Zusammenfassung
Kenias Weg in die Unabhängigkeit zeigt gewisse Parallelen zum obengeschilderten Fall der Côte d’Ivoire. Eine historische Führungspersönlichkeit, Jomo Kenyatta, wurde zum Symbol des Befreiungskampfes und zum ersten Präsidenten des seit 1963 unabhängigen kenianischen Staates. Im Unterschied zur Côte d’Ivoire war diese Unabhängigkeit angesichts der britischen Siedlerpräsenz nur um den Preis einer gewaltsam niedergeschlagenen Rebellion zu erreichen. Und während Houphouët-Boigny in der Phase nach dem zweiten Weltkrieg als Minister der französischen Regierung zum Machttaktiker geworden war, der zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit bereits alle politischen Konkurrenten ausgeschaltet hatte, war Kenyatta nach Jahren in britischen Gefangnissen mit einer Situation konfrontiert, in der konkurrierende politische Führer bereits eigene Klientel aufgebaut hatten.
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Literatur
So die These von Barkan (1992), 171. Die historische Herleitung folgt den hervorragenden Studien von Barkan (1987), (1992) sowie Throup (1993) und Widner (1992). Zur Kolonialalzeit vgl. Berman/Lonsdale (1992) und Ogot/Zeleza (1988).
Anläßlich eines Besuches in Nairobi im September 1991 betonte Außenminister Hurd, Großbritannien habe kein Recht, auf Kenias Justizpolitik Einfluß zu nehmen.
Die Treue zum Westen ging so weit, daß die kenianische Regierung Ostblockdiplomaten verbot, sich mehr als 25 Meilen außerhalb Nairobi zu bewegen, weil westlichen Diplomaten in Ostblockländern die gleiche Beschränkung auferlegt worden war (Africa Research Bulletin — Pol. Ser. 6844).
Vgl. zu Verbänden und NRO Kanyinga (1993) und Ngunyi/Gathiaka (1993).
Im Juli 1990 offenbarte sich der Regimekritiker und Schriftsteller Ngugi wa Thiongo als Sprecher von Mwakenya. Für liberale Kritiker Mois wie Kuria (1991:117) war Mwa-kenya relevant nur als Legitimation der Regierung zur Repression.
Wie groß das Mißtrauen gegenüber der Regierung war, zeigte sich daran, daß prominente Kikuyu-Minister wie Matiba Hubschrauber anmieteten, um Wahlorte aus der Luft zu filmen und nachträglich einen möglichen Wahlbetrug beweisen zu können.
Im Dezember 1989 kam es zum offenen Streit mit Moi, der die LSK seit langem in KANU hatte einverleiben wollen, nachdem bereits die Frauenorganisation Maendeleo Ya Wanawake und der zentrale Gewerkschaftsverband formell an KANU angegliedert worden waren.
Rubia und Matiba waren 1988 aus dem Kabinett ausgeschieden, bis dahin galt Matiba als eine der Stützen des Systems, Rubia hatte sich bereits seit 1986 durch Kritik am queue-voting und der Benachteiligung einheimischer Geschäftsleute hervorgetan.
Widner (1992:179) forciert diesen Punkt etwas zu sehr, wenn sie schreibt: “At the end of the 1980s and into 1990, calls for a multi-party system and for a simple loosening of political restrictions came principally from the Kenyan private business community. Few members of this group were publicly vocal in their protests, but discontent grew rapidly. The main concern was that the president was increasingly able to use his expanded powers to intervene in business matters.“
Matiba, Rubia und Raila Odinga blieben trotz ihrer Rehabilitierung als KANU-Mit-glieder weiter im Gefängnis, im März 1991 wurde auch der Herausgeber des Nairobi Law Monthly G.Imanyara verhaftet. Rubia wurde dann im April, Imanyara im Mai, Matiba und R. Odinga im Juni 1991 freigelassen.
Das Moi-Regime fand die Heranziehung des saba sa6a-Begriffs so bedrohlich, daß es seine Verwendung offiziell verbieten ließ, vgl. Haugerud (1995: 23).
KANU-Chairman Aringo sprach von absolute madness und folly; Energieminister Biwott von highest insult und folly (Daily Nation 3.1., 4.1.1990).
Widners Verweis (1992: 202), die Weltbank und US hätten die Gewähr weiterer Kredite an die Gewähr eines geheimen Wahlmodus für die Parlamentswahlen 1988 geknüpft, läßt sich empirisch nicht belegen.
