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Statt eines Schlusses: Leibniz oder die Moral der Vernunft

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Zusammenfassung

Das Ideal sprachtranszendenter Wahrheit läßt die Notwendigkeit von Kommunikation zum Problem werden: Texte sollen nicht mehr nur Techniken der Verständigung, sondern Abbilder einer Wahrheit sein, deren Erfahrung der Text zum Verschwinden bringen und in die Evidenz seines Verständnisses aufheben soll. Da diese ‚regulative Idee rationaler Semantik‘ praktisch nicht einzulösen ist, kommt Sprachlichkeit als solche in den Blick. Methodische Negation der Sprache treibt das Problem des Textes als quasi-methodische Form der Äußerung hervor, da sich Texte weder durch Verfall eliminieren, noch die diffuse Identität ihrer Verständnisse sich widerstandslos zur Allgemeinheit einer Wahrheit reduzieren läßt. Das Paradoxon dieses Sachverhaltes artikuliert sich in der Tatsache, daß die Leibnizsche Philosophie, die in der Konzeption der Monade als autarke Einheit Kommunikation ex definitione negiert, zum historischen Ausgangspunkt der neuen Textdisziplinen Hermeneutik und Ästhetik wird.1 Zwar gab es vorher Poetiken, aber diese waren Regelanweisungen zu praktischem Gebrauch2; und es gab zuvor Ästhetik, aber diese hatte nicht Texte, sondern die Architektonik des Denkens zum Gegenstand3; zwar gab es auch früher Hermeneutik, doch widmete sie sich Schriften, deren Gehalt nicht in Evidenz aufzuheben, sondern nur in einem exegetischen Prozeß, der im Prinzip so lange wie die Welt dauern sollte, je zu vergegenwärtigen und zu kommentieren war4. Jetzt tritt die Exegese von Erfahrung an die Stelle der Erfahrung von Exegese: Da Sprache, auch wenn sie von Gott verliehen wurde, doch in ihrer konkreten und zumindest in ihrer säkularen Form als genuin menschliches Zeichen begriffen wird, Verstehen gegen Vergessen zu sichern und es kommunikativ fungibel zu machen, bedarf es nur richtiger Technik, um jenes Vergessen, das die Widerständigkeit eines Textes markiert, wieder in Verstehen zu überführen. Die Exegese ist kein Prozeß subjektiver Applikation textueller Erfahrung mehr, sondern erfüllt sich in der Einheit verstehenden Bewußtseins. Neben die Exegese kann damit Wertung treten, da die Architektonik des Textes — seine Textualität — die Architektonik des Verstandes spiegelt. Text zeigt eine subjektive Praxis von — intellektueller wie welthaltiger — Erfahrung; diese ist nach ihrem Maß an Verallgemeinerbarkeit zu beurteilen, da Vernunft als das Allgemeine jedem Verständigen gleich zukommt. Damit ist kommunikative Geltung nicht mehr nur Plausibilität, sondern die Plausibilität eines Identischen: des Gattungssubjekts.

„Menschen sind ein Teil von Namen, Namen sind ein Teil von Menschen.“

Hilda Doolittle. Hermione

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Literatur

  1. Zwar ist Baumgartens Ästhetik nicht unmittelbar auf Text gerichtet, sondern scheint als gnoseologia inferior gerade auf eine Ebene unmittelbarer Wahrnehmung abzuzielen, die der Verbegrifflichung von Wahrnehmung gerade vorausliegt, aber er erschließt damit der systematisch-begrifflichen Philosophie eine Sphäre, die bis dahin Dominium und Refugium der ungenauen Regeln der Rhetorik war. Baumgarten negiert die Rhetorik nicht, sondern funktionalisiert sie; „im Schutze ihrer Traditionsargumente entfaltet sich das Neue“ (Marie-Luise Linn. A. G. Baumgartens’ ‚Aesthetica‘ und die antike Rhetorik. In: DVjs. 41 {1967}, S. 424–443,hier: S. 443; vgl. Ursula Franke. Kunst als Erkenntnis. Die Rolle der Sinnlichkeit in der Ästhetik des Alexander Gottlieb Baumgarten. Wiesbaden 1972 bes. S. 109, sowie Michael Jäger. Kommentierende Einführung in Baumgartens,Aesthetica`. Zur entstehenden wissenschaftlichen Ästhetik des 18. Jahrhunderts in Deutschland Hildesheim/New York 1980 u. Friedhelm Solms. Disciplina Aestbetica. Zur Frühgeschichte der ästhetischen Theorie bei Baumgarten und Herder. Stuttgart 1990). Gleichzeitig reduziert die Ästhetik die Sinnlichkeit der Darstellung auf ihren phänomenalen Gehalt. Schmidt-Biggemann spricht von der „alleinigen Legitimität des sachlichen Arguments“ (Schmidt-Biggemann, Topica universalis, S. 302); sie besiegelt damit das Schicksal der Topik und der inventiven, kombinatorischen Virtuosität (vgl. A. a. O., S. 299 u. Beetz, Logik, S. 120–160). Zum Schluß seiner Deszendenzgeschichte der Topik resümiert Schmidt-Biggemann lakonisch: „Die Konstitution der Ästhetik beseitigte die letzten Reste universaler Topik.“ (A. a. O., S. 302)

