Zusammenfassung
Recht und Wirklichkeit der akademischen Promotionen in der DDR standen auf der einen Seite in der deutschen Promotionstradition, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland ungebrochen fortgeführt würde, wichen aber auf der anderen Seite auf eigentümliche Weise von hergebrachten Grundsätzen des deutschen Promotionswesens ab. Das Recht der wissenschaftlichen Hochschulen, junge Gelehrte im Verfahren der Promotion in höhere akademische Grade „fortrücken“ zu lassen, geht auf die ersten europäischen Universitätsgründungen in Bologna (Ende des 11. Jhd.) und Paris (12. Jhd.) zurück.1 Diese ursprüngliche und vielschichtige Traditionskette des Promotionswesens, wie sie auch heute noch in den angelsächsischen Ländern zum Tragen kommt, hatte die Beförderung der Magister in den akademischen Lehrstand zum Inhalt. Das moderne deutsche Promotionswesen mit seiner Unterscheidung von Promotion als wissenschaftlichem Grad und Habilitation als Befähigung zum akademischen Lehramt bildete sich erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluß der preußischen Universitätsreform und insbesondere an der 1810 gegründeten Berliner Universität aus.2
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Literatur
Siehe die sehr prägnante Entgegensetzung von Disputation und Rigorosum anhand der einschlägigen Meinungsunterschiede von Fichte und Schleiermacher bei Kluge, S. 181 ff.
Vorläufige Bestimmungen für das Promotionsverfahren an den Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen der Deutschen Demokratischen Republik, vom 15.7. 1950. In: Karteibuch des Schulrechts der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin o.J., 2. Aufl., Blatt 6/13.
Max Steinmetz, geb. 1912, promovierte 1939 in Freiburg/B. über die Politik der Kurpfalz unter Ludwig V. und hat unter dem Eindruck des »Nationalkomitee Freies Deutschland« in der sowjetischen Gefangenschaft eine Antifa-Schule besucht. Nach 1945 war er Mitarbeiter in der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung und später Ableitungsleiter im Staatssekretariat für Hochschulwesen. 1956 habilitierte er sich mit einer Arbeit über das Müntzer-Bild und wurde 1960 Professor für Deutsche Geschichte an der Karl-Marx-Universität Leipzig; siehe ausführlich: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 30. Jg. (1982), H. 9, S. 836–837.
Bemerkungen zum vorstehenden Entwurf. Von unserem Doktor. Stz.-Mitarbeiter. In: Das Hochschulwesen, 2. Jg. (1954), H. 6/7, Berlin ( Ost ), S. 88–96.
Siehe die Zusammenfassung und Bewertung: Franz Wohlgemuth/Max Steinmetz: Zur Diskussion über die Neuregelung des Promotions-und Habilitationsverfahrens an den deutschen Universitäten und Hochschulen. In: Das Hochschulwesen, 3. Jg. (1955), H. 5, Berlin ( Ost ), S. 1–14.
Die Aufgaben der Universitäten und Hochschulen im einheitlichen Bildungsystem der sozialistischen Gesellschaft“. IV. Hochschulkonferenz, Protokoll. Berlin (Ost) 1967; bes. S. 26 f., S. 75–77, S. 80 u. 84.
Verordnung über die akademischen Grade«. In: GBI. der DDR, Teil II, 1968, S. 1022 ff..
Gesetzblatt der DDR, Teil II, 1969, S. 107ff. Auszüge dieser Promotionsordnung A im Anhang 5.
Verordnung vom 6. November 1968 über die akademischen Grade, § 9 und »Anweisung, Nr. 14/1988 des Ministers für Hoch-und Fachschulwesen über den Rat für akademische Grade« vom 15. Juli 1988. In: Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Hoch-und Fachschulwesen, Nr. 1/1989, S. 2 ff. Wichtige Hinweise über die Zusammensetzung und Arbeitsweise des »Rates für akademische Grade« verdanken die Vf. einem Gespräch im Januar 1994 mit Frau Dr. Ursula Joseph, die über lange Jahre Sekretärin dieses Rates und zuletzt Leiterin der Rechtsstelle im Ministerium für Hoch-und Fachschulwesen gewesen ist.