Thatcher lobte Moi bei ihrem Besuch 1988 für “his strong and decisive leadership within a constitutional framework” (zit. Africa Research Bulletin — Pol. Ser. 8761).
Es war insofern einfach, Matiba und Rubia als Agenten der USA abzutun. Es könne kein Zufall sein, daß sie ausländische Journalisten eingeladen hätten. (Daily Nation 5.5.1990). Hempstone hatte im übrigen in dieser ersten Rede gar nicht die Einführung eines Mehrparteiensystems in Kenia gefordert, sondern lediglich darauf hingewiesen, daß es im Kongress entsprechende Bemühungen gebe (Daily Nation 9.5.1990). Deutschland hatte noch im Mai 1990 FZ-Mittel in Höhe von $ 55 Mio. (für zwei Jahre) und TZ in Höhe von $ 24 Mio. (für ein Jahr) bereitgestellt, womit Deutschland für das Jahr 1990 allein 10% der öffentlichen Entwicklungshilfe leistete, vgl. Bass (1994:14).
Für die Weekly Review (27.7.1990) “Kenyan leaders deeply resent what they see as blackmail by the donor countries like the US that have been vocal about their aid leverage. If the initial statements urging political changes were considered in bad taste, the additional threat to force change by withholding aid is just too much for local leaders.“
Für die erste britische Gruppe war das Review Committee “the only event in the country’s political history that would lead Kenya into a good future.“ Die zweite Delegation befürwortete eine Erhöhung der britischen Hilfe an Kenia wegen seiner hervorragenden politischen und wirtschaftlichen Stabilität (vgl. Daily Nation 15.9., 28.10.1990).
Der Appell ist abgedruckt in Frankfurter Rundschau, 21.11.1991.
Der US-Anteil betrug z.B. nur $ 28 Mio. (von insgesamt 350 Mio.).
Die Regierung verweigerte nur der Islamic Party of Kenya (IPK) die Registrierung.
Mehr als 60% der Führungsmitglieder in den Oppositionsparteien waren früher KANU-Funktionäre gewesen, vgl. Africa Confidential 6.11.1992.
Odinga und Kibaki hatten bereits vorher ihre Kandidatur bekanntgegeben.
Die tribal clashes ebbten nach den Wahlen ab, es kam aber bis zum Januar 1995 trotz massiven Polizeiaufgebots immer wieder zu neuen Attacken, was die Verdachtsmomente der Opposition noch verstärkte. Vgl. zu den Unruhen im Rift Valley Andreassen (1994), Harnischfeger (1994) und Human Rights Watch Africa (1994).
Vgl. für Einzelheiten des ursprünglichen Verfassungsentwurfs und der schließlich beschlossenen Regelung Daily Nation 4.3.1992 und Peters (1993), 241.
Ursprünglich waren es 17 Wahlkreise gewesen, auch hier hatte der High Court in sechs Fällen dem Widerspruch der Opposition stattgegeben.
Vgl. für Einzelheiten Peters (1993), 242f und Erdmann (1993).
Insofern ist Mair (1994a: 119) zuzustimmen: “Es kann keineswegs davon gesprochen werden, daß Kenias Wandlung von einem Ein- zu einem Mehrparteiensystem abgeschlossen ist und das Land nun in die Phase der Konsolidierung eintritt.”
Erst nach drei Jahren gab Raila Odinga im Januar 1997 diesen Kampf auf und gründete eine eigene Partei (National Development Party NDP).
Im Juni 1995 brachte Justizminister Wako ein neues Parteiengesetz ein, das die Zulassung Safinas verhindern sollte (wegen des religiösen Namens, Safina=Arche). Die interne und ausländische Kritik verhinderte die Verabschiedung dieser lex Safina, konnte aber deren Zulassung nicht erzwingen, vgl. Peters (1996b), 257.
Alle außer Matiba traten 1997 bei den Präsidentschaftswahlen an. Und Matiba verzichtete nicht zugunsten eines anderen Kandidaten, sondern boykottierte die Wahl.
So konnte die Opposition auf die Wählerregistrierung und Schaffung neuer Wahlkreise keinen Einfluß mehr nehmen, und auch die Beförderung Chesonis zum chief justice, der über Wahlbeschwerden entscheidet, nicht verhindern.
