Zusammenfassung
Wie sind geschlechtsspezifisch unterschiedliche Reaktionen auf Gewalt und Rechtsextremismus zu erklären? Bisherige Versuche, Antworten auf diese Frage näherzukommen, bestehen in erster Linie darin, diese Unterschiede vorschnell darauf zu reduzieren, daß Frauen zwar weniger rechtsextremistisch wählen und vor allem weniger öffentlich gewalttätig sind, aber in ihren »vorgelagerten« politischen Orientierungen den Männern um nichts nachstehen. So konstatierte Kurt Möller unlängst im »Spiegel« eine »gleich große Anfälligkeit weiblicher und männlicher Probanden für ethnozentrische und nationalistische Parolen«, und »bei Themen wie Ausländerabschiebung, Kriminalität und Strafverfolgung« bei Frauen eine stärkere Tendenz nach rechts als bei Männern (vgl. Der Spiegel 1992, 47). Darauf aufbauend und angereichert mit einigen Beispielen von rechtsextremistisch organisierten Frauen, die es — wer hätte das je bestritten — auch gibt, schließt der Spiegel auf eine »wachsende Anfälligkeit von Mädchen und Frauen« (S. 50). Das Magazin führt dies auf eine Überforderung von Frauen durch ein Rollenbild zurück, »das gesellschaftliche Anerkennung sowohl an beruflichem Erfolg als auch am Familienglück mißt« (ebd.). »Schlichte Verlockungen« wie die »Aufwertung des Hausfrauen-Daseins« oder die Anerkennung als »Mutter und Gefährtin« würden vor allem »schlecht ausgebildete und sozial schwache Frauen (...) in die vermeintliche Geborgenheit rechtsextremer Zirkel« treiben (S. 54). Derartig spekulative Verallgemeinerungen führen m. E. nicht zu einem Erkenntnisgewinn, sondern eher zur Verschleierung bisher ungeklärter Fragestellungen und zu undifferenzierten beziehungsweise falschen Schlußfolgerungen.
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© 1993 Leske + Budrich, Opladen
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Biller, G. (1993). Das Verhältnis von Frauen zu Rechtsextremismus und Gewalt. In: Otto, HU., Merten, R. (eds) Rechtsradikale Gewalt im vereinigten Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97285-9_19
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