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  2. Doch stehen bereits die umfänglichen Poetiken des Barock, die Winfied Barner aufgearbeitet hat unter ‚Methodisierungsdruck‘ (vgl. Winfied Borner. Barockrhetorik. Untersuchungen zu ihren geschichtlichen Grundlagen. Tübingen 1970).

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  3. Vgl. Francis J. Kovach. The Transcendentality of Beauty in Thomas Aquinas. In: Die Metaphysik im Mittelalter. Hrsg. v. Paul Wilpert. Berlin 1963, S. 386–392.

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  4. Die Transformation der hermeneutica sacra in eine hermeneutica profana bewahrt eine Reihe struktureller Isomorphien: Hans Georg Gadamer bestimmt mit Spiel und Bildhaftigkeit zwei Momente der Erfahrung des Kunstwerks, die das Paradigma universal gültiger hermeneutischer Erfahrung darstellt. Sie entsprechen strukturell den Praxis und Werkcharakter genannten allgemeinen Konstituenten der Textualität. Das Spiel fordert vom Spieler, seine Affekte zurückzustellen und sich den Notwendigkeiten des Regelkorpus zu fügen. Damit aber ist ‚das,Subjekt‘ der Erfahrung der Kunst, das was bleibt und beharrt, [...] nicht die Subjektivität dessen, der sie erfährt, sondern das Kunstwerk selbst. [...] Das Subjekt des Spiels ist nicht der Spieler, sondern das Spiel kommt durch den Spielenden lediglich zur Darstellung.“ (Hans Georg Gadamer. Wahrheit und Methode. Tübingen 3 1973 S. 98; vgl. 102) Die Gadamersche Hermeneutik ist keine Theorie des Verstehens als kommunikativer Akt sondern Theorie des Selbst-Verständnisses der Vernunft. Sie reiht sich ein in die Tradition Lutherscher Hermeneutik und bleibt ihr treu, auch wenn sie inhaltlich die Erfahrung des Glaubens durch die Erfahrung einer Vernunft substituiert, die sich nur in den jeweiligen Modi ihres Erscheinens zeigt. Klaus Weimar zeigt diese Hermeneutik als rekonstruktive Verbegrifflichung — und implizit damit als nachgängige,Rationalisierung inspirierten Sinn-Erlebens: „Am Anfang steht für Luther die unbestreitbare Erfahrung, daß anläßlich oder aufgrund der Predigt über Texte der Bibel oder anläßlich oder aufgrund dieser Texte selbst ein Verständnis entstehen kann, welches Glaube genannt wird, und als Erfüllung der Intention dieser Texte angesehen wird. Um dies Verständnis als sinnvoll, möglich und notwendig begreifen zu können, muß in Übereinstimmung mit ihm rekonstruiert werden, wie Predigt und Text beschaffen sein müssen, damit die Erfahrung des Glaubens Erfüllung ihrer Intention ist. Das hermeneutische Denken ist Extrapolation der Erfahrung des Glaubens, welche im Gang der Begründung ihren Ausgangspunkt als Ziel anvisiert. Das ist die genuine Form des hermeneutischen Zirkels, welcher nicht das Verstehen, sondern das Verstehen des Verstehens, eben die Hermeneutik, die Reflexion, betrifft und im vollendeten Begreifen des Verstehens als Vollendung der Bewegung des Verstehens auftritt, wie es ja auch nicht anders sein kann, wenn das Verstehen als Verstehen verstanden werden soll.“ (Klaus Weimar, Historische Einleitung zur literaturwissenschaftlichen Hermeneutik. Tübingen 1975 S. 32f.) „Luthers Hermeneutik (...J leitet die ihr vorausliegende Erfahrung des Ereignisses Glauben nicht ‚historisch‘ als Ereignis der Auslegung der Schrift ab, sondern befragt es ‚transzendental‘ nach den Bedingungen seiner Möglichkeit [in der Schrift).