Da das Jahr 1997 nicht mehr in den Beobachtungszeitraum der Arbeit fällt, sind die Ausruhrungen notwendigerweise kursorisch.
In Wirklichkeit “wies das Budget deutliche Elemente eines Wahlkampfhaushalts auf, wodurch das Ziel der Defizitbegrenzung noch weiter an Glaubwürdigkeit einbüßte: Mehrere Steuern wurden gesenkt, Einkommensgrenzen für Steuerfreibeträge heraufgesetzt und die MwSt für PKW und Minibusse zurückgeschraubt.” (Peters 1993: 246). Gegenüber den bilateralen Gläubigern ließ die Regierung Zahlungsrückstände bis $ 500 Mio. auflaufen. Die Wachstumsrate des BSP sank von 2,2% (1991) auf 0,4% (1992). Im “Schattenüberkommen” mit der Weltbank hatte sich die Regierung zur Budgetbegrenzung, Reform des staatlichen Sektors, Korruptionsbekämpfung und Liberalisierung des Maishandels verpflichtet und dafür in Aussicht gestellt bekommen, die für 1992 geplante dritte Tranche des Strukturanpassungskredits erst 1993 ausgezahlt zu bekommen.
Es erscheint umso peinlicher, daß der französische Botschafter diesen bescheidenen Beitrag seines Landes mit folgender pathetischen Formulierung garnierte: “It is during times of financial difficulties that one knows one’s friends. Nobody would benefit today from the deterioriation of the economic situation. (..) To defend the economy and the standard of living is also part of defending democracy” (zit. nach Weekly Review 10.7.92).
Der Abschlußbericht des Commonwealth-Teams (Commonwealth Secretariat 1993) erwähnt freilich, daß sich nach einer Intervention von CW-Generalsekretär Emeka Anya-oku im November die Professionalität der Wahlkommission wesentlich verbessert habe.
Ohne Übertreibung kann behauptet werden, daß die Wahlen in Kenia einen Wendepunkt in der internationalen Wahlbeobachtung darstellten und eine Diskussion über fehlende Professionalität, zweifelhafte Standards und die politische Neutralität der Beobachterteams auslösten. “Hailed as the most important test-case of donor-imposed political conditionally, the Kenyan elections contributed to tarnishing the reputation of both the donors and the international observers” (Geisler 1993: 624).
Die britische Staatsministerin Chalker bekräftigte diese Linie anläßlich eines Besuchs in Kenia im Februar 1993. Die Opposition verweigerte sich mit Ausnahme Matibas einem Zusammentreffen und beschuldigte Großbritannien der Parteinahme für Moi.
Der Vorsitzende der kenianische Human Rights Commission Maina Kiai beantwortete diese Frage Ende Februar 1993 in einem Artikel für die Daily Nation mit ‘Nein’, wobei er insbesondere Defizite in der Einhaltung der Menschenrechte und der Good Governance sowie die ‘tribal clashes’ anführte.
Tatsächlich war die Inflation durch die unkontrollierte Ausweitung der Geldmenge in der zweiten Hälfte des Vorjahres begründet, die in erster Linie zur Finanzierung des Wahlkampfes und notleidend gewordener ‘politischer’ Banken gedient hatte.
So gab auch Japan noch vor dem Gebertreffen im November seinen Anteil der aufgehaltenen Kredite frei (vgl. Weekly Review 19.11.1993).
Die Gemeinsame Position, die die EU-Länder im Vorfeld des Gebertreffens erarbeitet hatten, betont besonders diesen Punkt, vgl. Indian Ocean Newsletter 27.11.1993.
Im Mittelpunkt heftiger Polemik stand vor allem der deutsche Botschafter Bernd Mützel-burg. Aber auch andere Diplomaten oder ausländische Gesandte wie der britische Labour-Abgeordnete Worthington, der im Juni 1994 Kenia bereiste, sparten nicht mit scharfer Kritik an der laschen Bekämpfung von Korruption und Menschenrechtsverletzungen. Worthington zufolge hatte Kanu nicht “the faintest idea of what was involved in having a multi-party democracy” (zit. Daily Nation 19.6.94).
Ihnen blieb, wie nach Dänemark auch Deutschland im Juni 1994 und Mai 1995 demonstrierte, immer noch die Möglichkeit, im Alleingang den eigenen Beitrag für Projekthilfe zu senken (im Fall Dtlds von DM 150 Mio. auf 49 Mio.), bzw. die FZ ganz zu streichen.
