Zusammenfassung
Medien und Massenkommunikation entstehen in der Dynamik der Industriegesellschaft und der für sie typischen Konstitution des sich selber empfindenden und sich als Individuum erlebenden Menschen. Individualisierung beginnt mit dem Selbsterleben, historisch gerade mit Hilfe fiktionaler Erzählungen, und realisiert sich heute auch in konsumorientierten Aneignungs- und Darstellungsformen wie fernzusehen, zu flanieren, zu kaufen oder zu fahren. Auf diese Weise wird Individualisierung zum aktuellen Entwicklungsmechnismus der gesellschaftlichen Differenzierung, die das symbolische Material von Massenkommunikation, Konsumartikeln und Handlungssituationen als integratives Band braucht. In dieser Funktion verbinden sich nun abgegrenzte Einzelmedien zu Arrangements. Seit der Veralltäglichung des Fernsehens gab es mit der Medienkommunikation die komplexe, jedoch klare Zuordnungsbeziehung von Menschen und Medium. Diese distinkte MenschMedien-Beziehung löst sich zur Zeit auf, indem Rezipienten und Produzenten Medien intertextuell zu komplexen und nur individuell relevanten Arrangements verknüpfen. Diese Medien-Arrangements liefern die Kristallisationskerne für überschaubare soziale Gebilde wie Fan-Clubs und die Gruppen der selbstgewählten Gleichen. Die Handlungsbasis dafür sind Prozesse der Bedeutungskonstitution, die in der jeweiligen Sinnperspektive der Menschen stattfinden.
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Literatur
Z.B. von D. N. Chodowiecki, abgedruckt bei Schön 1987, S. 192f.
Vgl. dazu die Daten zur “Nutzung und Bewertung von Videospielen durch Kinder und Jugendliche” (1989, S. 117–134) und den Sammelband zu den “Weltbildern und Bilderwelten im Videospiel” von Jürgen Fritz (1988).
Zu den “politisch Orientierten” gehören nach Lukesch (1989, S. 185) “Friedensbewegung, Dritte Welt Initiativen, Alternative Lebensweise, Bürgerinitiativen, Frauenbewegung, Kirchliche Initiativgruppen, Kernkraftgegner, Nationale Jugendgruppen”; “Modestile” werden gebildet von “Teds, Grufties, Popper, New Wave, Punks”; zu “Fan-Gruppen” gehören “Videospiel-Fans, Computer-Fans, Motorrad-Fans, Fußball-Fans, Bundeswehranhänger, Fitness/Bodybuilding”; “Randgruppen sind: ”Gewaltgruppen der Terrorszene, neue Jugendreligionen, Rocker, Esoterik/New Age, FKK, Autonome“.
Christian Büttner ( 1990, S. 9) skizziert diesen Zusammenhang folgendermaßen: “Es besteht ein evidenter Zusammenhang zwischen in der Lebensgeschichte erfahrenem Horror und Gewalt und der Faszination für entsprechende Filme”.
Waldemar Vogelgesang schlägt als Alternative zur Erklärung der Präferenz von Action-, Horror-oder Porno-Videos entsprechend der “traditionellen Geschlechtsrollenmuster” vor zu bedenken, daß Mädchen als Wenig-Seherinnen auch keine “genre-angemessenen Perzeptions-und Erarbeitungsstile” entwickeln, sie also gegenüber diesen Genres in der Rolle der Fremden (Eckert 1989, S. 11ff.) bleiben.
Zootie“: Mit diesem Anziehstil zeigt man, es zu etwas gebracht zu haben (”I’ve got it made“): ”extravagant use of expensive fabric and its luxurious accessoires“; ”Zazous“ ist dessen witzige, französische Variante (Polhemus 1994, S. 17 und S. 20).
Rainer Winter (1993) hat zur theoretischen Erklärung u.a. auf den von den britischen Cultural Studies ( Stuart Hall, David Morley) formulierten Übergang von der Text-zur Aneigungsdominanz als theoretischen Bezugsrahmen hingewiesen. Das paradigmatische soziale Phänomen dazu ist die Fan-Gruppe.
