Zusammenfassung
Ob die Entfremdung der klassischen Philologie vom Altertum, ihrem Gegenstand, dem methodischen Ansatz dieser Wissenschaft entspringe oder mit außerwissenschaftlichen Mitteln rückgängig zu machen sei, diese Frage ist so alt wie die Geschichte des Faches an deutschen Universitäten. Sie stellt sich zuerst bei Friedrich August Wolf, der durch die bald nach seiner Berufung nach Halle erfolgte Gründung des Philologischen Seminars (am 15. Oktober 1787) mit Blick auf eine humanistisch orientierte Lehrerbildimg in Preußen und darüber hinaus seine Organisation in Lehre und Forschung beispielhaft geprägt hat1. Es ist die streng wissenschaftliche Denkform der historischen Kritik des poetischen Kanons „klassischer“ Schriftwerke, die das Fragen von Dichtern und Liebhabern philologischer Kenntnisse nach verschiedenen „Gesichtspunkten“ motiviert, aus denen das Altertum betrachtet und vielleicht sogar in seinen kritisch geläuterten Dichtformen für die Moderne „nachgeahmt“ werden könnte. So hat schon Goethe die klassischen Philologen seiner Zeit mit Wolf an der Spitze gefragt, der den Mut hatte, die herausfordernden Fragen des Dichters aufzunehmen. Und seine Fragestellung hat dann das Gespräch der klassischen deutschen Dichtimg und Philologie lange Zeit begleitet: von Hölderlin und dem jungen Friedrich Schlegel abwärts bis hin zum jungen Nietzsche.
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Literatur
Vgl. M. Fuhrmann, Friedrich August Wolf. Zur 200. Wiederkehr seines Geburtstages am 15. Februar 1959, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Bd. 33 (1959), S. 187ff.
Nachgelassene Fragmente, März 1875, 3 [59], CM 8, S. 30. Nietzsche bezieht sich auf Wolfs ‚Kleine Schriften‘, hrsg. von G. Bernhardy, Bd. II, Halle 1869, S. 836.
Nachgelassene Fragmente, Ende April 1870 — April 1871, 7 [79], CM 7, S. 156.
Nachgelassene Fragmente, Frühling-Sommer 1875, 5 [109, 111], CM 8, S. 96; Einleitung in das Studium der klassischen Philologie (1871), in: Nietzsches Werke, Bd. XVII, Philologica, hrsg. von E. Holzner, Bd. 1, Leipzig 1910, S. 333. Vgl. Wolfs,Kleine Schriften’ Bd. II, S. 684f.
Vgl. M. Bernays (Hrsg.), Goethes Briefe an Friedrich August Wolf, Berlin 1868, S. 65.
Vgl. die Übersicht von Wolfs Leitfaden zu seinen Vorlesungen bei W. Körte, Bd. 1, S. 164ff. sowie des Lehrkurses, ebd., S. 174ff.
Vgl. A. Grafton/G. W. Most/J. E. G. Zetzel (Ed.s), F. A. Wolf, Prolegoma to Homer, Princeton (New Jersey), 1988, Introduction, p. 5–35. Was Wolf während der Berliner Zeit von seinem Plan ausführte, war lediglich der erste Teil einer Platon-Auswahl (Piatonis dialogorum delectus pars I: Euthyphro etc., 1812).
I. Entwurf zu Einleitungen des Kapitels über Schleiermachers Platon, in: Leben Schleiermachers, hrsg. von M. Redeker, Bd. I 2, Göttingen 1970, S. 58 (= Dilthey, Gesammelte Schriften, Bd. XIII 2), S. 58.
Vgl. ebd., S. 58 mit den Ausführungen in: Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften, Ges. Schriften Bd. VII, S. 96.
Kleine Schriften, Bd. II, S. 739.
Vgl. H. G. Gräf/A. Leitzmann, Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, Frankfurt/Wien/Zürich, o. J., S. 69.
Vgl. Schillers Briefe an Goethe vom 24. Oktober und 1. November 1795, ebd., S. 103 und 105.
Nachgelassene Fragmente, März 1875, 3 [15], CM 8, S. 19. Vgl. dazu J. Burckhardt, Die Kultur der Reinaissance in Italien, Leipzig 1869, S. 114ff.
M. Bernays (Hrsg.), Goethes Briefe an Friedrich August Wolf, Berlin 1868, S. 26, Anm. 45.
Goethes Werke, hrsg. von E. Trunz, Bd. 1, Hamburg 19602, S. 198 und 230. Vgl. Goethes Brief an Schiller vom 17. Mai 1795, ebd., S. 69, mit seinem Brief an Wolf vom 26. Dezember 1796.
Vgl. E. Grumach, Goethe und die Antike, Bd. 2, Potsdam 1949, S. 943f.
Vgl. Tag- und Jahreshefte 1805, in: Goethes Werke, Bd. 10 (= Hamburger Ausgabe), S. 473.
Brief an Schiller vom 28. Juni 1802, in: Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, ebd., S. 778.
Vgl. Goethes Bericht über die Reise mit Wolf nach Helmstedt, in: Tag- und Jahreshefte 1805, ebd., S. 476ff.
Vgl. Brief an Schiller vom 5. Juli 1802, in: Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, ebd., S. 781f.