“ (A. a. O., S. 33f.) Ihr wird „der Text, die Schrift als Wort Gottes, zum Subjekt der Auslegung, und zwar weil diejenige Form des Verstehens, welche theologisch Glauben genannt wird, als nicht machbar und also nicht verdienstlich erfahren wurde.“ (A. a.O., 34f.) Neben dieser inspirierten theologischen Hermeneutik beschreibt Weimar einen zweiten, säkularen Zweig der Tradition, der in der rationalistischen Philosophie und damit semantisch in einer Repräsentationstheorie des Zeichens gründet. Iht Kronzeuge ist Gottsched, dessen Konzept wird als Expansion Wolffscher Philosophie ins Literarische verstanden. Das Problem dieser — Weimar nennt sie „Signifrkationshermeneutik“ — ist nicht, den Prozeß des Verstehens selbst auf die Bedingungen seiner Möglichkeit hin zu reflektieren, sondern ihn in seinen materialen Parametern zu bestimmen. In dieser Form ist Hermeneutik Theorie, nicht Meta-Theorie der Kommunikation. Sie will — um einen Ausdruck Gadamers zu gebrauchen, den er für die eigene Konzeption ausdrücklich ablehnt, (Gadamer, Wahrheit, S. 372) — „psychische Transposition“: „Der Prozeß der Sprachwerdung führt von den res über die notiones zu den verba; der Prozeß der Auslegung bzw. des Verstehens führt von den verba über die notiones zu den res, ist also die spiegelbildlich genaue Umkehrung der Entstehung. Der Verstehende folgt der Signifikation der Rede und eignet sich durch Aufgeben der worthaften Zeichen den selben Sinn (significatus) an, welcher im Geist des Redenden war. Der Verstehende entspricht der Intention des Redenden, indem er den Prozeß der Entstehung der Rede sozusagen rückwärts ablaufen läßt, vom Wortzeichen über die Begriffe zu den in ihnen vergegenwärtigten Sachen, und ein Zeichen erfüllt seine Aufgaben vollkommen, indem es sich selbst aufgibt und nur zur Sache bringt. Das Verständnis einer Rede ist dann richtig und angemessen, wenn der Verstehende aufgrund seiner Sach- und Sprachkenntnis anläßlich der gehörten Wörter mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit und Genauigkeit dieselben Begriffe oder Vorstellungen von denselben Sachen hat wie der Autor. Die richtige Auslegung führt zu einer Verdopplung des gemeinten Sinnes, indem der Verstehende der significatio der Worte folgt.“ (Weimar, Einleitung, S. 16f.)

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  5. Zum Problem des ‚Sprunges‘bei Leibniz vgl. Martin Gueroult. Raum, Zeit, Kontinuität und Principium indiscernibilium. In: Systemprinzip und Vielheit der Wissenschaften. Hrsg. v. Udo Wilhelm Borgend und Jürgen Blühdorn. (Studia Leibnitiana, Sonderheft 1) Wiesbaden 1969, S. 62–77, bes. S. 72f.

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  6. Diese Darstellung ist — siehe Ramus-Kapitel — freilich nur ein systematisches, ahistorisches Modell zur Beschreibung einer historisch komplexen Interdependenz.

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  7. Tatsächlich werden die vernunftunfähigen Subjekte aus der Gattung ausgegrenzt oder in das Stadium der Vor-Vernunft, in Kindlichkeit verwiesen.

