Zusammenfassung
„Das Elend der Welt“ (Bourdieu et al. 1997) ist nicht weniger geworden. Weniger geworden sind jedoch sozialtheoretische Versuche, utopische Entwürfe aus einer kritischen Bestandsaufnahme der strukturellen Grausamkeiten, die die moderne Gesellschaft hervorbringt, zu entwickeln. Die populär gewordene, gnadenlose Entzauberung teleologischen und substanziellen Denkens bezieht ihre Berechtigung aus der theoretischen Unzulänglichkeit des Essentialismus, die gegenwärtigen Veränderungen und Wandlungsprozesse der Gesellschaft angemessen in den Blick zu bekommen. Ethikfragen werden deshalb oft gar nicht erst gestellt, weil sie angeblich naiv einem alteuropäischen Diskurs verhaftet sind, der mit seiner Überbetonung von substanziellen Werten wie Vernunft, Aufklärung, Gerechtigkeit, Emanzipation und Selbstbestimmung nicht zur Entzauberung der Moderne beiträgt, sondern konservativ einer Moderne anhängt, die bei genauerer, dem „alten“ Denken entsagender Betrachtung als abgeschlossen und als von der Geschichte überholt angesehen werden muß. Auch und vor allem die Suche nach dem guten Leben gilt deshalb inzwischen als hoffnungslos veraltet und kann nicht mehr als Ausgangspunkt der Sozialphilosophie und der soziologischen Gesellschaftstheorie dienen.
Neben den Herausgebern des vorliegenden Bandes danke ich Daniela Hinck, Peter Imhof und Kai Lorentzen für inspirierende Kritik einer ersten Fassung dieses Textes.
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Literatur
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Hillebrandt, F. (2000). Minima Utopia. In: Rademacher, C., Wiechens, P. (eds) Verstehen und Kritik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97096-1_9
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