Zusammenfassung
Côte d’Ivoire wurde am 7.8.1960 unabhängig. Das Mehrparteiensystem der fünfziger Jahre war bereits vor der staatlichen Unabhängigkeit dem Einparteisystem des aus der ivorischen Pflanzerschicht hervorgegangenen Parti Démocratique de la Côte d’Ivoire (PDCI) gewichen. Unter Führung von Félix Houphouët-Boigny hatte der PDCI mit einer geschickten Mischung aus Kooptation von Oppositionellen, Zusammenarbeit mit den Kolonialbehörden und gleichzeitiger Betonung seiner Schlüsselrolle im antikolonialen Kampf (gegen die Zwangsarbeit) bis 1958 eine absolute Monopolstellung errungen, als den französischen Kolonien eine interne Autonomie zugestanden wurde. Bei den Wahlen zur Territorialversammlung 1957, der vorerst letzten Mehrparteienwahl, kamen oppositionelle Gruppierungen bei einem Stimmenanteil von 10,7% noch auf zwei Sitze.1 Die Unabhängigkeitsverfassung vom 3.11.1960 sah ein präsidentielles System vor, in dem ein auf fünf Jahre gewählter Präsident zugleich auch Regierungschef war und die Minister ernannte und entließ.2 Im Parlament saßen seit 1960 stets nur die auf der Liste der Einheitspartei gewählten Abgeordneten, eine Liste, die vom Präsidenten selbst zusammengestellt wurde. Formell wurde diese Verfassung von 1960 nie außer Kraft gesetzt.
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Literatur
Bei 60 zu vergebenden Mandaten. Die beiden gewählten Abgeordneten schlossen sich dann aber doch dem PDCI an. Für eine ausführliche Schilderung der politischen Entwicklung bis Anfang der achtziger Jahre vgl. Ziemer (1984).
Es handelte sich um die von den vier entente-Staaten gemeinsam im August 1960 ausgearbeitete Verfassung, die in der Côte d’Ivoire ohne Referendum von der Nationalversammlung mit 4/5 Mehrheit angenommen wurde.
Wichtigste Ausnahme ist das nie vollständig aufgeklärte Massaker von Gagnoa an Anhängern einer aus Bété-Angehörigen rekrutierten politisch-ethnischen Oppositionsbewegung im Jahr 1970. Denn bei aller Arithmetik blieb es bei der Dominanz der Baoulé-Bevölkerungsgruppe, der neben dem Präsidenten alle Innen- und Verteidigungsminister Côte d’Ivoires seit der Unabhängigkeit angehörten. Diese Konstellation wurde mit der Funktionslogik des UN-Sicherheitsrates verglichen: Einige sind permanente Mitglieder mit Veto-Recht, andere ethnische Gruppen sind nur von Zeit zu Zeit repräsentiert, aber keine hat das Gefühl, für immer ausgeschlossen zu sein.
Vgl. auch Glaser/Smith (1994:244) “Seulement, à l’époque, la Côte-d’Ivoire était une extension de la politique intérieure française, son avatar tropical “Seit 1980 sank die Zahl der französischen Experten von 4000 auf unter 1000. Mit über 26.000 Franzosen beherbergte die Côte d’Ivoire Ende der 80er Jahre noch immer das mit Abstand größte Kontingent von Auslandsfranzosen in Schwarzafrika.
Der Franzose Antoine Caesareo, der lange die wichtige Abteilung der Grands Travaux leitete, bevorzugte keineswegs automatisch französische Unternehmen bei der Auftragsvergabe und war der französischen Regierung am Ende ein Dorn im Auge, vgl. Africa international N°223.
Foccart (1995: 330f) berichtet, Houphouët-Boigny habe ihm eines Tages gesagt: „Ces Français me sont très utiles. Si j’avais un directeur de cabinet et un secretaire général ivoiriens, je serais colonisé par les Baoulés ou par d’autres. “Houphouët-Boigny bestellte bezeichnenderweise erneut einen französischen Ingenieur zum Nachfolger Caesareos.
Zwischen 1963 und 1993 wechselte der französische Botschafter nur ein einziges Mal, auf Jacques Raphael-Leygues folgte 1978/79 Michel Dupuch, der eine Woche vor Houphouëts Tod zurückbeordert wurde.