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  8. A) Zitiert wird im Allgemeinen — und ohne weitere Kennzeichnung — nach der Ausgabe: Gottfried Wilhelm Leibniz. Philosophische Schriften. Hrsg. u. übers. v. Hans Heinz Holz. Darmstadt 1959ff. Band 1 dieser Ausgabe enthält vermischte Schriften, Bd. 2 (2 Tle.) die Theodizee und Bd. 3 (2 Tle.) die Nouveaux Essais. Aus dieser Ausgabe werden die einzelnen Titel nach evtl. Buch, Paragraph und Seitenzahl unter den folgenden Siglen zitiert: Monadologie: Mo; Nouveaux Essais Sur L’Entendement Humain: NE; Essais De Théodicée Sur La Bonté De Dieu, La Liberté De L’Homme Et L’Origine Du Mal: Th; Systeme nouveau De La Nature Et De La Communication Des Substances, Aussi Bien Que De L’Union Qu’Il Y A Entr L’Ame Et Le Corps: SN; Princeps De La Nature Et De La Grace, Fondés En Raison: PN. Darüber hinaus wurde herangezogen: G. W. L. Die philosophischen Schriften. Hrsg. v. C. I. Gerhardt. 7 Bde. Berlin 1875ff. (Repr. Hildesheim 1962). Diese Ausgabe wird unter der Sigle,Gerh., nach Band- und Seitenzahl zitiert. Zitate aus der Akademie-Ausgabe (vgl. Kap. 1, Anm. 131) werden weiterhin mit der Sigle ‚SS‘, Zitate aus den Politischen Schriften (vgl. Kap. 1, Anm. 197) mit der Sigle ‚PS‘ gekennzeichnet. Ausnahmsweise wird auch auf die Ausgabe Gottfried Wilhelm Leibniz. Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand. Übers., eingel. u. hrsg. v. Ernst Cassirer. Hamburg 1971 zurückgegriffen. Dabei wird mit dem Zusatz (Cassirer) zur Sigle NE kenntlich gemacht.

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  9. B) Im Zentrum dieser Ausführungen stehen nicht die bestimmten Modalitäten und Möglichkeiten sprachlicher Repräsentation, sondern die Bedingung und die systematische Fassung des Zeichens als solches. Zum Repräsentationsbegriff Leibnizens, dessen Bedeutung und zur älteren Literatur vgl. Dietrich Mahnke. Leibnizens Synthese von Universalmathematik und Individualmetaphysik. Halle 1925 (Repr. Stuttgart-Bad Cannstatt 1964, S. 515ff.; zur Sekundärliteratur über Leibnizens Sprachauffassung und -theorie vgl. Klaus D. Dutz. Zeichentheorie und Sprachwissenschaft. Eine kritisch annotierten Bibliographie der Sekundärliteratur. Mit einem Anhang: Sekundärliteratur zur Sprachforschung im 17. Jahrhundert v. Ulrike Klinkhammer. Münster 1983, sowie die Leibniz-Bibliographie. Hrsg. v. Albert Heinekamp. Frankfurt a. M. 1984, S. 307–317.

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  10. Zum Problem des Verhältnisses körperlicher Mechanik und panpsychistischer Ontologie vgl. Martin Schneider. Leibniz über Geist und Maschine. In: Phil. Jb. 92 (1985), S. 335–352.

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  11. Leibniz betont: „{...3 la notion des Atomes est chimerique, et ne vient que des conceptions incompletes des hommes.“ (NE II, 17, § 3, S. 392) Vgl.Hans Poser. Gottfried Wilhelm Leibniz. In: Klassiker der Philosophie. Hrsg. v. Ottfried Hoffe. Bd. 1, München 21985, S. 378–404, hier: S. 394ff.; Hans Heinz Holz. Leibniz. Stuttgart 1958,2.29–59.

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  12. Wie Gott als Gott der Macht der Ort absoluter Identität war, ist er aus der Perspektive der „petits Dieux“ (SN, § 5, S. 206) d. h. der humanen Monaden, als Gott der Ideen Ort aller Differenz, denn, wie Hans Heinz Holz in bezug auf den Leibnizschen Seinsbegriff formuliert: „Unendlichkeit ist nur intentsiv als Repräsentation des Ganzen im Individuum zu fassen, also gerade als Einheit. Der vollständige Begriff des Individuums schließt nach Leibniz die unendliche Existenz ein, weil es die series rerum als vollständige Menge der requisita seiner einschließt.“ (Hans Heinz Holz. Leibniz: Die Konstruktion des Kontingenten. In: Klaus Peters/Wolfgang Schmidt/Hans Heinz Holz. Erkenntnisgewiflheit und Deduktion. Zum Aufbau der philosophischen Systeme bei Descartes, Spinoza und Leibniz. Darmstadt u. Neuwied 1979, S. 129–178, S. 158)

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  13. Vgl. Kondylis, Aufklärung, S. 55ff.

