Zusammenfassung
Straftaten Jugendlicher (zur Tatzeit 14–17 Jahre alt) und Heranwachsender (zur Tatzeit 18–20 Jahre alt) unterliegen den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) aus dem Jahre 1953, das eine Fortentwicklung des Reichsjugendgerichtsgesetzes aus dem Jahre 1923 darstellt. Trotz mehrfacher Änderungen enthält das JGG immer noch Begriffe wie z.B. „schädliche Neigungen“, „Zuchtmittel“, „Erziehungsmaßregeln“, die mit modernen Erziehungsprinzipien nicht zu vereinbaren sind, da sie noch heute die frühere Tendenz des Jugendstrafrechts — Erziehung zu Zucht und Ordnung — aufzeigen. Trotz dieser weitgehend veralteten Begriffe gibt das Gesetz den Richtern einen außerordentlich großen Maßnahmen-Spielraum, der es ermöglichen soll, in jedem Einzelfall eine pädagogisch vernünftige Reaktion auf die Straftat des Jugendlichen zu treffen. Dabei steht der Erziehungsgedanke ganz im Vordergrund der richterlichen Maßnahmen, während der Sühnegedanke allenfalls noch bei Kapitalverbrechen (z.B. Mord, Totschlag) eine Rolle spielt. Die Tätigkeit des Jugendrichters ist eigentlich mehr Sozialpädagogik als Juristerei. Trotz aller nach dem JGG möglichen richterlichen Erziehungshilfen darf man die Effektivität der getroffenen Maßnahmen jedoch nicht überbewerten. Bei in der Entwicklung schwer gestörten Jugendlichen reichen die Mittel des Jugendrichters selten aus, um eine jahrelang fehlgelaufene Sozialisation aufzufangen und auf Dauer in positive Bahnen zu lenken. Mit der Jugendstrafe ist heute bei realistischer Einschätzung nicht viel mehr zu erreichen, als die Verurteilten an ein äußerlich geordnetes Leben zu gewöhnen (Arbeitstraining, sinnvolle Freizeitgestaltung — wobei diese allerdings wenig den Bedingungen in der Freiheit entspricht — und sie in der Ausbildung zu fördern, z.B. Hauptschulabschluß, Kurzausbildung in einigen Grundberufen). Die Rückfallquote, die je nach Jugendstrafanstalt zwischen 40 und 70% schwankt, macht deutlich, daß die Möglichkeiten der Jugendstrafanstalten nicht ausreichen, den jugendlichen Straftätern eine effektive Hilfe bei der Bewältigung von Konfliktsituationen zu gewähren und sie zu eigenverantwortlichem Verhalten im Rahmen der bestehenden gesellschaftlichen Regeln zu führen. Das Dilemma liegt in dem eigentlich nicht aufzulösenden Widerspruch zwischen Vollzugsanspruch (Resozialisierung, Erziehung) und der Realität des Knastalltages, der mit den Bedingungen in der Freiheit wenig gemeinsam hat.
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© 1997 Leske + Budrich, Opladen
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Lüthke, A., Müller, I. (1997). Strafen und Maßnahmen bei Jugendlichen und Heranwachsenden. In: Strafjustiz für Nicht-Juristen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97384-9_5
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-1849-6
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