Die Bedeutung des in Port-Bouët stationierten Militärkontingents dürfte auch darin bestanden haben, mögliche Situationen zu verhindern, die eine ‘aktive Verteidigung’ notwendig gemacht hätten. In anderen frankophonen Staaten kam es gleichwohl trotz der französischen Militärpräsenz auch zu militärischen Revolten. Loucou ist inzwischen als Kabinettsdirektor von Präsident Bedié über diese strukturelle Bedeutung der französischen Armee nicht mehr unglücklich. Ähnlich auch Teya (1985), 86: “En verité, ce sont les Français qui veillent à conserver le pouvoir et la politique impopulaires du P.D.C.I. “
Declaration du Synares lors des Journées Nationales de Dialogue, sept. 1989, abgedruckt in La Voix du Synares No.3 (Abidjan, Octobre 1989).
Damit war die Regelung seiner Nachfolge gemeint Das Mehrparteiensystem war de iure in Kraft und es bedurfte daher auch keiner Verfassungsänderung, um es wieder zuzulassen.
Landwirtschaftsminister Denis Bra Kanon hatte den Bauern bereits am 3.7. mitgeteilt, daß der Preis von 400 F Cfa auf 250 F Cfa/kg. gesenkt würde.
Vgl. den Bericht bei Bailly (1995), 36ff, an dem sich, auch wo dies nicht im einzelnen belegt ist, die Chonologie der Ereignisse im wesentlichen orientiert. Zurückgegriffen wurde auch auf die Berichterstattung im Afrika-Jahrbuch sowie in Marches Tropicaux und SWB.
Der komplette Text ist abgedruckt in Fraternité Matin, 5.3.1990. Vgl. auch ‘Les fantômes et les fantasmes d’Houphouët’ in Libération (Paris), 6.3.1990.
Vgl. Le Monde 13.4.1990 und Marchés Tropicaux 6.4.1990. Gehälter unter 100.000 F Cfa (d.h. 2000 FF) wurden von den Einsparungen ganz ausgenommen. Die Gehaltskürzungen sollten durch Preissenkungen für Grundnahrungsmittel ausgeglichen werden.
Wörtlich sagte er: „Sile multipartisme est conçu comme un ordre politique pour le bien-être de tous — et non pas comme le mimétisme des courants venus d’ailleurs — alors il est possible d’oeuvrer patiemment et intelligement pour qu’il s’inscrive dans le paysage politique ivoirien et cela, démocratiquement, en tirant parti des promesses de notre Constitution et du réglement intérieur de l’Assemblée.” Zitiert nach Fraternité Matin 26.4.1990. Am 30.5. wurden die ersten neun Parteien offiziell zugelassen.
Houphouët-Boigny hatte die Sanktionspolitik der OAU nicht mitgetragen.
Diese Uneinigkeit der Opposition war nicht entscheidend. Houphouet-Boigny hätte auch dann keine Nationalkonferenz zugelassen, wenn sich der FPI diesen Forderungen angeschlossen hätte (was am 27.7.1990 der Fall war). Vgl. hierzu Nwokedi 1995, 110.
Studenten und Dozenten schalteten selbstverständlich morgens das Radio an, bevor sie zur Universität gingen. Vgl. den Beitrag des FPI-Mitglieds Yao-N’dré (1995) über die Rolle der osteuropäischen Ereignisse als détonateur du processus de démocratisation.
So Bailly (1995, 195). Minangoy wurde am 16.8. offiziell wegen einer Reportage über die ivorische Verwicklung in den Liberia-Krieg des Landes verwiesen. Bereits nach einem RFI-Bericht über die Unzufriedenheit der Kakao-Pflanzer nach der Senkung der Produzentenpreise 1989 hatteer eine Verwarnung erhalten. Im Mai 1991 wurde nach Berichten über den Militäreinsatz an der Universität der AFP-Bürochef Bernard Nicolas ausgewiesen.
Vgl. ein ähnliches Argument im Interview mit Le Monde 28.12.1989: „Mais si vous ne nous payez pas le juste prix, alors, nous ferons les frais de vos retrouvailles en Europe.“
Schulden gegenüber privaten Gläubigern machten 60% der Gesamtschulden aus. Vgl. für Einzelheiten Africa Confidential 19.2. und Marchés Tropicaux 11.3.1988. Der IWF-Kredit bestand aus zwei Tranchen, einer unmittelbar verfügbaren in Höhe von $ 112.5 Mio. und einer zweiten in Höhe von $ 127.8 Mio. bis zum 30.4.1989.