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  14. Solche wäre unmöglich, da wiederum Differenzielles substanzialisiert würde.

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  15. Ein kontinuierlicher Wechsel ist entweder als metamotphotischer oder als metempsychotischer Prozeß denkbar. Als Hegemonikon und Ort der intellektuellen Präsenz ihres Körpers sind dessen Veränderungen der Monade akzidentell. Metamorphotische Prozesse kann es also auf der Ebene der Körper geben, nicht aber auf jener der Monaden, denn solche bedeuteten Übergänge des ex definitione identischen Bewußtseins der Monade von einer Identität zur anderen. Leibniz lehnt Metempsychosen ab (vgl. Mo, § 72; SN, § 51f., S. 206f.).

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  16. Aus der Perspektive Hegelscher Logik, welche die Individualität der Monade ausgehend vom Begriff möglicher Logizität des Seins und den Möglichkeiten seiner Prädikation betrachtet: Holz, Konstruktion.

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  17. Die absolute Identität ist das Wesen Gottes und stellt ihn außerhalb der Zeit: „Summum illud Ens perfection non augetur, quia est extra tempora et mutationes, et praesentia futuraque aeque complectitur.“ (An mundus pefectione crescat. In: G. W. L. Philosophische Schriften, Bd. 1, S. 368 — 372 hier S. 372.)

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  18. Für die Konzeption der Monadologie gilt, was Günther Buck in Auseinandersetzung mit Robert Spaemann für die Neuzeit allgemein formuliert: „In Wirklichkeit ist,Selbsterhaltung, wo sie als,fundamentale Kategorie alles Seienden, vor allem aber des menschlichen Daseins, im Gefolge der neuzeitlichen Inversion auftritt, sogleich synonym mit ‚Selbststeigerung‘. Genauer: Selbsterhaltung ist hier nur denkbar als Selbststeigerung.“ (Buck, Selbsterhaltung, S. 217) Freilich ist diese Interpretation nicht notwendig ein Einwand gegen den Spaemannschen Befund: „(...3 das Sein steigert sich nicht zum Tätigsein, sondern die Tätigkeit ihrerseits hat zum alleinigen Ziel die Erhaltung dessen, was ohnehin schon ist.“ (Robert Spaemann. Bürgerliche Ethik und nichtteleologische Ontologie. In: Selbsterhaltung, S. 76–121 hier S. 80), wenn man in Betracht zieht, daß diese Gleichförmigkeit der Existenz eben kein Gesetz der Phänomene, sondern ein Produkt ihres sich in der Varianz der Phänomene durchhaltenden Begriffs ist. Für den Menschen ist qua Gedächtnis nicht nur die Akkumulation seiner Bewußtseinszustände, sondern gleichfalls deren Reflexion konstitutiv. Da die Begriffe wiederum virtuell sind und ihre Gültigkeit abhängig von der Iteration ihres reflektierenden Vollzuges, ist die Selbstbehauptung humaner Identität nur als Prozeß der Akkumulation identischer Begriffe denkbar.

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  19. Der nächste Paragraph wiederholt die façon du parler der Kausalitäten: „Aussi voyons nous que la Nature a donné des perceptions relevées aux animaux par les soins, qu’elle a pris de leur fournir des organes, qui ramassent plusieurs rayons de lumiere ou plusieurs undulations da l’air pour les faire avoir plus d’efficace par leur union.“ (Mo, § 25)

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  20. Damit droht die Gefahr eines unendlichen Regresses und das Dilemma aller Reflexionsphilosophie. Vgl. Dieter Henrich. Fichtes Ich. In: Ders. Selbstverhältnisse. Gedanken und Auslegungen zu den Grundlagen der klassischen deutschen Philosophie. Stuttgart 1981, S. 57–82.

