Zusammenfassung
Die Familiengeschichte meiner Großeltern ist in vielen Zügen Spiegel und Exempel der Wandlungen unserer deutschen Geschichte. Weniger der der Staatsaktionen, als der Sozial- und Kulturgeschichte der Arbeiterschaft und des Kleinbürgertums. Ich habe nach und nach begonnen, diese Züge zu erkennen und hinter die individuelle Perspektive zu sehen, die mir meine Großmutter in ihren Erzählungen vermittelte. Sie hat ihre Erfahrungen gelebt, „es war eben so“. Die Umstände ihrer Existenz hat sie eher naturhaft hingenommen Alternativen waren außerhalb des Sichtfeldes, mit der gesellschaftlichen Rolle, in die sie gestellt war, hat sie sich völlig identifiziert. Wenn sie Entwicklungen beschrieb, dann fügte sie hinzu, daß „es so gekommen“ sei. Der Wandel gesellschaftlicher Strukturen war für sie nicht erkennbar, sie hatte kein Bewußtsein davon: „Das war früher anders.“
Die sorgfältige Liebe meiner Großmutter zu ihren Photos hat es möglich gemacht. Als sie 1970 starb, hinterließ sie Bilder von Personen und Situationen, die für ihr Leben und das meines Großvaters von Bedeutung waren. Personen, die sie kannte, Situationen, die mit ihren Erlebnissen in Beziehung standen. Ein Bestand, gewiß nicht lückenlos. Er macht es mir jedoch möglich, zu entziffern, ihrer Geschichte nachzugehen. Meine Großmutter hat mir viel erzählt, manches davon habe ich vergessen. Je mehr ich jedoch die Photos zu entschlüsseln versuchte, desto mehr wurde mir der Zusammenhang wieder aus meinem Gedächtnis verfügbar. Ich entdeckte in den konkreten Bildern die strukturellen Linien und lernte sie in ihren zeittypischen Zügen zu interpretieren.
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Ruppert, W. (1980). Familie Georg G.. In: Ruppert, W. (eds) Lebensgeschichten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97154-8_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97154-8_9
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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