Laut Jeune Afrique (27.4.88) reisten die beiden Präsidentenberater Roland Dumas und Edgar Pisani nach Abidjan, um Houphouët-Boigny davon zu überzeugen, daß Mitterrand nicht hinter den regimekritischen Publikationen stehe. Der PS stand bereits seit 1986 im Ruf, an der politischen Zukunft Houphouët-Boignys zu zweifeln. Die damalige Chirac-Regierung hatte wiederholt die Sozialisten beschuldigt, unfähig zur Wahrung der guten Beziehungen mit Frankreichs alten Freunden zu sein. Houphouët-Boigny hatte seinerseits mit großer Wahrscheinlichkeit die neogaullistischen Kandidaten im Präsidentschaftswahlkampf 1988 gegen die Sozialisten finanziell unterstützt.
Einen Monat vor Rocard hatte bereits der neue Kooperationsminister Pelletier seinen ersten offiziellen Afrika-Besuch bei Houphouët-Boigny begonnen und versichert, daß „la France sera toujours aux côtés de la Côte d’Ivoire pendant cette période difficile sur le plan économique. “(zit. nach Marchés Tropicaux 17.6.1988).
So Gombeaud et al. 1990: 113. Auch Marchés Tropicaux 4.11.1988 sprach davon, daß sich im Herbst in Paris die interministeriellen Krisensitzungen gehäuft hätten „pour mettre au point une stratégie de soutien ‘raisonnable‘. “
Houphouët-Boigny hatte durch Verhandlungen mit dem amerikanischen Konzern Philip Brothers die französische Industrie mobilisiert, die wiederum ihren Einfluß in den Ministerien geltend machten.
Das neue Superministerium bekam auf Wunsch der Geber auch die Aufsicht über die Direction Grands Travaux.
Das Strukturanpassungsprogramm erforderte bis Ende 1990 einen Finanzierungsbedarf von $ 4 Mrd, von denen 3,5 Mrd. durch IWF, Weltbank und die Umschuldungsabkom-men mit dem Pariser Club abgedeckt waren, während die fehlenden 450 Mio. $ von den bilateralen Gebern übernommen wurden.
Zitiert nach EIU-Quarterly Report 1/1990, 33. Kritische Töne wurden vor allem von Japan geäußert. Zur Geberkonferenz vgl. ausführlich Marches Tropicaux 20.10.1989. Am 20.11. wurde auch das Bereitschaftskreditabkommen mit dem IWF in Höhe von $ 223,5 Mio. (mit 17-monatiger Laufzeit, auszahlbar in sechs gleichen Tranchen über je $ 37 Mio.) und am 18.12. ein Umschuldungsabkommen mit dem Pariser Club zu außergewöhnlich günstigen Bedingungen über insgesamt rd. $ 1 Mrd. unterzeichnet.
IWF-Chef Camdessus war Ende Dezember persönlich nach Abidjan gereist, um Präsident Houphouët-Boigny noch einmal auf die Reformen einzuschwören.
Michel Aurillac, langjähriger Berater Chiracs hat dessen Ausspruch im Jahre 1995 so gerechtfertigt: “Jacques Chirac a dit cela, il y a en effet cinq ans, en pensant à l’exemple ivoirien et en sortant d’un long entretien avec Houphouët, dont vous savez l’influence qu’il exerçait sur lui” (Jeune Afrique 30.3.1995).
Laurent Dona-Fologo als Anhänger des Einparteisystems bestätigte im Oktober 1990, die Geber hätten die Einhaltung der Menschenrechte und die Einfuhrung des Mehrparteiensystems eingefordert, vgl. Jeune Afrique 3.10.1990.
So Emile Boga-Doudou (FPI) im Gespräch mit dem Verfasser am 8.5.1996, Abidjan.
Dies läßt sich nicht wirklich belegen, wurde mir aber von mehreren Gesprächspartnern in Abidjan bestätigt (u.a. Boga-Doudou, Baillou und Dégni-Ségui).
Vgl. für zwei kontrastierende Darstellungen dieser Phase des sozialistischen Widerstands Kouassi (1996), 189f. und Loucou (1992), 132. Eines von Houphouët-Boignys meistzitierten Bonmots lautet sinngemäß: „Brauche ich ein paar Marxisten, schicke ich sie zur Universität nach Paris, suche ich hingegen Kapitalisten, so schicke ich sie nach Moskau.”