Besonders gravierend war das Eingeständnis der Regierung, die Zentralbank habe den bereits überführten Verantwortlichen für den Goldenberg-Skandal auch noch im Verlauf des Jahres 1993 Geld überwiesen. Der Goldenberg-Skandal drehte sich um ein fingiertes Gold-Exportgeschäft, für das eine Bank von der Zentralbank eine Exportversicherung in Höhe von $ 300 Mio. erhalten hatte. Diese Summe — beinahe der Gesamtbetrag der im November 1991 gesperrten Geberhilfen oder 12.5% des kenianischen Bruttoinlandsprodukts für das Jahr 1993 — mußte als Verlust abgeschrieben werden. Laut Transparency International war Kenia in den 90er Jahren zum drittkorruptesten Land der Erde arriviert (vgl. Peters 1997: 263).
Die kenianische Opposition hatte vergeblich in einem Memorandum die Gebergemeinschaft davor gewarnt und eine Verlängerung des partiellen Embargos verlangt (vgl. Weekly Review 22.7.1994). Eine geplante oppositionelle Drei-Mann-Delegation, die in Paris selbst den Standpunkt der Opposition hätte vertreten sollen, wurde in letzter Minute abgesagt.
Großbritannien sah nun auch keinen Grund mehr für das informelle Gebergremium DDGG, das den Demokratisierungsprozeß und die Verfassungsdiskussion seit 1992 begleitet hatte, und kündigte seine Mitarbeit auf.
Tatsächlich gab es bereits mehrere unabhängige Menschenrechtsorganisationen in Kenia, die die Regierung in ihren Aktivitäten massiv behinderte.
Zwischen 1991 und 1994 hatten sich die Auszahlungen der bilateralen Geber von jährlich $ 608 Mio. auf $ 400 reduziert. Der IWF hatte im gesamten Zeitraum 1992–1994 nur $ 46 Mio. ausgezahlt, vgl. OECD (1997), 120.
Vgl. den Text ihrer Pressekonferenz in East African 7.8.1995.
“Kenya does not understand why she should be bullied while her policies are not only favourable to the local people, but also to British businessmen who, from independence, continue to get good returns on their investments” (vgl. Weekly Review 4.8.1995).
Staatsminister Kipkalia Kones, der Hauptansprechpartner der Geber, wurde zudem bei der Kabinettsumbildung im Januar 1997 entlassen.
Auf die Ereignisse des Jahres 1997 kann hier nicht mehr eingegangen werden. Die Geber forderten in mehreren gemeinsamen Interventionen zum Dialog auf und unterstützten die beiden parlamentarischen, bzw. außerparlamentarischen Foren, in denen dieser Dialog schließlich stattfand. Moi gab ab Anfang August alle Versuche auf, einzelne Geberländer für seine Position einzunehmen.
Lediglich Matiba hatte sich 1993 um Kontakte zu britischen Labour-Politikern bemüht. Andererseits verfugte auch FORD-Kenya um Kontakte zur Internationalen Liberale, zur deutschen FDP und britischen Liberal Party.
Sie hatte sich bereits 1992 den Zorn der Regierung zugezogen, als die FNSt die Ausarbeitung eines oppositionellen Regierungsprogramms (Post-Election Programme) initiiert hatte. Neben FORD-Kenya war die FNSt später auch maßgeblich an der Entstehung des Mwangaza-Trust beteiligt gewesen.
Widner (1992: 230) zufolge haben internationale NRO oder extern unterstützte NRO im kenianischen Transitionsprozeß “an extremely limited role” gespielt.
Sambias abgewählter Staatschef Kaunda soll Moi 1991 empfohlen haben, faire Wahlen unter allen Umständen zu vermeiden (vgl. Bratton/vandeWalle 1997: 181)
Dies gilt ähnlich für den wirtschaftlichen Bereich, wo kurzfristige policy-Änderungen, nicht aber institutionelle Reformen durchgesetzt wurden. “Though it [World Bank] has been effective in placing economic reform on the policy agenda and getting the ball rolling, it has played afar less positive role in sustaining the process” (Gordon 1994: 257).
Mwakenya verlor mit der politischen Öffnung in Kenia seine Bedeutung; die Regierung hatte nun öffentlich agierende Feinde.
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Hartmann, C. (1999). Kenia. In: Externe Faktoren im Demokratisierungsprozeß. Junge Demokratien, vol 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97429-7_6
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