “Bau der Kathedralen” (r = .25), der offenbar — wenigstens zum Teil — als Unterdrückungs- nicht als Kulturmaßnahme empfunden wird, wie die Doppelladung in der Faktorenanalyse zeigt (Angvik/v. Borries 1997, B224f). Das ist angesichts der Verwendung von bäuerlichem Surplus zu demonstrativem und symbolischem Konsum in der Form von adligen und kirchlichen Sakralbauten durchaus als plausibel nachvollziehbar.

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  58. Der Abstand zum Maximum in Frankreich beträgt exakt einen Skalenpunkt und damit ziemlich genau den Betrag der Standardabweichung. Das bedeutet einen sehr großen Effekt.

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  59. Damit wird nicht behauptet, die “westliche” Betonung der Herrschaft über Bauern sei “neomarxistisch”. Offenbar liegen auch in den Nachbarländern Deutschlands neuere sozialhistorische Konzepte von “Lehnswesen und Grundherrschaft” als Kern der Mittelalterinterpretation zugrunde.

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  60. Diese Erklärung wird nicht dadurch entkräftet, daß die Items “Bauernunterdrückung” und “Kämpfe von Kirche und König” nicht ausdrücklich auf das eigene Land bezogen, sondern allgemein formuliert sind (z.B. “in vielen Ländern”). Tatsächlich gehen die Jugendlichen aber — wie zu erwarten — in erster Linie von ihrer nationalen Tradition und Erfahrung aus.

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  61. Eine Ausnahme gilt nur für die Kathedralen in Frankreich (und den Niederlanden). Man spürt den Stolz auf die Erfindung des “gotischen” Stils (mittelalterliche Zeitgenossen sprachen zutreffender vom “französischen” Stil).

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  62. Vielfach muß man zu Detailerklärungen aus der Geschichte des einzelnen Landes greifen: So haben Ungarn (neben Türken und Südtirolern) die niedrigsten Werte für Kathedralen — liegen doch seit den Türkenkriegen fast alle Bauwerke von vor 1526 in Trümmern. In Südtirol sind die “Kathedralen” fast alle barockisiert. In der Türkei setzen die großen “Moscheen”, wie es dort im Fragebogen ersatzweise heißt, meist erst mit der Neuzeit ein.

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  63. Neben Deutschland (Diff. = .78) sind es besonders Belgien (Diff. = .80), Südtirol (Diff. = .73), England/Wales (Diff. = .73) und Schottland (Diff. = .70), Norwegen (Diff. = .70) und Israel (Diff. = .59), wo die Befragten dem “finsteren” Mittelalter ein besonderes Übergewicht über das “glänzende” Mittelalter zusprechen.

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  64. In einigen Ländern werden die positiven Kennzeichnungen des Mittelalters im Durchschnitt tatsächlich stärker betont als die negativen, so in Rußland (Diff. = .05), der Ukraine (Diff. = .24), Litauen (Diff. = .08) und Polen (Diff. = .00). Es handelt sich um Länder mit einer “großen” mittelalterlichen Vergangenheit (“Reiche”); aber man wundert sich, daß z.B. der Tatarensturm und das Tatarenjoch das Bild nicht stärker verdüstert haben. Bei einigen Gruppen (teilweise in ehemals nicht selbständigen Ländern) ist das Bild schon etwas ungünstiger, aber das “glänzende” bleibt kaum hinter dem “finsteren” Mittelalter zurück, so bei Esten (Diff. = -.08), arabische Israelis (Diff. = -.09) und Ungarn (Diff = -.15).

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  65. Die deutschen Befragten haben tatsächlich im Mittel aller sieben Items bei weitem die niedrigsten Werte (noch hinter Ungarn und Slowenien), die höchsten hat Litauen (vor Spanien und Norwegen). Der Abstand vom ersten zum letzten beträgt über 80% der Standardabweichung.

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  66. Bei “Freiheit für die Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes” (49.8%) und “Verrat an sozialistischen Ideen” (50.7%) beträgt die Quote der Neutralen etwa die Hälfte. Im ersten Falle wußten viele Befragte offenbar wenige Jahre nach seiner Auflösung nicht mehr, was der “Warschauer Pakt” war; im zweiten mochte sich ein hoher Anteil offenbar nicht festlegen.

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  67. Da Operationalisierungen einer ausgesprochen traditionalen Sinnbildung in den einschlägigen Items zur Geschichtstheorie (Fr. 1 bis 2) nicht enthalten sind, werden ersatzweise Auskünfte über die Ziele im Unterricht (Fr. 6) herangezogen (vgl. Angvik/v. Borries 1997, B66–69). Diese Items sind in Tabelle 40 kursiv gedruckt.

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  68. Die Reihenfolge in der Faktorenanalyse richtet sich natürlich nach den Eigenwerten (statt nach dem geschichtslogischen Niveau); sie lautet “genetisch”, “kritisch”, “traditional”, “exemplarisch”.