Synares-Generalsekretär Koudou im Gespräch mit dem Verf. am 28.5.1996. Erst als die Parteien 1990 das Zepter übernahmen, büßten die Gewerkschaften diese Rolle dann ein.
Vgl. zu den technischen und administrativen Hürden Dégni-Ségui (1993), 294, Conte/ Lavenue (1992), 14 und Widner (1991), 34. Das Wahlregister etwa war bereits 1987 mit Unterstützung eines Weltbank-Teams erstellt worden, der Opposition wurde bis zu den Wahlen jeder Einblick verwehrt.
Im Gegensatz zur der durch die Verfassungsänderung (Art. 12) noch verstärkten Rhetorik des PDCI, die eine wesentliche Veränderung des politischen Systems vermuten ließ, muß festgehalten werden, daß der Premierminister allein vom Präsidenten ernannt und ihm auch allein verantwortlich ist. Das Regierungssystem blieb unverändert präsidentiell, Änderungen erfolgten auf der Ebene der Regierungsorganisation.
„Dem Herausforderer L. Gbagbo wurde ein (beliebiges) Ergebnis von 18,3 Prozent der Stimmen zugewiesen” (Jansen/Mehler/Rohde 1996: 155). Aus den offiziellen Zahlen läßt sich immerhin ablesen, daß trotz der gestiegenen Zahl der Wahlberechtigten nur noch 2.445.365 Stimmen auf Houphouët-Boigny entfielen (gegenüber 3.152.057 bei den Präsidentschaftswahlen 1985).
Kandidaturen von Oppositionellen waren mit zweifelhaften formalen Einwänden zurückgewiesen worden, Oppositionskandidaten wechselten kurz vor den Wahlen zum PDCI zurück (als prominenteste Fälle E.Dialio und Lanciné G. Coulibaly) oder zogen aus “persönlichen Gründen” ihre Kandidatur zurück. Von ursprünglich 600 Kandidaten traten am Ende plötzlich nur noch 490 an, d.h. 110 Personen zogen in den letzten Tagen ihre Kandidatur zurück; vgl. Fauré (1991a), 39.
Gbagbo zufolge war es auch kein Zufall, daß der FPI mit neun Mandaten die Mindestzahl zur Bildung einer parlamentarischen Gruppe (zehn Mandate) nur knapp verfehlte. Vgl. das Interview mit Gbagbo in africa international, Février 1991.
Houphouët-Boigny versuchte durch Kooptation der oppositionellen Abgeordneten jeden Widerstand im Keim zu ersticken. Drei der neun FPI-Mitglieder und der einzige PIT-Abgeordnete wurden im Mai ins Parlamentspräsidium gewählt. 1994 wechselten zwei FPI-Abgeordnete zur PDCI über.
So Jakobeit (1993b:90), vgl. auch Bailly (1995: 244f): „Fondamentalement, deux ans de pratique de multipartisme n ‘ont rien changé à la gestion de la vie politique et économique en Côte d’Ivoire. La crise s’aggrave. La scène politique reste marquée par le pouvoir autocratique du président de la République et l’omniprésence du PDCI-RDA.”
Da zugleich zwei FPI-Abgeordnete zum PDCI überwechselten, sah das Kräfteverhältnis im Parlament wiefolgt aus: 156 PDCI (+ 2 Unabhängige), 9 RDR, 7 FPI, 1 PIT.
PDCI-Generalsekretär Dona-Fologo hatte noch wenige Monate zuvor das Wahlrecht für afrikanische Mitbürger bestätigt und blieb auch nach der Verabschiedung des code electoral bei seinen Zweifeln. Angesichts der Tatsache, daß die Registrierung von Bürgern in Westafrika erst Ende der 50er Jahre begonnen hatte, wurden die Bestimmungen für praktisch nicht umsetzbar gehalten.
Zugleich gelang es ihr, die ursprüngliche Oppositionsforderung, den Migranten das Wahlrecht zu entziehen (da diese stets für Houphouët-Boigny gestimmt hatten), nun zu übernehmen und nationalistisch umzumünzen. Denn die Migranten hätten dieses Mal nicht mehr für den PDCI, sondern den RDR gestimmt.
Wahrscheinlich hatte eine am 1.5. angekündigte Lohnsteigerung das Ziel, der Oppositionsdemonstration vom 4.5. den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Vgl. Marches Tropicaux 21.7.1995. Am 6.9. wurde schließlich die Bildung einer nationalen Wahlkommission angekündigt, die lediglich den Ablauf der Wahlen überwachen sollte und von der Opposition zurückgewiesen wurde.
