Zusammenfassung
Die historische Entwicklung der politischen Bildung in der Schweiz nimmt ihren Ausgangspunkt im Revolutionsjahr 1798 und erscheint verständlicher, wenn man sich die damalige, sehr weitgehende didaktische Konzeption einer „Bürgerbildung“ vor Augen führt. Zu jener Zeit wurden bereits folgende Lernziele (hier selektiv vorgestellt) genannt — die Schüler sollten:
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selbständig handeln lernen
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Reflexions- und Urteilsfähigkeit erlangen
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mit den Menschenrechten und den Pflichten der Bürger vertraut gemacht werden und diese ausüben lernen
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Einblicke in Verfassung und die gesetzliche Ordnung bekommen
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sich nach republikanischen Regeln organisieren
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Exkursionen zu sozialen Brennpunkten absolvieren (z.B. Krankenhäuser, Gefängnisse)
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Einblicke in die Arbeitswelt bekommen („fréquentation des ateliers“).
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Literatur
Das Schulgesetz wurde insbesondere wegen seiner vermeintlich areligiösen Ausrichtung - auch von protestantischer Seite - scharf verurteilt. Die Kirche sollte u.a. durch die verordnete Einrichtung “weltlicher” Erziehungsräte stark in ihrer Rolle als alleinige Verantwortliche für das Schulwesen eingeschränkt werden, obwohl der Kant-Schüler Stapf er - selber protestantischer Pastor und Theologie-Professor in Bern - die Kirche ausdrücklich nicht gänzlich (wie in Frankreich geschehen) aus dem Erziehungsbereich ausschließen wollte (BOCARD 170f, 176, 188).
MÜTZENBERG (1974, 190) spricht in diesem Zusammenhang von “dualer” Entwicklung des schweizerischen Schulsystems, bei dem die protestantischen bzw. “gemischten” Kantone zwar weit reformerischer auftraten, sich insgesamt schulpolitisch aber (insbesondere auch im Hinblick auf die sog. “Realien”-Bildung) uneinheitlich darstellten und sich nur langsam entwickelten.
Nach FLITNER (1957, 25) war die Helvetische Gesellschaft “führend” in der Diskussion um Patriotismus und Freiheitsrechte, ihr Einfluß erstreckte sich - offenbar mit deutlicher Ausstrahlung - auch auf Deutschland und (!) die französische Revolution.
Zur Entwicklung in Deutschland: “Zwischen 1780 und 1800 erreichen all diese Tendenzen und Versuche (intensivierter Bürgerbildung J.Q.) ihren Höhepunkt. Bürgerkunde, Zeitungsstunde, Unterricht in den Landesgesetzen, Rechts-und Wirtschaftskunde, Schülerzeitungen zur Stärkung des politischen Interesses sind an vielen Stellen belegt” (FLITNER 1957, 29), wobei hier immer noch im Geiste der Untertanenerziehung “gebildet” wurde (RÖHRIG 1964, 39).
In der Westschweiz datierte die Gründung eines vergleichbaren “Instituts” dagegen deutlich später: Ab 1817 bestand in Genf (Vernier) eine von Naville gegründete, republikanisch organisierte Schule mit der Zielrichtung einer “formation morale et civique” (MÜTZENBERG, 163, 223 f).
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© 1991 Leske + Budrich, Opladen
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Quakernack, J. (1991). Self-reliance als Stärke: Die politische Erziehung in der Schweiz nach 1798. In: Politische Bildung in der Schweiz. Schriften zur Politischen Didaktik, vol 18. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97236-1_3
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