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  21. Zur komplexen Konstruktion der Interdependenz von Kontinuität und Diskretheit temporaler Stasen vgl. Gernot Böhme. Zeit und Zahl. Studien zur Zeittheorie bei Platon, Aristoteles, Leibniz und Kant. Frankfurt a. M. 1974, S. 195–257 bes. 247; Sybille Krämer. Zur Begründung des Infinitesimalkalküls durch Leibniz. In: Philosophia naturalis, 28 (1991), S. 117–146. Die Ausführungen von Ernst Cassirer können — wie von Cassirer selbst in späteren Jahren — als überholt betrachtet werden (vgl. Ernst Cassirer. Leibniz System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen. Marburg 1902 (Repr. Darmstadt 1961), S. 90–102.

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  22. Vgl. Moses Mendelssohn. Ober die Empfindung. In: Derr. Ästhetische Schriften in Auswahl. Hrsg. v. Otto F. Best. Darmstadt 1974 S. 29–110, bes. die von Mendelssohn selbst verfassten,Anmerkungen des Herausgebers (A.a.O., S. 91–110)

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  23. Eine „imagination forte“ wirkt, indem sie „frappe et erneut“ (Mo, § 27). Auf der kreatürlichen Ebene argumentiert Leibniz mit dem antiken Wirkungsschema des elos kai phobos; dessen christliche Pazifizierung durch spes et metu in dem beruhigten Mitleid der transzendenten Heilsgewißheit ist erst mit dem theologischen Programm der Theodizee und seiner Antizipation der Notwendigkeit, systematisch also auf der vernünftigen Ebene humaner Argumentation zu bewerkstelligen. (Vgl. Manfred Fuhrmann. Einführung in die antike Dichtungstheorie. Darmstadt 1973 S. 291ff.)

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  24. Signifikant für die methodische Schwierigkeit, das Konzept von trans-temporaler Identität monadologisch denken zu können, ist die wiederholte Reformulierung dieses Punktes in der Monadologie (vgl. Mo, § 7, Anm. 1, S. 440). Ursprünglich hatte Leibniz formuliert: „Cependant il faut bien qu’il y ait quelque changement dans les Monades: [...)“ (ebd.); schließlich erstreckt sich die Argumentation über mehrere Paragraphen.

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  25. Sybille Krämer warnt vor einem,naturalistischen Fehlschluß im Verständnis der Leibnizschen Mathematikkonzeption, dem das hier Geäußerte korreliert: „Rechnen heißt nicht einfach mit Zahlen operieren, wie etwa mit Anzahlen von Rechensteinen ‚hantiert‘ werden kann, sondern heißt, mit den symbolischen Repräsentanten der Zahlen regelgeleitet verfahren.“ (Krämer, Begründung, S. 135)

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  26. Zur dieser zeitlichen Verschiebung vgl. Emmanuel Levinas. Intentionalität und Empfindung. In: Ders. Die Spur des Anderen. Untersuchungen zur Phänomenologie und Sozialphilosophie. Freiburg 1983, S. 154–184 bes. 167f.

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  27. „[...] il [Dieu) est toujours parfaitement content et à son aise.“ (Th II, § 114, S. 376) Zur ‚Blödigkeit‘ vgl. Georg Stanitzek. Blödigkeit. Beschreibungen des Individuums im 18. Jahrhundert. Tübingen 1989.

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  28. Auf der Ebene der Perzeption, also auf der Stufe der einfachen Monade, kann Gedächtnis nicht vorkommen, denn was als Erinnerung erscheint ist eine bestimmte Identität kausaler Zuschreibung: Eine Handlung ist dem Subjekt identisch. Aber noch bei Tieren ist die Erinnerung qualitativ, d. h. keine Erkenntnishandlung, sondern eine quasi materiale Rekurrenz der Befindlichkeit, die sich nach Nähe richtet (vgl. Mo, 63ff., S. 466f.). Daß eine Identität der Perzeption als Einheit der Zeit der Abfolge vorausgehen muß, ist hierbei zunächst nicht thematisiert.