Dies galt für die Wahlkreiseinteilung und die Registrierung, die auf dem Land nur selektiv erfolge und Wählerausweise mit zahlreichen formalen Fehlern produziere (wie Oppo-sitionspolitiker Bamba Morifere mit Verweis auf seinen eigenen Wählerausweis demonstrierte). Das Wahlsystem war insofern geändert worden, als der zweite Wahlgang der Präsidentschaftswahlen nicht den beiden bestplazierten Kandidaten vorbehalten blieb und die relative Stimmenmehrheit ausreichte (vgl. Marches Tropicaux 28.7.1995).
Wie sehr sich Bédié und seine Partei immer noch als Einheitspartei fühlten, wurde deutlich, als der Präsident in seiner programmatischen Rede zurückwies, Kandidat einer Partei zu sein: „Même si je compte, vous le savez, sur votre ardent concours, je ne serai pas seulement le candidat d’un parti. Je ne serai pas davantage le candidat d’une ethnie ou d’une croyance particulières.“ Discours-Programme prononcé à la Convention Nationale du PDCI-RDA à Yamoussoukrou 26.8.1996, zit. nach Bédié (1995: 28).
R.Dégni-Ségui bestätigte dem Verf. gegenüber im Gespräch (Abidjan 7.5.1996) die Verantwortung des Präsidenten für das Scheitern der Vermittlung. Er wies auch daraufhin, daß die Überprüfung der Wahlregister Abweichungen von der Realität zu Tage brachten, die weit über die von der UN akzeptierte Toleranzbreite hinausgingen (bis zu 30%).
Daß das konfrontative Vorgehen von Präsident Bédié auch in der Regierung nicht völlig unumstritten war, zeigte die Entlassung von Generalstabschef Robert Gueï am Vortag der Präsidentschaftswahlen. Was sich im Militärapparat tatsächlich abspielte, und auf wieviel Sympathisanten die Opposition dort tatsächlich zählen konnte, läßt sich nicht klären, doch dürften Vermutungen, daß der Generalstabschef sich weigerte, die Armee zur Durchbrechung des “aktiven Boykotts” einzusetzen, am plausibelsten sein. Bédié konnte sich freilich in jedem Fall auf die paramilitärischen Gendarmerie-Einheiten stützen. Die Pariser Zeitung Libération (23.10.) vertrat die Ansicht, die Opposition habe mit ihrer Strategie des ‘aktiven Boykotts’ ein arbitrage militaire durch die Armee zu ihren Gunsten erzwingen wollen.
Natürlich drängten auch lokal mächtige Parteiführer (vor allem aus der RDR) darauf, ihre Wahlchancen nicht einfach zu kompromittieren, vgl. Mehler (1996), 181.
Er konnte schließlich nach dem Einspruch seiner Anwälte doch kandidieren.
Nach Meinung der meisten Gesprächspartner wären Vertreibungen in der aufgeladenen Stimmung politisierter Ethnizität, wie sie seit Verabschiedung des Wahlgesetzes vorherrschte, denkbar, auch wenn die Schilderung der Ereignisse durch die Regierung (die von RFI ungeprüft an die internationale Presse weitervermittelt wurde) eine manipulative Umdeutung tatsächlicher Vorkommnisse nahelegt. So wurde etwa die Identität der Toten nie offengelegt.
Die Oppositionsparteien monierten völlig zurecht, daß sich in anderen Wahlkreisen, etwa in Buyo, San Pedro, Tabou oder Odienné, wo sogar die Präfektur in Brand gesteckt worden war und nicht zuletzt in der Stadt Gagnoa, während und nach den Präsidentschaftswahlen weitaus gravierendere Zwischenfälle ereignet hätten, ohne daß dies dort zur Suspension der Parlamentswahlen geführt hatte.
In einigen Wahlkreisen traten auch “unabhängige” gegen offizielle RDR-Kandidaten an.
Die Resultate belegen freilich, „que la désunion du Front républicain aux législatives n’a pas changé fondamentalement l’équilibre de l’hémicycle. Je conviens cependant que la question ne peut pas se trancher de façon arithmétique puisqu’il est difficile de quantifier l’impact psychologique sur l’opinion d’une liste d’union du Front républicain” (Abou D. Sangaré, FPI in: Le Nouvel Horizon 8.12.1995). In lediglich 16 Wahlkreisen erreichten die siegreichen PDCI-Kandidaten weniger Stimmen als die unterlegenen FPI-und RDR-Kandidaten zusammen.