Zu diesem Typ von Argumentation gehören die bisher mehrfach zitierten Arbeiten von Ulrich Beck (1986, 1993) und Gerhard Schulze (1988, 1992).
Wolfgang Zapf u.a. ( 1987, S. 10) fassen die Bedingungen für die Entwicklung individueller Lebensstile folgendermaßen zusammen: “Differenzierung von Lebensformen, gestiegene Wahlfreiheit von Individuen und Haushalten in der Organisation ihres Alltags, reduzierte soziale Kontrolle und abnehmende Verbindlichkeit von Traditionen, gestiegene Selbstverantwortung und Entscheidungsnotwendigkeit, gestiegene Mobilität und Lebenserwartung, gestiegene materielle und immaterielle Ressourcen der Individuen und Haushalte”.
Wilfried Ferchhof (1993) beschreibt “religiös-spirituelle”, “kritisch-engagierte”, “action-orientierte”, manieristisch-postalternative“ und ”institutionell-integrierte“ Szenen bzw. Milieus. Vgl. dazu die Gliederung von Helmut Lukesch (1989, S. 184ff.): politisch motivierter Gegenkultur, extrovertierter Modestil, Fan-Gruppen, Minderheiten-Stil/Randgruppen.”
Vgl. dazu das Argument von Hanns-Georg Brose und Bruno Hildenbrand zur “Biographisierung von Erleben und Handeln” (1988, S. 11).
Vgl. auch Heinz Abels ( 1993, S. 498ff.), der vier Typen herausarbeitet: “Orientierung an vorgegebenen Fahrplänen”, “Balancen”, “Eigenzeit”, “Frühe Einmündung in die Familienzeit”.
Gerhard Schulze unterscheidet folgende Schemata (S. 125ff.): “Hochkulturschema”, “Trivialschema”, “Spannungsschema” und folgende Milieus: “Niveau”-, “Harmonie”-, “Integrations”-, “Selbstverwirklungs”- und “Unterhaltungsmilieu” (S. 277ff.).
Überblick über die Entwicklung geben Klaus Berg und Marie-Luise Kiefer (1992) Wolfgang Neumann-Bechstein (1991), Bernward Frank (1991).
Soziale Lage: Unterschicht, Untere Mittelschicht, Mittlere Mittelschicht, Obere Mittelschicht, Oberschicht; Werteorientierung: Traditionelle Grundorientierung ‘Bewahren’, Materielle Grundorientierung ’Haben’, Wertewandel mit den drei Unterkategorien: Hedonismus ’Genießen’, Postmaterialismus ’Sein’, Postmodernismus ’Haben, Sein und Genießen’ (Sinus 1994, S. 9 ).
Erstfassung des “Werther” in der Phase des “Sturm und Drang” 1774 und die Zweitfassung in der “Klassik” 1787. An Goethes Gedicht “Prometheus”, auch von 1774, ist das Individualitätskonzept erkennbar (vgl. Teil 3). Formen und Gestalten ist die prägende Tätigkeit, die gerade auch widerständig und provokativ ist, die zugleich vom Scheitern und der Entfremdung bedroht ist.
Vgl. die Sammlung typischer Argumente zur Schädlichkeit und Verführungskraft von Romanen, populären Heftchen usw. bei Rudolf Schenda (197, S. 91ff., S. 98ff.) und den Überblick über Zensurbestimmungen (S. 107ff.).
Rudolf Schenda (1970, S. 379ff.) hat u.a. folgendes aus den “populären Lesestoffen” zusammengestellt: Kindsmord, Tod im Backofen, Räuberwirtshaus und Mordeltern, lebende Leichen, Totenschädel, Mädchen als Soldat, Geister und Gespenster, Findelkinder und Waisen, Giftmischerinnen, Einsiedler usw.
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Bachmair, B. (1996). Subjektkonstitution. Von fiktionalen Erzählungen zu alltagsästhetischen Inszenierungen. In: Fernsehkultur. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97075-6_5
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