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  29. quand on montre le bâton aux chiens, ils souviennent de la douleur qu’il leur a causé et crient ou fuient.“ (Mo, § 26, S. 430/vgl. Zitat oben! Vgl. PN, § 5, S. 420f.) Die pathetische Geste ist kein Zeichen, sondern eine Induktion, die Verhaltensmodifikation bewirkt. Zum Zeichen wird die Geste erst durch die Zuschreibung einer Kausalität, die nicht mit der— prinzipiell unmöglichen — Kausalität selbst zu verwechseln ist. Diese Zuschreibung ist jedoch bereits Produkt von Reflexion. Da die Geste dem Schlag nicht identisch ist, aber in Prolepsis als Indiz und Anzeichen des Schlages gewertet wird, steht sie hier schon etwas für ein anderes. Damit formiert sich ein Zeichenproblem: Das Zeichen wird vom Gedächtnis inszeniert, da die Identität der Erinnerung sich in der je situativen Perzeption als — faktische, nicht als reflektierte — interpretative Vorgabe behauptet. Freilich geschieht diese Interpretation unabhängig von Bewußtsein, einfach als Folge der Identität der Seele. Da diese pathetische Prolepsis auch in der reflektierten Monade noch statt hat, kann es zum Konflikt zweier ‚Zeichenmodi‘ kommen, das Urteil der Vernunft kann als absolut überzeitliches zur relativen Konsistenz des Gedächtnisses in Opposition treten, sobald die Reflexion dem widerspricht, was die Geste bedeutet. Das Illusionsproblem der aufklärerischen Ästhetik deutet sich an; es stellt sich mit dem Bewußtsein der Zeichenhaftigkeit des Gedächtnisses selbst, d. h. mit dem Bewußtsein, daß den Zeichen der Vernunft ein Pathos des Körpers auf gleicher, nämlich der Ebene der Zeichen, entgegenstehen kann, ohne daß sich die Kraft der Vernunft und jene körperlicher Pathetik gegenseitig eliminieren, gerade weil die reflexive, sich selbstbehauptende Vernunft im pathetischen Zeichen das andere ihrerselbst erkennt. Da das Interesse der Vernunft überzeitlich ist, muß ihr Zeichen überzeitlich zu sein, sie erkennt in der kontingenten Biographie des pathetischen Zeichens nur eine Simulation des eigenen Interesses. Da aber auch die Vernunft auf Gedächtnis und damit auf Zeichen angewiesen bleibt, eignet ihren Zeichen gleichfalls ein pathetisches Radikal; und da sie sich ihrer Schwäche bewußt ist, muß sie sich zuweilen eben dieses Radikals bedienen, es amplifizieren und habitualisieren, um sich im status hominis zu behaupten. Dieses pathetische Zeichen der Vernunft ist die vernünftige Bestreitung der Unmittelbarkeit — der Präsenz — des Gefühls. Das Interesse der Vernunft inszeniert eine pathetische Reflexivität: eine vernünftige Domestizierung des Gefühls. Sie versucht in diesem Kampf einen Vorteil dadurch zu erlangen, daß sie ihn auf ihr eigenstes Gebiet: auf das Gebiet der Zeichen zieht.

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  30. Preis für die Fixierung auf Identität des Bewußtseins ist sein katastrophisches Umschlagen. Mit dem Primat des Identischen wird alle Heteronomie zur Bedrohung, weil alles Heteronome als dysfunktional erfahren wird: Aus dem Interesse der Vernunft gedrängt, wird es unbewußt. Im Urteil der Vernunft bedeuten die Zeichen der Biographie Devianz.

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  31. Eben diesen Schluß von Möglichkeit auf Wirklichkeit wird Kant kritisieren.

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  32. Leibniz kennt keinen leeren Raum vgl. Mo, § 61; NE IV, Kap. 7, § 14, S. 401; Ne (Cassirer), Vorrede, S. 18.

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  33. In der Metaphysik der intellektueller Kräfte gibt es keine Indifferenz (vgl. Ne II, Kap. 21, § 48, S. 312f.; NE II, Kap. 20, § 6, S. 226ff.; Th, § 35, S. 261; Th, § 46, S. 277).

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  34. Zu den Stufen der (bewußten) Wahrnehmung vgl. G.W. L. Meditatione de cognitione, veritate et ideis. In: Ders. Philosophische Schriften, Bd. I, S. 32–47.

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  35. Vgl. NE I, Kap. 15, § 5, S. 208; Mo, § 60, S. 464f.