Im Juni 1996 waren noch 227 politische Gefangene (von ursprünglich 442 Verhafteten) des boycotte actif in den Gefängnissen, vgl. La Voie 13.6.1996.
Innerhalb zwei Jahren Amtszeit waren unter Präsident Bédié mehr Journalisten im Gefängnis gelandet als in der gesamten Amtszeit seines Vorgängers.
Mittelfristig dürften die Teilsiege von RDR und FPI bei den Kommunalwahlen 1996 das Bewußtsein für die demokratischen Funktionen und Möglichkeiten der lokalen Politikebene auf Seiten der Opposition stärken. Hinsichtlich des RDR stellt sich die Frage, ob es ihm um die Demokratisierung des Landes geht, oder darum, „ une alternance politique à caractère ethnico-religieux” (Tiemoko 1995: 148) zu sichern.
Dieser gebundene Kredit diente freilich der Rückzahlung von Schulden gegenüber französischen Unternehmen.
Das sind FF 1,6 Mrd, zu denen FF 3,2 Mrd. an Umschuldungen hinzuzufügen sind.
Der FPI wurde als einzige afrikanische Partei neben dem Parti socialiste sénégalais und dem Mouvement Militant Mauricien zum Parteitag des französischen PS in Rennes 1990 eingeladen, gegen den Widerstand der cellule africaine des Elysée, die auch eine Einladung von sich reformierenden Einheitsparteien gewünscht hatte, vgl. Tedga (1991), 156.
Daß dies eine Konzession an die Demokratieforderungen der Geber war, wie Tedga (1991), 160 meint, ist jedoch völlig unwahrscheinlich. Zu sehr ähnelt es dem klassischen Kooptationsmuster, das auf individuelle Belohnung (drei Oppositionelle werden ins Büro der Assemblée gewählt) statt institutionelle Prozesse (Oppositionsstatut o.a.) vertraut.
Das sind FF 2,2 Mrd. Vgl. hierzu Schraeder (1995), 552 und Africa Research Bulletin -Econ. Ser. 10972. Es bleibt anzumerken, daß die Freigabe der französischen Kredite im August nach der Freilassung der Oppositionellen zum 31.7.1992 erfolgte.
Bei seiner Pressekonferenz am 1.10.1992 räumte Ouattara zwar indirekt administrative Blockaden ein, sprach aber von einer deutlichen Verbesserung der öffentlichen Haushalte (Reduzierung der laufenden Ausgaben um 25%). Er erklärte zugleich, daß die vom IWF geforderten Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst weiterhin politisch nicht machbar seien, und man sich mit Programmen zum freiwilligen Ausscheiden begnügen müsse.
Die Weltbank hatte 1991–92 $ 456 Mio. bewilligt (davon nur ca. $ 100 Mio. ausgezahlt), während sie 1992–93 nur noch $ 24 Mio. bewilligte (und $ 2,7 Mio. auszahlte), vgl. OECD (1997), 84..
Rund 75% aller bi- und multilateralen Auszahlungen entfielen 1993 auf Frankreich, das wieder die Bezahlung der Schuldzinsen übernommen hatte (OECD 1997: 84).
In Senegal war nach den Wahlen 1993 der führende Oppositionspolitiker Abdoulaye Wade als Staatsminister in die Regierung eingetreten.
Die Abwertung machte auch den Weg frei für eine neue Umschuldung im Pariser Club, bei der sich die Geber (Frankreich, Kanada, Deutschland, Schweiz) zu Entschuldungen bis zu 50% der bilateralen Schulden entschlossen. Damit hatte sich der Schuldenberg von $ 19,1 Mrd. freilich nur um bescheidene $ 800 Mio. verringert.
Vgl. OECD 1997. Auf ganz Afrika bezogen, rangiert nur Ägypten vor der Côte d’Ivoire. Dies gilt auch für die tatsächlichen Auszahlungen, die sogar knapp $ 1,6 Mrd. für 1994 ausweisen.
Vgl. etwa den Kommentar in Marchés Tropicaux vom 22.7.1994. Frankreich bewilligte 1994 allein F Cfa 1,45 Mrd. an Krediten und Budgethilfen.
