Zusammenfassung
Die für den Konservatismus traumatische Erfahrung in der Moderne ist nicht etwa die Aufklärung selbst — weshalb es Konservative mit liberalen Einstellungen geben kann -, sondern deren soziale und ideologische Folgen: der Verlust einer — wie auch immer imaginär vorgestellten — Urverbundenheit mit dem ‘Sein’, einer Sicherheit der Existenz im Unbewußten und damit eines individuellen Urvertrauens; dieses wird durch die radikale, an die Wurzel gehende, und damit im konservativen Sinne ‘zersetzende’ Kritik der Aufklärung, die die modernen Subjekte zur Freiheit verdammt, in ihrer Unmittelbarkeit zerstört und kann nun bestenfalls noch bewußt, durch ‘Reflexion’ oder zumindest ‘Standpunkt’ hergestellt werden. Die zur Freiheit verdammende Moderne verlangt ein Engagement, und die Konservativen ergreifen dieses im Dienste des Verlorenen; daher rührt die Vorliebe konservativer Theoretiker — vor allem im zwanzigsten Jahrhundert, nämlich nach der endgültigen Einsicht in das Scheitern aller Versuche, die Uhr zurückzudrehen und die alte Einheit wiederherzustellen — für die ‘Entscheidung’, sei es die im restaurativen Interesse technokratische ‘Dezision’ oder die existentialistisch getönte und ‘konservativ revolutionär’ gestimmte ‘Wahl’ oder auch die ‘Bindung’ an bestimmte konservative ‘Werte’.
Das Wort konservativ kommt unter anderem in der Medizin vor. Und da gibt es die Frage: Müssen wir etwa alles rausschneiden, oder alle Zähne ziehen, oder können wir auch konservativ behandeln. Sicherlich gibt es einzelne Fälle, wo die nichtkonservative Behandlung nötig und ganz unabweisbar ist. Aber es gibt keine nichtkonservative Behandlung ohne konservative Behandlung, denn man kann ja nicht den ganzen Menschen wegschnippeln. In diesem Sinn meine ich, daß das Nein vom Ja lebt (Marquard 1990: 30).
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© 1992 Leske + Budrich, Opladen
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Lövenich, F. (1992). Moderner Konservatismus. In: Verstaatlichte Sittlichkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97253-8_4
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