Skip to main content

Historisch-politische Identifikationen

  • Chapter
  • 127 Accesses

Part of the book series: Reihe Schule und Gesellschaft ((SUGES,volume 21))

Zusammenfassung

Geschichtsbewußtsein ist — fast — ein anderer Ausdruck für historische Identität.164 Kollektive wie individuelle Identitäten ihrerseits haben nämlich notwendig eine geschichtliche, d.h. temporale und narrative, Struktur (vgl. v. Borries 1999a/b); “Identitätsbewußtsein” oder die Unterscheidung von “wir” und “ihr/sie” (vielleicht besser: “anderen”) gehört zu den grundlegenden Operationen des Geschichtsbewußtseins” (vgl. Pandel 1987, 132). Identitäten aber entstehen in Identifikationsprozessen, d.h. durch Vollzug/Annahme (am besten nach Abwägung und Revision) von Zugehörigkeiten und Abgrenzungen. Als Ebenen dieser Zugehörigkeit/Abgrenzung ergeben sich zwanglos in aufsteigender Reihe:

  • Lokal-regionaler Nahbereich (3.1.),

  • nationalstaatliche Organisation (3.2.),

  • europäische Integration (3.3.),

  • universales Weltsystem (3.4.).

Eindeutig ist, daß mehrere Identitäten sich nicht ausschließen müssen, sondern verknüpfen und kombinieren, stufen und durchgittern können. In diesem Sinne kommt es auf die Priorisierung an (3.5.). Unklar dagegen ist, ob (schulisches) Ge-schichtslernen Identitäten vermitteln (“stiften”) oder bloß reflektieren (“verhandeln”) kann bzw. soll. Bevor der Rang-Vergleich versucht wird, gilt es zu erkunden, welche Meinungen und Kenntnisse Jugendliche über die historische und politische Bedeutung der einzelnen Identifikationsebenen für sie selbst haben. Dabei gilt es wie bei allen Betrachtungen zum Geschichtsbewußtsein natürlich, — soweit möglich -Vergangenheitsdeutungen, Gegenwartswahrnehmungen und Zukunftserwartungen (vgl. Rüsen 1994a/b) zu berücksichtigen und zu verschränken.

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Buying options

Chapter
USD   29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD   44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD   59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Learn about institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Genauer könnte man mit Rüsen (1994a/b) “historische Identität” als die eine (“innere” und “subjektive”) Hauptfunktion des Geschichtsbewußtseins neben “historischer Orientierung” als der anderen (“äußeren” und “objektiven”) bezeichnen.

    Google Scholar 

  2. Wahrscheinlich spielt auch eine Rolle, was die Jugendlichen als abstrakt (z.B. “Alltagsleben einfacher Leute”) und was sie als konkret (z.B. “Geschichte meiner Familie”) empfinden.

    Google Scholar 

  3. Die deutschen Befragten verhalten sich dabei — mit Ausnahme einer besonders geringen Vorliebe für Regionalgeschichte — völlig durchschnittlich (also unauffällig).

    Google Scholar 

  4. Alle diese möglichen Gemeinsamkeiten sind beim historischen “nation building” natürlich wichtig und brauchbar; jede (einzelne) von ihnen aber ist weder notwendig noch hinreichend. Bei sachlicher Betrachtung sind außerdem oft Kombinationen (Übergänge) von “Gemeinsamkeit” und “Verschiedenheit” der Teile einer Nation in jedem einzelnen Punkte feststellbar. Deshalb konkurrieren in den Konfliktfallen oft unvereinbare Nationskonzepte.

    Google Scholar 

  5. Es lohnt sich darüber nachzudenken, ob die in der Nationalismus-Forschung weithin gebräuchliche Entgegensetzung des westeuropäischen “politischen” Nationsbegriffes und des mittel- und osteuropäischen “kulturellen” (oder gar “biologischen”) Nationsbegriffes nicht selbst zu guten Teilen ein Schreibtischmythos ist. Jedenfalls haben weder Spanien nach Großbritannien — und selbst Frankreich und die USA nur eingeschränkt — jemals dem sogenannten “westlichen” und angeblich “normalen” Typ von Nationalstaat entsprochen.

    Google Scholar 

  6. Hier ist allerdings bei der Item-Formulierung ein Lapsus unterlaufen, der die Benutzbarkeit der Ergebnisse einschränkt. Das “biologistische” Bild von der “Geburt” von Nationen ist natürlich höchst unglücklich und möglicherweise in manchen Ländern oder bei manchen Befragten wörtlich (statt bildlich) genommen worden. Andererseits enthält das beliebteste Item überhaupt, die Nation als “natürliche Einheit”, ebenfalls einen Biologismus, der jedoch die Befragten keineswegs zu stören scheint.