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  69. Bei Rüsens Taxonomie handelt es sich um logische Stufen, bei denen jeweils höhere Leistungen die niedrigeren einschließen (“aufheben”). Faktorenanalysen dagegen erstellen unabhängige (“orthogonale”) Dimensionen.

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  70. Dieser Analyseschritt ist in Angvik/v. Borries 1997 noch nicht enthalten. Eine gewisse Nebenladung gibt es beim Item “Hintergrund der gegenwärtigen Lebensweise und Erklärung der heutigen Probleme” (“genetisch”: Ladung = .46, “exemplarisch”: Ladung = .37). Zudem zeigen ausgerechnet die Items “die Welt heute erklären und die Tendenzen der Veränderung herausfinden” und “ein Mittel, mein Leben als Teil geschichtlicher Veränderungen zu meistern” Doppelladungen, nämlich neben dem “genetischen” Faktor auch auf dem “traditionalen”. Das ist erstaunlich, weil hier am deutlichsten Wandel oder Veränderung thematisiert wird, und sachlich interessant: Eine individuelle “Orientierung” scheinen sich die Jugendlichen mithin am ehesten durch “Tradition” zu erwarten! Aus der im folgenden benutzten Fassung sind die beiden Items wegen ihrer — die internationale Faktor-Stabilität beeinträchtigenden — Doppelladungen entfernt worden.

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  71. Ein ausdrücklicher Verweis auf den “außerschulischen” Bereich fehlt Die Kombination beider Fragegruppen ist ohne weiteres zulässig; denn Lernende wenden — besonders wenn sie im schulischen Kontext mit Papier-und-Bleistift-Methoden befragt werden — ohnehin maßgeblich ihren “schulischen” Geschichtsbegriff an. Nur mit besonderen Vorkehrungen und Abwandlungen hat man eine gewisse Chance, auch etwas von den außerschulischen Aktivitäten und Deutungen zu erfahren (vgl. v. Borries u.a. 1995, bes. 29f, 212, 214f., 394ff.).

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  72. Es gibt beachtliche Korrelationen: Zwischen den beiden “kognitiv-antiquarischen” Zugriffen (“Kenntnisse” und “Faktenaneignung”) (r= .27), zwischen den beiden “autoritativ-moralisie-renden” Betrachtungen (“Menschen- und Bürgerrechte” und “Urteile über gut/schlecht und richtig/falsch”) (r = .28), zwischen den beiden “fasziniert-projektiven” Zuwendungen zur Geschichte (“Quelle von Aufregung” und “Faszination und Spaß”) (r — .32) und erst recht für die zwei “empathisch-rekonstruktiven” Äußerungen (“Berücksichtung aller Standpunkte” und “Rekonstruktion der besonderen Bedingungen”) (r = .47). Das genügt fast für Kurzskalen; die statistische Ausprägung von vier Faktoren ist also nicht erstaunlich.

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  73. Das gilt auch dann, wenn im Fragebogen nicht ausdrücklich Bezug auf Schule und Unterricht genommen wird (kursive Items in Tabelle 42).

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  74. Diese merkwürdige Schere zwischen plakativer Ablehnung der “Menschenrechte” als historischem Maßstab und ihrer faktischen Anwendung in historischen Urteilen ist aus der deutschen Untersuchung von 1992 bereits bekannt (vgl. v. Borries u.a. 1995, 387ff.); jetzt ist sie auch für Europa empirisch aufgezeigt.

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  75. Die Antworten der Lernenden zu den medialen Geschichtspräsentationen, insbesondere die Beliebtheit der audiovisuellen (fiktionalen wie dokumentarischen) Formen, sprechen ebenfalls eine beredte Sprache (vgl. 2.2.1. und 2.2.2.).

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  76. Die genannte Faktorenananalyse findet sich noch nicht bei Angvik/v. Bonies 1997. Alle Ladungen auf dem jeweiligen Faktor sind hoch (> .68, oft > .80), nur einmal gibt es eine nennenswerte — zudem sachlich vertretbare (jedenfalls verständliche) — Nebenladung: das Urteil nach “Menschen- und Bürgerrechten” wird nicht nur als Moralisieren (Ladung = .47), sondern auch als Rekonstruieren (Ladung = .51) angesehen. Ein kleiner Schönheitsfehler besteht darin, daß der Eigenwert des vierten Faktors nicht ganz 1.00 erreicht. Die Reihenfolge der Faktoren lautet: “empathisch-rekonstruktiver”, “autoritativ-moralisierender”‘, “an-tiquarisch-sammelnder” und “projektiv-ästhetisierender” Zugriff.

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von Borries, B. (1999). Historisch-politische Denkoperationen. In: Jugend und Geschichte. Reihe Schule und Gesellschaft, vol 21. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97451-8_5

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