Zusammenfassung
Blättert man in den Monographien, die sich mit der deutschen Geschichte der Verbreitung und Durchsetzung des Automobils im 20. Jahrhundert befassen, dann fällt hinsichtlich der ersten Nachkriegsdekade in erster Linie auf, daß dieser Zeitraum zwischen 1945 und 1955 als »weißer Fleck« geschildert wird, über den anscheinend wenig zu berichten ist (Wolf 1992:160ff, 187ff; Sachs 1984:80–87). Offensichtlich mangelt es den ersten Nachkriegsjahren gegenüber den späten 50er und vor allem den 60er Jahren an kenntlichen Automobil-Konturen. Aus diesem Grunde werden die eigentlichen Impulse für die rasant anwachsende Motorisierungsdynamik seit Anfang der 60er Jahre eher der nationalsozialistischen Motorisierungspolitik zugeschrieben, ganz so, als habe sich unmittelbar nach Kriegsende im Bereich des Verkehrs nichts oder nicht viel bewegt, was die Aufmerksamkeit lohnt. Wenn man freilich der alten Fahrlehrerweisheit folgt, die da lautet: »Verlasse dich nie auf deinen Rückspiegel, weil es immer einen toten Winkel gibt!«, öffnet sich die Perspektive für eine genauere Rekonstruktion der Automobilisierung Deutschlands, nach der wichtige Weichenstellungen in die Autogesellschaft in der ersten Nachkriegsperiode fielen. Daß die Kraftfahrt-Interessenten mit dem Slogan “Wohlstand kommt auf guten Straßen” 1957 überzeugend darlegen konnten, daß der Anschluß an die weltweit wirksame technische Entwicklung, wirtschaftlicher Wohlstand und allgemeine Motorisierung zusammenfielen und daß dafür entsprechende staatliche Vorleistungen zu erbringen waren, machte nicht zuletzt deutlich, daß es allmählich gelang, die zahlreichen Vorbehalte in der deutschen Bevölkerung gegenüber einer schrankenlosen Ausbreitung des motorisierten Verkehrs in eine Haltung umzubiegen, die von den Kraftfahrt-Lobbyisten später als »Straßenbewußtheit« charakterisiert werden sollte. Eine wichtige Voraussetzung dieser Akzeptanz für eine an das Automobil angepaßte Umgestaltung der Verkehrsorganisation lag wiederum in der Reorganisation bzw. Neukonstituierung der Automobilverbände, wodurch sowohl propagandistische als auch praktische Bemühungen der Automobilisten als sozialer Community eine Basis erhielten, von der aus sich eine günstige verkehrspolitische Öffentlichkeit herstellen ließ.
Motto des 3. Deutschen Straßentages 1957, veranstaltet von der Deutschen Straßenliga (zit. n. MW, 7/1957:341).
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Kuhm, K. (1997). „Wohlstand kommt auf guten Straßen“. In: Moderne und Asphalt. Stadt, Raum und Gesellschaft, vol 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97448-8_2
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