Vgl. Africa Confidential 21.10.1994 und Bayart (1995), 49. Die Tendenz einer wachsenden Korruption wurde 1996 von vielen Beobachtern in Abidjan geteilt.
Dies wurde dem Verf. von der deutschen (3.5.1996) und französischen Botschaft (23.5.1996) in Abidjan bestätigt. Vgl. zum Gebertreffen auch Marchés Africains N°1047 (21.6.1995), Marchés Tropicaux 14.7.1995. Hinzu kommen F Cfa 21 Mrd. an Stabex-Mitteln, die im August 1995 freigegeben wurden. Frankreich leistete auch für das Jahr 1995 ca. FF 2 Mrd. als Programm- und Projekthilfe.
Die Summe wurde genannt von Premier Duncan in Jeune Afrique N°l796 (8.6.1995), 53. Frankreich unterstützte die Wahlen mit F Cfa 1,5 Mrd., sowie weiteren F Cfa 1 Mrd. für die Polizei im Rahmen eines Programms zur ‘Stabilisierung demokratischer Institutionen’. Initiativen wie die der Ebert-Stiftung zur Anstiftung einer Wahlrechtsdiskussion waren nicht mit dem Auswärtigen Amt koordiniert oder von diesem beauftragt.
Bédié hatte zusätzlich zu den von UNDP koordinierten Wahlbeobachtern weitere ‘eingeladene’ Beobachter aus afrikanischen Nachbarländern aufgeboten, die er aber bereits vor dem debriefing wieder ausfliegen ließ. Vgl. den Bericht der deutschen Beobachtermission Jansen/Mehler/Rohde(1996), 158.
Vgl. Le Républicain Ivoirien (Abidjan), 25.10.1995. Die deutschen Beobachter hielten die offiziellen Zahlen ‘für völlig ausgeschlossen.’
Vgl. die Äußerungen von RDR-Chef Djeni Kobina in Marchés Tropicaux 7.7.1995, 1420. RDR-Vize Coulibaly bestätigte dem Verf. (Abidjan 6.5.1996) die französischen Bemühungen, Ouattara auf das Jahr 2000 zu vertrösten.
Dabei traf Laurent Gbagbo sogar mit Jacques Foccart zusammen.
So Emmanuel Farcot, (frz. Botschaft Abidjan) im Gespräch mit dem Verf. am 23.5.1996.
„La France sera à vos côtés, Monsieur le Président de la République pour la longue période qui s’ouvre devant vous.“ (zit La Lettre du Continent N°243 v.5.10.1995). Am gleichen Tag hatte die Polizei zwei Demonstranten erschossen. Der gleiche Godfrain wies dann am 12.10. vor dem außenpolitischen Ausschuß des französischen Parlaments alle Vorwürfe zurück und sagte, “la France n’apportait aucun appui partisan au gouvernement ivoirien pour la tenue des élections, l’aide se limitant à l’envoi d’observateurs internationaux et à la fourniture de moyens matériels nécessaires au bon déroulement des opérations électorales” (zit. Marchés Tropicaux 20.10.1995).
Information US-Botschaft, Abidjan; Amadou Coulibaly (RDR) und Emile Boga-Doudou (FPI) bestätigten diese Version.
Vgl. den Abdruck des vorläufigen NDI/AAI-Bericht in Le Républicain Ivoirien (Abidjan), 30.11.1995.
Auftritte von PS-Delegierten bei Parteiveranstaltungen wie Fêtes de la Liberté, Aktivitäten der PS-Stiftungen Fondation Jean-Jaurès (1992), Fondation France Liberté (1993).
Lange war Ouattara in Paris gegenüber dem tumb wirkenden und amerikanischer Sympathien verdächtigten Bédié favorisiert worden. Daß Ouattara zwischenzeitlich in Paris “vorne lag”, berichten übereinstimmend die spezialisierten Informationsdienste Lettre du Continent, Marchés Tropicaux und Africa Confidential. Ouattara pflegte stets vertrauliche Kontakte zu einigen französischen Großunternehmen wie Bouygues; vgl. Smith/Glaser (1992), 43ff.