So hatte das »Zentralinstitut für Hochschulbildung« erst seit 1989 das Promotionsrecht A, doch haben bereits 1985 mehrere Doktoranden dort promoviert.
Anordnung über die Verleihung des akademischen Grades Doktor eines Wissenschaftszweiges - Promotionsordnung A - vom 12. Juni 1988. In: GBI. der DDR, Teil I, 1988, S. 193 ff.
Schon an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß auch in der DDR die Promotionspraxis in den Medizinischen Fakultäten von den übrigen Fakultäten abwich.
Verfahrensordnung zur Anordnung vom 21.1.1969 zur Verleihung des akademischen Grades Doktor eines Wissenschaftszweiges - Promotion A, in: Anweisungen und Mitteilungen der Humboldt-Universität zu Berlin, Nr. 16/1973, S. 1–14.
Zu danken haben die Vf. insbesondere für Gespräche im November 1993 und Januar 1994 Prof. Dr. Waltraud Falk (frühere Dekanin der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät), Prof. Dr. Howorka (Leiter der in Abwicklung befindlichen Sektion Kriminalistik), Prof. Dr. Klaus Kolloch (früherer Forschungsdirektor der Sektion Wirtschaftswissenschaften) und Prof. Dr. Rainer Zuhrt (Vorsitzender des Promotionsausschusses der Medizinischen Fakultät).
Siehe die Bestimmungen der »Verordnung über die wissenschaftliche Aspirantur an den Universitäten und Hochschulen der Deutschen Demokratischen Republik« vom 15. November 1951 (GBI. der DDR, Teil I, 1951, S. 1091 ff.) und der »Anordnung über die wissenschaftliche Aspirantur - Aspirantenordnung« vom 22. September 1972 (GBI. der DDR, Teil II, S. 148 ff.
Z.B. war den geisteswissenschaftlichen Fächer vom ZK-Sekretär für Kultur und Wissenschaft (seit 1955 Kurt Hager) ein »Zentraler Forschungsplan der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften der DDR« vorgegeben, zuletzt für die fünf Jahre 1986–1990; siehe: Zentraler Forschungsplan der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaften der DDR 1986 bis 1990. In: Einheit, 41. ( 1986 ), Berlin (Ost), S. 681–692.
Um den inflationären Erwerb von Doktortiteln in den Medizinischen Fakultäten einzuschränken, wurde in der DDR nach der 3. Hochschulreform 1967/68 versucht, die Ansprüche an diese Doktorarbeiten auf das Niveau der übrigen Fakultäten anzuheben und es ging dementsprechend die Zahl der promovierten Ärzte zurück. Die Mehrzahl der Ärzte schloß ihr Studium mit dem Diplom ab.
Diese auch Einzeldissertationen verpflichtende Forderung entfiel in der mehr der Realität entsprechenden Promotionsordnung A von 1988, siehe insbesondere den § 6 über die Anforderungen an die Dissertation.
Verordnung über die akademischen Grade« vom 6. November 1968, § 2 Abs. 3. In: GBI. der DDR, 1968, Teil II, S. 1022.
Siehe die Verfahrensordnung der Humboldt-Universität 1973, S. 5, § 3 Nr. 7.
Siehe: Wissenschaftlicher Kommunismus. Lehrbuch für das marxistisch-leninistische
Grundlagenstudium. Berlin (Ost) 1983, 4. Aufl.; Wissenschaftlicher Sozialismus. Lehrbuch. Berlin (Ost) 1988.
Promotionsordnung A 1969, § 10 Abs. 2. Es gab Bestrebungen, diese drei Teilnoten formal zu gewichten, diese aber blieben unberücksichtigt.
Anordnung zur Verleihung des akademischen Grades Doktor eines Wissenschaftszweiges - Die marxistisch-leninistische Aus-und Weiterbildung der Doktoranden - vom 12. Januar 1973«. In: GBI. der DDR 1973, Teil I, S. 86 f. sowie vom 19. August 1986. In: GBI. der DDR, 1986, Teil I, S. 402 f.
Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät: Zur Promotionsanalyse 1986, S. 3 und Promotionsanalyse 1987, S. 2.
