Adoleszenz im Rückblick

Zusammenfassung

„To every period of history there corresponded a privileged age and a particular division of human life.“¹ Mit diesem Zitat von Philippe Ariès begründet die amerikanische Autobiographieforscherin Patricia Meyer Spacks ihre These, daß die Adoleszenz eine dominante Kategorie der Autobiographik des 20. Jahrhunderts sei. Nachdem die Gattung im 18. Jahrhundert ausschließlich dem Erwachsenenalter gewidmet war, und das 19. Jahrhundert, vor allem durch den Einfluß Rousseaus, der Kindheit große Bedeutung beigemessen hatte, konzentrierten sich die Autobiographlnnen unseres Säkulums auf die Lebensphase der Adoleszenz. Im Gegensatz zu vielen soziologischen und sozialpsychologischen Studien zu diesem Thema, die bei der Erforschung dieser Entwicklungsstufe im menschlichen Leben nur zu häufig eine Geschlechtsneutralität vorgeben, die „am Modell der männlichen Normalbiographie orientiert“² ist, bezieht Meyer Spacks sich explizit auf weibliche Autobiographik.³ Ihre Beispiele entstammen der amerikanischen Literaturgeschichte, umfassen Maya Angelou und Mary McCarthy. Ich habe in anderem Zusammenhang die weibliche Tradition der dänischen Autobiographik untersucht und eine Textbasis von ca. 500 gedruckten Schriften ermittelt.⁴ Wenn ich nun hier dieses Material (sowie ausgewählte Beispiele aus den anderen skandinavischen Ländern) auf die Darstellung der weiblichen Adoleszenz hin befrage, steht zu vermuten, daß sich in den Texten aus dem 20. Jahrhundert interessante Aussagen zur weiblichen Adoleszenz finden. Wir können erwarten, über die Beschreibungen der biologischen Veränderungen, die der Begriff Pubertät be-zeichnet, hinaus auch Thematisierungen der „psychischen und sozialen Prozesse“⁵, die die weiter gefaßte Adoleszenz bestimmen, zu entdecken. Und wir können damit rechnen, daß wir auf eine geschlechtsspezifische, in diesem Fall weibliche, Variante des Erwachsenwerdens und seiner Probleme treffen: die von der Soziologie und Entwicklungspsychologie beobachteten Phänomene der Doppelorientierung auf Beruf und Partnerschaft, des Tochter-Dilemmas, der Bedeutung von Mädchenfreundschaften im Rahmen der sexuellen Orientierung usw.⁶ Die Erwartung wird gesteigert durch die Thesen Estelle Jelineks, die die Thematik der Frauenautobiographik als vorrangig durch das Private bestimmt sieht:

Motives and intentions differ, of course (...) But the emphasis remains an personal matters — not the professional, philosophical, or historical events that are most often the subject of men’s autobiographies.⁷