    Google Scholar 

  7. Ein solches Recht wurde zwar im 18./19. Jahrhundert ständig in Anspruch genommen (USA gegen England, Südamerika gegen Spanien, Balkanvölker gegen die Türkei, Ungarn gegen Österreich, italienische und deutsche Einigung) und wurde nach dem Ersten Weltkrieg gegen Rußland, Österreich-Ungarn und Deutschland gewendet. Es scheint aber nie international kodifiziert worden zu sein, schon weil Frankreich (“nation une et indivisible”), Großbritannien (“irische, schottische und walisische Frage”) und die USA (“Sezessionskrieg”) sich ihrer Sprengwirkung voll bewußt waren. Seit dem Ende der Kolonialära mit den vielen willkürlichen Grenzen außerhalb Europas, die teils relativ einheitliche Ethnien zerschneiden und teils relativ verschiedene Ethnien zusammenzwingen, gilt die Sorge vor Gewaltanwendung und Destabilisierung durch ein etwaiges “Selbstbestimmungsrecht” erst recht.

    Google Scholar 

  8. Die Ladungen auf dem ersten Faktor betragen +.74, +.69 und +.58; Nebenladungen fehlen.

    Google Scholar 

  9. Dafür ergeben sich auf dem zweiten Faktor Ladungen von +.42, +.74 und +.66; wieder fehlen Nebenladungen.

    Google Scholar 

  10. Die elf Teilstichproben mit den niedrigsten Werten stammen alle aus Skandinavien und Westeuropa.

    Google Scholar 

  11. Neun der zehn Gruppen mit den höchsten Werten (die Ausnahme ist Portugal!) stammen aus dem Osten und Nahen Osten. Nur in der Mittelgruppe (Daten für Ungarn und die Türkei fehlen leider) sind der Westen mit vier (Dänemark, England/Wales, Niederlande, Griechenland) und der Osten mit drei Ländern (Estland, Rußland, Ukraine) gleichermaßen vertreten.

    Google Scholar 

  12. Items aus Fr. 26 und Fr. 43 (ASMA_B, PRSRV_F) sind hier zu betrachten.

    Google Scholar 

  13. Der Nationalstolz im Vergleich zu anderen Stolzformen wurde — anders als in der deutschen Untersuchung von 1992 (vgl. v. Borries u.a. 1995, 155–160) — wegen des Widerstands mehrerer nationaler Koordinatoren leider nicht direkt erfragt.

    Google Scholar 

  14. Ausgesprochen wichtig ist aber die Tatsache, daß die Kennzeichnung als “eine ruhmreiche Periode für mein Land” unter allen sechs Mittelalter-Statements mit einem gewissen Abstand die geringste Zustimmung erfahrt und damit als einzige leicht negativ bewertet wird.

    Google Scholar 

  15. Ansatzweise tritt die Abstufung von Ost- und Westeuropa auch für ein “steinzeitliches Heiligtum” und eine “mittelalterliche Kirche” auf, nicht jedoch für ein “300 Jahre altes Bauernhaus”, eine “alte Fabrik” und ein “Kriegsdenkmal für den Zweiten Weltkrieg” — vom Naturschutz zu schweigen (vgl. Angvik/v. Borries 1997, B337–345).

    Google Scholar 

  16. Leider ist es methodisch unmöglich, in der Befragung auch nur “Europa”, “Europäische Union”, “Europäische Einigung” und “Europäische Zusammenarbeit” detailliert zu unterscheiden, von den feineren Begriffsvarianten ganz abgesehen. Sonst wären zu viele Items im Fragebogen dafür verbraucht, vermutlich auch viele Jugendliche überfordert und frustriert worden. Man muß mit ähnlich vagen Auskünften zufrieden sein, wie auch die Vorstellungen in vielen Köpfen beschaffen zu sein scheinen.

    Google Scholar 

  17. Man kann aus allen Äußerungen im Fragebogen eine generelle Tendenz zu “Enthusiasmus” in vielen südlichen (und einzelnen östlichen) Ländern und eine generelle Tendenz zu “Reserviertheit” in manchen zentraleuropäischen (wie Slowenien und Ungarn) und nördlichen Ländern belegen (vgl. Angvik/v. Borries 1997, A53f.).

    Google Scholar 

  18. Zugleich weisen Palästinenser und israelische Araber — zusammen mit der Türkei — erwartungsgemäß die Maxima an “Europa-Kritik?’ auf.

