Kriegsdividende und Friedensrisiken: Überlegungen zu Rente und Politik in Syrien

Zusammenfassung

Wiewohl Syrien keiner der klassischen nahöstlichen Ölrentiers, sondern im regionalen Rahmen nach wie vor nur ein kleiner Ölexporteur ist, ist die politischökonomische Entwicklung des Landes seit dem Ölboom von 1973 in erheblichem Maße durch den Zufluß und die Verteilung von Renten geprägt worden. Gestützt auf Renten sowohl ersten wie zweiten Grades — namentlich eigene Ölexporterlöse und ausländische, vor allem arabische Finanzhilfen —, hat Syrien charakteristische Merkmale eines Allokationsstaates entwickelt.¹ Der Staat hat einen wesentlichen Teil seines Einkommens von außen erhalten und konnte dieses nach vorwiegend politischen Kriterien zuteilen. Der vor allem in den 70er Jahren relativ hohe Zufluß externer Einkommen, denen entweder — im Falle der Öleinnahmen — geringe oder — im Falle der ausländischen Finanzhilfen — gar keine direkten gesellschaftlichen Produktionsleistungen gegenüberstanden, begünstigte die Entscheidung für eine Entwicklungsstrategie, die vor allem auf den Aufbau eines aufwendigen, importsubstituierenden staatlichen Industriesektors setzte, die Landwirtschaft vernachlässigte und privater Initiative vorwiegend kommerzielle Chancen öffnete. Gleichzeitig wurde der öffentliche Dienst in einem das Wachstum aller anderen Wirtschaftsbereiche weit übersteigenden Maße ausgebaut. Staatsausgaben wuchsen von etwa 23 % des BIP im Jahre 1963 und 40 % 1970 auf mehr als 50 % in der Zeit von Mitte der 70er bis Mitte der 80er Jahre.²