Zusammenfassung
Die Bremer Hochschullehrerin H.GERSTENBERGER,1 die den Terminus Politische Kultur aus der öffentlichen Auseinandersetzung um die ‚Mescalero-Affäre‘ Übernahm,2 versteht darunter „typische Verhaltensformen im öffentlichen Bereich, also Formen der politischen Auseinandersetzung und der Durchsetzung von poli-tischen Strategien.“3 Ihre stark verhaltensorientierte Definition wird aber eher undeutlicher, wenn sie Politische Kultur als „Ensemble der Erscheinungsformen von Klassenkämpfen“4 begreift.5 Den spezifischen Herrschaftsstrukturen in der Bundesrepublik entspreche die „herrschende politische Kultur“, deren Strukturen die Lohnabhängigen beherrschten und deren Regeln die Formen politischer Praxis bestimmten.1 Quasi synonym verbindet GERSTENBERGER damit den Begriff ‚Modell Deutschland‘.2
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Literatur
H.GERSTENBERGER, 1978, Politische Kultur und Klasseninteressen in der Bundesrepublik Deutschland, in: H.BRÜGGEMANN/H.GERSTENBERGER/ W.GOTTSCHALCH u.a., Ober den Mangel an politischer Kultur in Deutschland, Berlin 1978, S. 67–92.
Zum Inhalt und zur Bedeutung der ‘Mescalero-Affäre’, aufgrund eines ‘Nachrufs’ auf den ermordeten Generalbundesanwalt Buback im Mai 1977 und zur persönlichen Betroffenheit der Autorin, die sie zur “wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den aktuellen Erscheinungsformen der politischen Struktur in der Bundesrepublik” veranlagte, vgl. H.GERSTENBERGER, 1978:67 f.
Vgl. H.GERSTENBERGER, 1978:69.
Vgl. H.GERSTENBERCER, ebda. Wenig später verzichtet sie allerdings auf diese spektakuläre Formel. “Die Analyse der gesellschaftlichen Totalität macht den Kulturbegriff aber funktionslos und der Terminus ‘Klassenkämpfe’ ist für die hier angestrebte Analyse auf einem viel zu hohen Abstraktionsniveau angesiedelt.” Vgl. H.GERSTENBERGER, 1981, Zur Ideologie eines kritischen Begriffs, in: PVS, Heft 1/1981, S.121, Anmerkung 1.
Für D.BERG-SCHLOSSER ist diese ‘marxistische’ Interpretation ‘widersprüchlich’: “Entweder man begreift das Verhältnis von Gesellschaftsstruktur und Kultur wirklich nur als ein bloß abgeleitetes von Basis und Überbau und enthebt sich damit der Notwendigkeit jeder konkreten Analyse oder, was H.Gerstenberger wohl will, man miBt der historischen Entfaltung im Einzelfall doch bestimmte Eigentümlichkeiten zu. Dann muß man sich aber auch mit den durchaus unterschiedlichen Ursachen hierfür auseinandersetzen.” Vgl. D.BERG-SCHLOSSER (1980) in seiner Sammelbesprechung “Politische Kultur der Bundesrepublik”, in: PVSLiteratur, Heft 1/1980, S.36 ff.
Die “herrschende politische Kultur” charakterisiert GERSTENBERGER durch einen gesellschaftlich übermächtigen Machtapparat (’Moloch’), die Entwicklung von staatlichen Kontrollapparaten (potentiell gegen alle Gruppen) und Disziplinierungsmaßnahmen, durch Integrationsstrategien gegenüber den Gewerkschaften, den Ausbau des staatlichen Gewaltapparates, die Erweiterung von ‘Grauzonen’ des Rechtsstaates und durch ‘faschistische Argumentationsstrukturen’. Vgl. H.GERSTENBERGER, 1978, Politische Kultur und Klasseninteressen in der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S.90 f.
Bei den zwei Seiten des ‘Modells Deutschland’ fällt GERSTENBERGER besonders die ‘Rückseite’ des liberalen Rechtsstaates auf, die Beschränkung legaler Opposition, Berufsverbote, Zensurregelungen, Demonstrationsbeschränkungen und vielfache Freiheitsbegrenzungen. “Und zwar nicht nur durch staatliche Strategien, sondern auch durch die tätige Mithilfe der Bevölkerung.” Vgl. H.GERSTENBERGER, 1978: 69.
GERSTENBERGER nennt dafür z.B. den Beamtenstatus, bestimmte Strukturen des Ausbildungssystems, den rechtlich-formalisierten Charakter von Rundfunk-und Fernsehanstalten.
Vgl. H.GERSTENBERGER, 1978:83.
Vgl. H.GERSTENBERGER, 1978:69.
Als ‘spezifische Traditionen’ der deutschen Politischen Kultur bezeichnet GERSTENBERGER: den Mangel an liberalen Traditionen, ein bestenfalls formales Demokratieverständnis, das Fehlen einer republikanischen Tradition, ein legalistisches Rechtsstaatsverhältnis, ein akklamatorisches Staatsverständnis und sich in Krisenzeiten immer zugunsten der Stabilität des Systems zu entscheiden.
Vgl. H.GERSTENBERGER, 1978, Politische Kultur und Klasseninteressen in der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S. 82.
Vgl. H.GERSTENBERGER, 1978:68. - Vgl. dort auch ihre sensible Analyse der “Sozialisten in der Politischen Kultur der Bundesrepublik”. Sie beklagt dort die Schreckhaftigkeit und praktische Verzagtheit theoretischer Sozialisten aufgrund kollektiver und individueller Erfahrungen, die zum Verlust der Illusionen und Hoffnungen, zur individuellen Verweigerung und zu einer ‘Theorie des Subjektivismus’ geführt hätten (vgl. a.a.O., S.86 ff.).
Vgl. dazu F.ERLER/H.KIPPHARDT/T.SCHMID/U.SONNEMANN/K.WAGENBACH, 1978, Gesprâch über die politische Kultur in Deutschland, in: H.BR000EMANN u.a., Ober den Mangel an politischer Kultur in Deutschland, Berlin 1978, S.93–116; vgl. H.GERSTENBERGER, 1981: 119.
Vgl. im ‘PVS-Forum’: H.GERSTENBERGER, 1981, Zur Ideologie eines kritischen Begriffs, in: PVS, Heft 1/1981, S.117–122.
H.GERSTENBERGER stellt sich hier ausdrücklich gegen REICHELS konzeptionelle Orientierung an politischer Partizipation.
Vgl. H.GERSTENBERGER, 1981:120.
Vgl. H.GERSTENBERGER, 1981:121.
In diesem Sinne seien also Staat, Massenmedien, Verbände und Parteien “zwar Organisatoren von Interessen, auch Instanzen, welche die Interessenformulierung und -verfolgung beeinflussen, nicht jedoch die Verursacher für die Entstehung und Tradierung politischer Kultur.” Vgl. H.GERSTENBERGER, 1981, Zur Ideologie eines kritischen Begriffs, a.a.O., S.121.
Vgl. H.GERSTENBERGER, 1981:ebda. Sie beruft sich bei diesem Argument auf A.GRAMSCIs Theorie des Subjektes, die “im Mittelpunkt seiner intensiven analytischen Auseinandersetzung mit der Bedeutung politischer Kulturformen stehe.” (ebda.)
Vgl. H.GERSTENBERGER, 1981:121.
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Gerstenberger, H. (1985). Herrschaftsstrukturen und ‚herrschende politische Kultur‘. In: Paradigma Politische Kultur. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97171-5_36
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-322-97172-2
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