Zusammenfassung
Psychoanalyse erfahrt an vielen Stellen eine gewisse Idealisierung. Damit ist auch eine Idealisierung ihrer Vertreter verbunden. Aus ihr entsteht die Erwartung, daß Psychoanalytiker die Konflikte des Lebens souverän, großzügig und gelassen bewältigen und ihre berufliche Kompetenz auch in ihre alltägliche Kommunikation einfließen lassen, so daß sie insbesondere im Verkehr miteinander einen sicheren, aber respektvollen, selbstbewuß-ten, aber versöhnlichen Umgang zeigen. Desto größer ist oft das Befremden beim Publikum, wenn es bei ihnen ähnliche Egoismen, Zwistigkeiten, Begrenzungen der Sichtweise und Fehleinschätzungen der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten entdeckt wie bei anderen Menschen. Eine dieser befremdlichen Neigungen der Psychoanalytiker ist ihre Tendenz zu Spaltungen, die sich in der Regel mit der Frage psychoanalytischer Dissidenz verbindet. Tatsächlich läßt sich beschreiben, wie praktisch vom Beginn der Psychoanalyse an sich ein Vorgang wiederholt hat, der je nach Perspektive mehr als Abspaltung oder als Ausschluß imponiert. Die Erklärungen dafür sind, worauf auch Fürstenau (1972) hinweist, meistens im Bereich individueller Besonderheiten wie Rivalität, Eitelkeit, Ruhmessucht, narzißtischer Kränkbarkeit oder gar krankhafter Entwicklungen angesiedelt.
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Bruns, G. (1996). Spaltung und Entfaltung. In: Bruns, G. (eds) Psychoanalyse im Kontext. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97073-2_5
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