Brief an Schiller vom 28. April 1797, ebd., S. 295.
Brief an Wolf vom 28. November 1806, in: Goethe-Briefe, hrsg. von Ph. Stein, Bd. 5, Berlin 1924, S. 265f.
Darstellung der Altertumswissenschaft nach Begriff, Umfang, Zweck und Wert (1807), mit einem Nachwort herausgegeben von J. Irmscher, Weinheim 1986, p. III.
Brief an Goethe vom 23. August 1794, in: Der Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller, ebd., S. 11f.
Winckelmann und sein Jahrhundert, in: Werke Bd. 12 (= Hamburger Ausgabe), XII, S. 100.
Darstellung der Altertumswissenschaft, Vorrede IV.
Darstellung, Vorrede, p. VI.
Ebd.
Nachgelassene Fragmente, Frühling — Sommer 1875, CM 8, S. 68.
Vgl. Schleiermachers Akademie-Vortrag: ‘Über den Begriff der Hermeneutik mit Bezug auf F. A. Wolfs Andeutungen und Asts Lehrbuch’ (1829), in: Sämtliche Werke, III/3, hrsg. von L. Jonas, Berlin 1835, S. 344–386. Die Schwäche seines „zufälligen polemischen Bezugs“ in diesem Vortrag (so H.-G. Gadamer in: Wahrheit und Methode. Grundzüge der philosophischen Hermeneutik (1960), Nachwort zur 3. Auflage, Gesammelte Werke Bd. 2, Tübingen 1986, S. 463) erklärt sich im Fall von Wolf zu einem Teil aus der mangelhaften Textgrundlage. Vgl. zum Thema die lehrreiche Studie von H. Patsch, Friedrich August Wolf und Friedrich Ast: Die Hermeneutik als Appendix der Philologie, in: U. Nassen (Hrsg.), Klassiker der Hermeneutik, Paderborn/München/Wien/Zürich 1982, S. 83ff.
Darstellung der Altertumswissenschaft, ebd., S. 31ff.
Vorlesungen über die Altertumswissenschaft, ebd., S. 18.
Darstellung der Altertumswissenschaft, S. 30.
F. Schmidt, Goethe über die ‚historische Kritik’ F. A. Wolfs, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Jg. 44 (1979), S. 481.
Ebd., S. 482.
Ebd., S. 483.
Ebd., S. 483.
Ebd.
S. Reiter (Hrsg.), Friedrich August Wolf. Ein Leben in Briefen, Bd. 1, Halle 1935, S. 361f.
Vgl. den Brief an Goethe vom 9. November 1816, ebd., Bd. 2, S. 219.
Zur Morphologie (1817), in: Goethes Werke Bd. 12 (= Hamburger Ausgabe), S.55.
Ebd., Bd. 2, S. 229.
Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, Eintrag vom 19. April 1824, Berlin/Weimar 19821, S. 96.
Vgl. M. Bernays (Hrsg.), Goethes Briefe an Friedrich August Wolf, ebd., S. 88 Anm. 64.
So das Urteil von E. Spranger, W. von Humboldt und die Humanitätsidee, Berlin 1909, S. 489. Vgl. dazu A. Hentschke/U. Muhlack, Einführung in die Geschichte der klassischen Philologie, Darmstadt 1972, S. 80ff.
Darstellung der Altertumswissenschaft, ebd., S. 38.
Vorlesungen über die Altertumswissenschaft, S. 51–53.
Ebd., S.U.
Ebd., S. 40, 271ff. und 444. Diese praktische Zielsetzung der Hermeneutik mag ein Motiv dafür gewesen sein, daß sich ihr Schwergewicht von der Sache eines (theologischen oder juristischen) Textes auf den Autor verlegt. Vgl. dazu H. Flashar, Die methodisch-hermeneutischen Ansätze von Friedrich August Wolf und Friedrich Ast — Traditionelle und neue Begründungen, in: H. Flashar, K. F. Gründer/A. Horstmann (Hrsg.), Philologie und Hermeneutik im 19. Jahrhundert. Zur Geschichte und Methodologie der Geisteswissenschaften, Göttingen 1979, S. 22f.
Vorlesungen über die Altertumswissenschaft, ebd., S. 41.
Ebd., S. 292.
Ebd., S. 285.
Nachgelassene Fragmente, Frühling — Sommer 1875, 5 [107], CM 8, S. 67f.
Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten, II, CM 1, S.686.
Darstellung der Altertumswissenschaft, S.124.
Darstellung der Altertumswissenschaft, S.44 u.69; CM 8, S. 261.
Nachgelassene Fragmente, März 1875, CM 8, S.261.
Bayreuther Horizontbetrachtungen, (1873), CM 7, S. 513.
Nachgelassene Fragmente, März 1875, 3 [58], CM 8, S.30, zitiert nach F. A. Wolf, Kleine Schriften, Bd. II, S. 820f.
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Riedel, M. (1995). Zwischen Dichtung und Philologie. Goethe und Friedrich August Wolf. In: Hartwich, HH., Berg, G. (eds) Bedeutende Gelehrte der Universität zu Halle seit ihrer Gründung im Jahr 1694. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97338-2_10
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