Diese Notenverteilung stimmt fast genau mit einer landesweiten Befragung promovierter Kader in der Hochschule und Industrie überein: Armèlin/Zieris, S. 17.
Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät, Zur Promotionsanalyse 1986, S. 2 und Promotionsanalyse 1987, S. 1.
Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät, Promotionsanalyse 1987, S.4 und Armèlin/Zieris, S. 47 ff.
In der Befragung von Armèlin/Zieris (S. 36 u. Anlage 5) antworteten 13% der erfolgreichen Doktoranden, sie hätten ihr Thema mehr im Sinne von nüchtern-sachlicher Pflichterfüllung bearbeitet, 1% hatte am Thema überhaupt kein Interesse gehabt.
Siehe Bleek, Dissertationen, S. 117 ff., der teilweise auf spekulativen Überlegungen beruhte, die aber nach dem Ende des DDR-Regimes und durch die damit verbundenen Forschungsmöglichkeiten vor Ort weitgehend bestätigt worden sind.
Promotionsordnung 1956, § 24 Abs. 2 und Habilitationsordnung 1956, § 24 Abs. 2.
Promotionsordnung A 1969, § 12 Abs. 1 und Promotionsordnung B 1969, § 10 Abs. 1. Ähnlich in der Promotionsordnung A 1988, § 18 Abs. 1 und Promotionsordnung B 1988: § 14 Abs. 1.
Siehe die Stellungnahme des Direktors der Universitäts-und Landesbibliothek Halle/Saale, Erhard Selbmann: Schriftenaustausch und Wissenschaftliche Zeitschriften an unseren Hochschulen, in: Das Hochschulwesen, 6. Jg. (1958), H. 2, Berlin ( Ost ), S. 71–74.
Diese interne Anweisung vom 20. Juni 1952 ist den Verfassern im Jahre 1984 vertraulich zugänglich gemacht worden. Ein Hinweis auf sie findet sich in: Möbus, Arbeit, S. 96, Anm. 12.
Dieser Verteiler für Pflichtexemplare, durch den über die Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin auch die Deutsche Bibliothek in Frankfurt/M. berücksichtigt wurde, fand nochmals seine Bestätigung in der »Anordnung über die Ablieferung von Pflichtexemplaren« vom 14. Aug. 1987. In: GBI. der DDR, Teil I, Nr. 20, 1. Sep. 1987, S. 211–213.
Siehe die Beiträge des Leiters der Hochschulschriftenabteilung an der Humboldt-Universität, Möbus, Arbeit mit Hochschulschriften und Ders.: Bestand der Hochschulschriftensammlung, S. 71–74.
Im Zuge der personellen und organisatorischen Erneuerung der Ost-Berliner Universitätsbibliothek nach 1990 sollte die traditionsreiche Hochschulschriftenstelle in anderen Abteilungen der UB aufgehen.
Nachrichten für wissenschaftliche Bibliotheken, 4. Jg. (1951), S. 146 (Hervorhebung im Original). Vgl. auch den Bericht des Vorsitzenden der Dissertationskommission des Vereins Deutscher Bibliothekare, W. Bauhuis: Zum Dissertationenproblem, in: Ebd., S. 7 ff., bes. S. 11.
Bibliothekarische Fachkommissionen beim Staatssekretariat für Hochschulwesen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen, 66. Jg. (1952), Berlin (Ost), S. 165 ff., S. 190.
Die genaue Bezeichnung lautet: »Deutsche Bibliothek Frankfurt/M.-Leipzig-Berlin«, wobei die Deutsche Bücherei Leipzig im Untertitel ihren alten Namen weiterführt, während Berlin für das Deutsche Musikarchiv steht.
Siehe Rost, Bibliographierung, S. 767–771 und Rost/Knobloch, S. 79–100.
Brief des damaligen Generaldirektors der Deutschen Bibliothek Frankfurt/M., Prof. Dr. Günter Pflug vom 1. März 1983, S. 2 f.
Siehe die Begründung dieser Schätzung in: Bleek, Dissertationen, S. 134 f.