Eine Studie von Béatrice Hibou für das CAP (Centre d’analyse et de prévision) des Außenministeriums, die Anfang Oktober 1995 publik wurde, hatte die vorherrschende Geberperzeption der Côte d’Ivoire heftig kritisiert: Kurzfristige wirtschaftliche Erfolge könnten die langfristigen politischen Probleme nicht kaschieren: “développement des pratiques d’exclusion, instrumentalisation (voire création) des sentiments xénophobes, accroissement consécutif des tensions sociales, crispation du pouvoir et réactions démesurées face aux ‘dangers’ tout à fait minimes que représentent l’opposition et la presse qui lui est liée, reconstitution de reseaux déprédation” Vgl. Lettre du Continent N°244 (19.10.95).
Bedié hatte den Ausschluß der afrikanischen Arbeitsmigranten, die unter seinem Vorgänger Houphouët-Boigny noch hatten mitwählen dürfen, mit der Gefahr ausländischer Einflußnahme begründet, „afin d’éviter que, par des voies obliques ou de façon insidieuse, des influences étrangères parviennent à mettre en danger notre indépendance “ (zit Marchés Tropicaux 18.8. 1995). Tiemoko (1995: 48) sah hier völlig zurecht eine gewisse Blindheit vor den realen Gefahren für die Unabhängigkeit: “Il est paradoxal dans la mesure où il ne remet guère en cause la tutelle française qui continue de s’exercer depuis l’indépendance: prépondérance des intérêts métropolitains dans l’économie renforcée lors des récentes privatisations (eau, électricité, téléphone, hydrocarbures, etc.) forces militaires prédispotionnés, influences culturelles et politiques indéniables, etc.“
FPI-Generalsekretär Boga-Doudou hat einer französischen Angst vor dem Wahlsieg des FPI so entgegenzuwirken versucht: „Rien ne permet donc de dire que ceux qui vont accéder au pouvoir vont être hostiles aux intérêts français. (…) Aujourd’hui, nous avons suffisamment démontré que nous n’avons aucune raison d’être hostiles aux français en tant que tels.“ (La Voie 25.5.1996) Im Gegensatz zu Boga-Doudou gaben Vertreter des radikalen Parteiflügels ihr Bedauern über diese Abschwächung der Positionen deutlich zum Ausdruck, so F.Krékré im Gespräch mit dem Verf. am 29.5.1996 in Abidjan.
Die sich nicht einfach mit der ‘pluralen Ausgestaltung’ der deutschen Außenpolitik entschuldigen lassen, wenn etwa die Ebert-Stiftung nationale Wahlhelfer ausbildet, denen Bédié die Akkreditierung verweigert und der deutsche Botschafter sich trotzdem beeilt, dem so gewählten Präsidenten noch vor der Erklärung des Verfassungsrats zum Sieg zu gratulieren.
Dies bestätigten mir die FPI-Gesprächspartner Oulaye, Krékré und Boga-Doudou, die daraufhinwiesen, daß es sich dabei nicht um materielle Zuwendungen handele.
Djeni Kobina nach der Rückkehr von einer Tagung der Internationalen Liberalen in den Niederlanden (5.–9.6.1996), zitiert nach Le Populaire (Abidjan) 14.6.1996 in einem Artikel mit der Überschrift „Nous sommes dans la cour des grands “.
Bakary (1992: 144) hat darauf hingewiesen, daß seit der Unabhängigkeit in zahlreichen Auseinandersetzungen (Sanwi, Guebié, Gagnoa, Studentenstreiks) die Taktik der Regierenden darin bestanden hatte, de “transposer toujours des revendications de nature corporatiste sur les terrains politiques ou ethniques qu’ils maîtrisent plus, quitte par la suite à satisfaire les revendications à l’origine des grèves.“
Degni-Ségui (1993), 291; er räumte im Gespräch mit dem Verf. (7.5.1996, Abidjan) ein, daß es schon überraschend sei, wie abrupt 1990 die Proteste eine politische Schlagseite bekommen hätten.
Es gab natürlich immer wieder Warnungen der Intellektuellen vor dem mimétisme institutionnel, der konflikterzeugend wirke, so etwa L. Sylla in Le Populaire 3.6.1996.
Auch faktisch schienen sich die Befürchtungen zu bewahrheiten, wie die “pünktlich” zu den Wahlen stattgerundenen “ethnischen Vertreibungen” im Bété-Land beweisen.
Vgl. die Sammlung seiner Wahlkampfreden in Bédié (1995).
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Hartmann, C. (1999). Côte d’Ivoire. In: Externe Faktoren im Demokratisierungsprozeß. Junge Demokratien, vol 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97429-7_5
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