    Google Scholar 

  19. Für die folgende Analyse können die Skalen “interne (d.h. “ethnische” und “soziale”) Konflikte” sowie “Wohlbefinden” (d.h. “Demokratie”, “Wohlstand” und “Frieden”) einen ersten Anhaltspunkt bilden (vgl. Angvik/v., Bornes 1997, B271, 280). Im Detail gehen aber -verständlicherweise — “Frieden” und “Wohlstand” oder “ethnische Konflikte” und “soziale Konflikte” auch oft auseinander (die Differenz-Skalen sind daher nicht recht reliabel). Freilich ist eine detaillierte Betrachtung aller Einzelitems viel zu aufwendig.

    Google Scholar 

  20. Diese Feststellung ist nicht mit der analytisch unbefriedigenden und politisch riskanten apodiktischenThese Huntingtons (1998) vom “Clash of Civilizations” zu verwechseln.

    Google Scholar 

  21. Die Zusammengehörigkeit von “Abenteurern” und “Mission” wird in einer Faktorenanalyse bestätigt, ebenso wie die der Items “Ausbeutung”, “Rassismus” und “ Weltreiche” (letzteres hat — verständlicherweise — eine Nebenladung auf “Abenteuer”).

    Google Scholar 

  22. Das “Verschuldensprinzip” wird durch die Items “(ehemalige) Kolonialmächte” und (recodiert/gestürzt) “überhaupt kein Staat” vertreten, die eine ziemlich reliable Kurzskala (Cron-bachs α = .61) bilden. Das reziproke Einrücken von “überhaupt kein Staat” in diese Argumentation ist leicht zu verstehen: Wenn niemand zahlen müßte, wären nicht nur die Unschuldigen, sondern — ungerechterweise — auch die Schuldigen von Reparationen freigestellt. Das “Solidaritätsprinzip” wird durch die Items “jeder europäische Staat” und “alle heute wohlhabenden Länder” gemessen; eine entsprechende Kurzskala ist nicht recht reliabel (Cronbachs α = .49), aber durch eine Faktorenanalyse zureichend abgesichert. Die geringe Konsistenz ist nicht erstaunlich, weil es ja auch relativ arme europäische Länder gibt.

    Google Scholar 

  23. Methodisch tritt hier allerdings ein Problem auf. Mit Papier-Bleistift-Verfahren und geschlossenen Fragen (bloßes Ankreuzen) können natürlich nur allgemeine Einstellungen und nicht spezifische Verhaltensweisen im Krisenfall untersucht werden. Diese — unvermeidliche — Restriktion gilt es im Gedächtnis zu behalten.

    Google Scholar 

  24. Wie erinnerlich (vgl. 3.2.1.), wird nicht einmal die Historizität der “Nation” (Entstehen und Vergehen) wirklich eingesehen.

    Google Scholar 

  25. Das Grundgesetz von 1949 sieht in Artikel 24 diesen Prozeß bekanntlich ausdrücklich vor; es ist damit aber weitgehend allein geblieben.

    Google Scholar 

  26. Abweichend von fast allen anderen Fragegruppen (und teilweise der Gestaltung im Fragebogen selbst) ist hier der Analyse nur eine Skala von 1 (“Nein”) über 2 (“Enthaltung” und “Nicht-Abstimmung”) bis 3 (“Ja”) zugrunde gelegt.

    Google Scholar 

  27. Die Korrelationen zwischen den Items sind enttäuschend niedrig; auch Faktorenanalysen zeigen ein sehr diffuses Antwortverhalten.

    Google Scholar 

  28. Wenn man auf die außergewöhnlich hohe Quote von Auslassungen und “Nicht-Wählern” (21%) und Enthaltungen (36%) schaut, hat man in besonderem Maße den Eindruck, viele Befragte seien von dieser Frage — wie von anderen der hypothetischen Abstimmungen! — sachlich überfordert gewesen.

    Google Scholar 

  29. Der geringe Stellenwert “europäischer Zusammenarbeit” (vgl.3.5.2) (MGesamt = 3.13, MDtl = 3.49) und die geringe Bereitschaft zur “Abgabe von Souveränitätsrechten der Nationen” (vgl.3.2.1) (MGesamt = 2.88, MDtl = 2.88) sind ganz dizekte Belege für diese These.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1999 Leske + Budrich, Opladen

About this chapter

Cite this chapter

von Borries, B. (1999). Historisch-politische Identifikationen. In: Jugend und Geschichte. Reihe Schule und Gesellschaft, vol 21. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97451-8_3

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97451-8_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-2384-1

  • Online ISBN: 978-3-322-97451-8

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics