Zusammenfassung
Es gehört zu den historischen Tatsachen des tschechischen Staates, daß die sicherheitspolitische Betrachtung immer eine große Rolle in der Außenpolitik spielen mußte und auch gespielt hat. Schon bei der Entstehung der Tschechoslowakischen Republik 1918 wurde die neue Existenz durch Nachbarn von außen und Minderheiten im Innern in Frage gestellt und dabei so sehr gefährdet, daß die Streitkräfte zur Stabilisierung des Territoriums und der Grenzen, die dem neuen Staat durch das Versailles-Trianon-System zugesprochen wurden, eingesetzt werden mußten. Die zwanzig Jahre der Existenz der ersten Tschechoslowakischen Republik waren eine zu kurze Periode, um die Republik in die unantastbaren Staaten Europas einzureihen. Trotz der bemerkenswerten inneren Stabilität bis in die Hälfte der dreißiger Jahre hinein, die sich auf eine Demokratie westlicher Qualität gründete, erwies sich der äußere und innere Druck, der die Existenz der ČSR zuerst bedrohte und schließlich vernichtete, als stärker. Das Münchener Abkommen von 1938 bestätigte den Zerfall des europäischen Staatensystems, das die Frage der Minderheiten nicht hatte lösen können, auf dem problematischen Recht der nationalen Selbstbestimmung basierte, die besiegten und gedemütigten Nationen antagonisierte und mit der Errichtung einer demokratischen Ordnung im gesamten mitteleuropäischen Raum scheiterte — mit Ausnahme der ČSR. Aus sicherheitspolitischer Sicht war dies kein Vorteil, da die Bedrohung dadurch vervielfacht wurde. Das sicherheitspolitische Umfeld war für den tschechoslowakischen Staat derart feindlich, daß selbst die durchdachte und äußerst aktive Diplomatie, die moderne Armee und das Sicherheitssystem nicht ausreichten.
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Literatur
Noch im Dezember 1989, nach dem Antritt der Regierung der nationalen Verständigung, bezeichnete Jiri Dienstbier auf seiner ersten Pressekonferenz als Außenminister die Abkehr von der Blockkonzeption der europäischen Sicherheit und die Hinwendung zu einer demokratischen und pluralistischen Auffassung, d.h. einer Auflösung der Militärblöcke, als Ziel der damaligen tschechoslowakischen Politik. (Vgl. Rudd prävo, 15.12.1989, S. 1-2). Die NATO sollte sich in die Basis für eine Sicherheitszone, die die gesamte nördliche Hemisphäre umfaßt, verwandeln und sich allmählich der Europäischen Sicherheitskommission unterordnen, die aus der KSZE entstehen sollte. Man ging auch von einer Anpassung der Militärdoktrin und des Namens der Allianz aus - es sollte sich um eine pan-europäische Sicherheitsstruktur handeln (Speech by the President of the CSFR at the Parliamentary Assembly of the Council of Europe in Strasbourg. May 10, 1990, in: Europe: Czechoslovak View. Institute of International Relations. Prague 1990, hier: S. 19-21). In ihrer damaligen, unveränderten Gestalt wurde die NATO nämlich als eine Machtstruktur von sechzehn privilegierten Staaten betrachtet. (Address by Mr. Jiff Dienstbier, Minister for Foreign Affairs of Czechoslovakia at Harvard, May 16, 1990, in: Europe: Czechoslovak ViewCHRW(133), S. 38.)
Vgl. Utajovanf dopis prezidenta Jelcinak rozäfrení NATO, Mladä Fronta Dnes, 2. 12. 1993.
Vgl. z.B. das Gespräch J. Koi;okins, Leiter des russischen Instituts für strategische Studien, mit der slowakischen Pravda am 17.10. 1995, S. 15. Koiokin schlägt vor, daß statt der Integration der interessierten Staaten in die NATO sich überlappende Garantien ausgearbeitet werden sollten, an der sich nicht nur die großen, sondern auch die regionalen Mächte beteiligen. Es sollte nicht geschehen, daß einige Staaten in der Rolle des Objekts und nicht des Subjekts der internationalen Beziehungen auftreten.
Statement by Minister of Foreign Affairs of the Czech Republic, Mr. Jozef Zieleniec, North Atlantic Cooperation Council, Brussels, December 3, 1993. Ministry of Foreign Affairs, the Czech Republic, Press Release, Nr. 19 /93.
plk.ing. Brousil, Zdenék: Partnerství pro mir - vicera, dnes a zitra. Rukopis pripravenÿ k publikaci ve Vo-jenskÿch rozhledech, 1996.
Siehe z.B. Vaclav Havel, in: Hovori z Lan, 24.9.1995. Projev PrezidentaCHRW(133), a.a.O. (Anm. 2).
Vgl. Anketa politickÿch stran. Vstup do Evropské unie a do NATO, in: Listy, 5/1995, S. 62 ff.
Na prahu 21. Století. Nâvrh Politické deklarace IV. sjezdu KSZ`M (11. zaseddni iJV KSC`M).
Stanovisko Levého bloku a Strany demokratické levice, in: Anketa politickÿch stran. Vstup do Evropské unie a do NATO, Listy, 6/1995, S. 62-64.
Jan Kavan: Ceskâ zahrani6ní politika z pohledu opozice, in: Mezinârodni politika, 5/1995, S. 29 ff, und auch: Do NATO -bez jadernych zbrani, in: Listy, 3/1995, S. 35-40.
Vgl. Anketa politickÿch stranCHRW(133), aaO. (Arun. 26), S. 65 ff.
Vgl. z.B. Miroslav Poto6nÿ: Pari3sk5, summit a bezpe6nost eskoslovenska, in: Reportér, 26/1990, S. 8 f.
MF Dnes 16.12. 1995. Der Verteidigungsminister Holan antwortet auf die Forderung der mit Wirtschaftsfragen befaßten Minister mit einer neuen Konzeption der Armee, die eine Verringerung der Mahnstärke um fast ein Viertel auf 40-50.000 vorsieht. Theoretische Überlegungen gehen noch weiter. Vgl. Robej§ek, a.a.O. ( Anm. 35 ).
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Seifter, P., Handl, V. (1997). Die Sicherheitspolitik der Tschechischen Republik. In: Pradetto, A. (eds) Ostmitteleuropa, Rußland und die Osterweiterung der NATO. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97081-7_2
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