Zusammenfassung
Wer die Veränderungen, die wir heute erleben, mit nüchternem Blick wahrnimmt, muß den Eindruck gewinnen, daß der technische Wandel die alles bestimmende Größe darstellt. In den Einzelheiten mag man hier Differenzierungen anbringen. So spricht Gehlen von der „Superstruktur“, in der wissenschaftliche Forschung, technische Anwendung und industrielle Auswertung eine unauflösliche Einheit bilden.1 Andere Beobachter werden die nationübergreifenden ökonomischen Konzentrationsprozesse und den euphemistisch als Globalisierung bezeichneten weltweiten Konkurrenzkampf in den Vordergrund stellen; demnach würden dann die Gewinnerwartungen des flexibel operierenden Finanzkapitals eine entscheidende Rolle spielen. Doch die Ökonomie und das Kapital bestimmen das Geschehen nicht aus eigenem Antrieb; die konkreten Inhalte liefert der gegenwärtig vorliegende oder in der nahen Zukunft zu erwartende technische Wandel, der sich damit als die letzten Endes entscheidende Instanz erweist.
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Literatur
A. Gehlen, Die Seele im technischen Zeitalter, Hamburg 1957, 14 u. 54.
Diese Unterscheidung wird eingeführt in der bekannten Abhandlung von T. S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt a. M. 1967.
A. N. Whitehead, Science and the Modern World, Cambridge, Mass. 1930, 120: „The greatest invention of the nineteenth century was the invention of the method of invention. A new method entered into life. […] The prophecy of Francis Bacon has now been fulfilled.“
So heißt es bei F. Bacon (Neu-Atlantis, Leipzig 1959, 49) bei der Beschreibung des „Hauses Salomons“ ausdrücklich: „Der Zweck unserer Gründung ist es, die Ursachen und Bewegungen, sowie die verborgenen Kräfte in der Natur zu ergründen und die Grenzen der menschlichen Macht soweit wie möglich zu erweitern.”
Der entsprechende Passus bei Descartes (Discours de la Methode/Von der Methode, Hamburg 1960, 101) lautet: „[…], daß es möglich ist, zu Kenntnissen zu kommen, die von großem Nutzen für das Leben sind, und statt jener spekulativen Philosophie, die in den Schulen gelehrt wird, eine praktische zu finden, die uns die Kraft und Wirkungsweise des Feuers, des Wassers, der Luft, der Sterne, der Himmelsmaterie und aller anderen Körper, die uns umgeben, ebenso genau kennen lehrt, wie wir die verschiedenen Techniken unserer Handwerker kennen, so daß wir sie auf ebendieselbe Weise zu allen Zwecken, für die sie geeignet sind, verwenden und uns so zu Herren und Eigentümern der Natur machen könnten.“
Vergleiche dazu W. Leiss, The Domination of Nature, New York 1972, sowie L. Schäfer, Das Bacon-Projekt: Von der Erkenntnis, Nutzung und Schonung der Natur, Frankfurt a. M. 1993.
Näheres dazu enthält mein Artikel „Technik und Naturwissenschaft“ und die Kritik daran in: Ethik und Sozialwissenschaften 7 (1996), Heft 2/3, insbesondere 423–426 u. 492.
Belege dafür, daß nicht immer so verfahren wurde, bringt F. Klemm, Technik: Eine Geschichte ihrer Probleme, Freiburg/München 1954, 5–28.
Das belegt u.a. der Versuch zur Unterscheidung zwischen höheren und niederen Bedürfnissen von A. Maslow, Motivation und Persönlichkeit, Olten 1977, 153–162.
F. Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, Werke ed. Schlechta, Bd. 2, München 1966, 623.
Siehe dazu den Artikel „Anthropologie“ von O. Marquard in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, Darmstadt 1971, Sp. 362–374.
L. von Ranke, Über die Epochen der neueren Geschichte, Darmstadt 1954, 7.
I. Kant, Rezension zu Johann Gottfried Herders Ideen, Werke ed. Weischedel, Bd. 6, Darmstadt 1964, 804; zur allgemeinen Problematik des Vergleichs verschiedener Lebensstile siehe R. G. Collingwood, Philosophie der Geschichte, Stuttgart 1955, 339–349, sowie F. Rapp, Fortschritt: Entwicklung und Sinngehalt einer philosophischen Idee, Darmstadt 1992, 29–33.
J. Ortega y Gasset, Betrachtungen über die Technik, Stuttgart 1949, 50.
Diese Auffassung vertreten in der Nachfolge von Marx z.B. S. Moscovici, Versuch über die menschliche Geschichte der Natur, Frankfurt a. M. 1982 und D. Ribeiro, Der zivilisatorische Prozeß, Frankfurt a. M. 1971.
M. Weber, Wissenschaft als Beruf, Berlin 1967, 27f.
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© 1998 Leske + Budrich, Opladen
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Rapp, F. (1998). Technischer Wandel als selbstgewähltes Schicksal. In: Lenk, H., Maring, M. (eds) Technikethik und Wirtschaftsethik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97402-0_9
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