Davon hat auch ein Bochumer Forschungsprojekt unter Prof. Dr. Dieter Voigt zur Analyse der Lebensläufe von DDR-Doktoranden profitiert (siehe Voigt/BelitzDemiriz/Gries), durch welches das Interesse der Verfasser für Promotionen und Dissertationen in der DDR geweckt worden ist, bzw. an dem sie mitgearbeitet haben.
Die von Ludz als Beispiel für “unveröffentlichte, als ‘geheim’ anzusehende Forschungsergebnisse” (ebd.) angeführten Dissertationen waren weitgehend in der Deutschen Bibliothek in Frankfurt/M. vorhanden und einsehbar. Siehe die entsprechenden Nachweise in Bleek, Dissertationen, S. 118.
Anweisung Nr. 14/1961 des Staatssekretariats für das Hoch-und Fachschulwesen über die Auswertung und Benutzung ungedruckter wissenschaftlicher Arbeiten (Hochschulschriften)«. In: Mitteilungsblatt der bibliothekarischen Fachkommissionen beim Staatssekretariat für das Hoch-und Fachschulwesen, Sektor wiss. Bibliotheken, Museen und Publikationen, 1962, Nr. 5, Berlin ( Ost ), S. 4–6.
So konnten die Verfasser 1984 in Ost-Berlin eine für das nicht-sozialistische Ausland gesperrte Dissertation von inhaltlicher Relevanz für ihr Forschungsprojekt einsehen: Renate-Bärbel Geiseler/Herbert Partzsch: Probleme der Ermittlung von Hochschulschriften in der DDR. Bereitstellung, Information und Organisation des Zugriffs. Diss A Humboldt-Univ., Gesellschaftswiss. Fak., Berlin (Ost) 1974.
Siehe Kluge, S. 186 ff. u. Thieme, Hochschulrecht, S. 582, vor allem aber im Hinblick auf die sozialgeschichtliche Behandlung des Themas: Alexander Busch und Peter Brenner.
Zur gescheiterten Karriere Max von Gagems als Privatdozent der Geschichte und Politik an der Universität Bonn siehe Bleek, Politik-Professoren, S. 277.
Siehe Illner, S. 122 ff., der allerdings bei der Habilitation bzw. Promotion B den geschichtlichen Hintergrund weitgehend unbeachtet läßt.
Siehe oben Kap. 2.2. Allerdings war für die Verleihung des »Doktors der Wissenschaften« der Senat zuständig, der lediglich zwischen Annahme oder Ablehnung entschied. Daher wurde die Promotion B nicht benotet.
Im akademischen Sprachgebrauch der DDR ist der »Dr. sc.« auch sehr oft als »Dr. s.c.« (“Doktor sine causa”) ironisiert worden; siehe auch Mitteilungen des Hochschulverbandes, H. 5/1993, S. 340.
Anordnung über die Verleihung des akademischen Grades Doktor der Wissenschaften - Promotionsordnung B - vom 12. Juli 1988«. In: GBI. der DDR, Teil I, 1988, S. 197 ff., § 6 Abs. 2.
Promotionsordnung A 1988, § 8 Abs. 4; Promotionsordnung B 1988, S. 197, § 2 a.
Verordnung über die akademischen Grade vom 6. Nov. 1968, § 2 Abs. 7. Siehe auch § 5 Abs. 4 der Promotionsordnung A von 1969.
Diese Sicht wurde von den Verantwortlichen für das Promotionsgeschehen geteilt, die lediglich 50% der B-Promovenden (Assistenten, Oberassistenten und Aspiranten) als “potentielle Berufungskader” bezeichneten; siehe Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät: Promotionsanalyse 1987, S. 2.
Siehe ausführlich dazu Busch und Brenner. Beispielhaft für die Kooptationsmechanismen im höheren Verwaltungsdienst siehe Bleek, Juristenprivileg.
Vgl. dagegen Rytlewski, S. 481, der zu dem Resümee kommt: “Hochschulkarrieren unterliegen den Gleichheitsbedingungen des Gesamtsystems der DDR”.
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Bleek, W., Mertens, L. (1994). Die DDR in der deutschen Promotionstradition. In: DDR-Dissertationen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97048-0_2
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