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  36. Et si nous ne remarquons pas tousjours la raison qui nous determine ou plustost par laquelle nous nous determinons, c’est que nous sommes aussi peu capables de nous appercevoir de tout le jeu de nostre esprit et de ses pensées, le plus souvent imperceptibles et confuses, que nous sommes de demêler toutes les machines que la nature fait jouer dans le corps.“ (NE II, Kap. 21, § 13, S. 262)

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  37. Zur Vermittlung der diskreten Stasen zum Kontinuum der Dauer vgl. Gueroult, Raum, S. 66f. u. bes. Krämer, Begründung, S. 134: „Unendliche konvergente Reihen werden [...) zum Beispiel dafür, daß Kontinuierlichkeit nicht einfach als vorgefundene Eigenschaft eines Gegenstandes gilt, sondern als Auszeichnung einer Handlung, mit der wir gewisse Klassen mathematischer Gegenstände erzeugen, z. B. Zahlen, die als Grenzwerte konvergenter Reihen gelten. So wird es verständlich, daß Leibniz in dem Brief an Varignon vom 2. 2. 1702 schreibt:,{...J an peut dire en general que tout la continuité est une chose ideale et qu’il n’y a jamais rien dans la nature, qui ait des parties parfaitement unifomes, mais en en recompense le reel ne laisse pas de so gouverner parfaitement par l’ideal et l’abstrait, et il se trouve que les regles du fini reuissent ans l’infini {...3} Der Terminus,Kontinuität’ enthüllt so eine operative Dimension: Er gilt als eine Vorschrift, eine gewisse Ordnung beim unbegrenzten Ausführen der Operationen zu wahren und auf diese Weise die Ordnung der durch die Operation erzeugten Gegenstände zu verbürgen.“ (Das Leibnizzitat nach Gottfried Wilhelm Leibniz. Mathematische Schriften. Hrsg. v. C. L Gerhardt. 7 Bde., Berlin/Halle 1849–1863 (Repr. Hildesheim 1965), IV, S. 93 )

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  38. Die Theodizee endet dementsprechend auch in einer emphatischen Schau, in der sich Leibniz auf die Schau Antonios in Vallas De voluptate rückbezieht und sie zu überbieten sucht.

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  39. Zur Problematik des principium indiscernibilium vgl. Gueroult, Raum.

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  40. Vgl. Specht, Commercium, S. 69–96.

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  41. Hier sind freilich weder die im engeren Sinne linguistischen Leistungen Leibniz (vgl. Hans Aarsleff. The Eighteenth Century, Including Leibniz. In: Current Trends in Linguistics. Ed. by Thomas A. Seboek. Vol. 13: Historiography of Linguistics, S. 383–480, Section 1: Leibniz S. 385–410) noch seine Bemühungen um eine logische Grammatik Thema. Es geht weder um die idealen Möglichkeiten, noch um die konkreten Bedingtheiten sprachlicher Form, sondern einzig um den systematischen Ort und die daraus von Leibniz — auch als Autor — gezogene praktische Bedeutung des Zeichengebrauchs.

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  42. Freilich wird dabei unter Sprache die vox begriffen und nicht das Bild göttlicher ordo, wie es sich im Text einer — manifesten oder latenten- ‚heiligen Schrift‘ materialisiert, und das die sprachphilophischen Reflexionen im Repräsentamen und in der Reflexion auf die Bedingungen von dessen Möglichkeit nachzubilden versuchen. Entscheidend an dieser Stelle ist, daß in der semantischen Autarkie der Monade Kommunikation nur noch ‚ideal‘, d. h. nur noch über das Medium Gott denkbar ist.

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  43. Ein historisches Indiz für die Gültigkeit der Implikationen der monadischen Konzeption liegt im Absterben der sprachlichen Produktionswissenschaften Rhetorik und Anweisungspoetik, sowie deren Ersetzung durch analytische Wissenschaften wie Kritik, Hermeneutik, Ästhetik, Sprachwissenschaften, die alle zunächst den Zustand,der Monade analysieren und allenfalls nach der Reflexion auf die allgemeinen Bedingungen des Gegenstands notwendige Bedingungen seiner Synthese exponieren. Diese können ihrerseits entweder bedingte, vorläufige Gültigkeit beanspruchen — und werden damit selbst zum Objekt der Analyse (s. u.) —, oder sie rekurrieren auf,primitive Wahrheiten (Mo, § 33), deren Geltung von der Möglichkeit wie dem Ereignis der Kommunikation gänzlich unabhängig ist. (Wenn es linguistische Universalien gibt, existieren sie auch, wenn keiner spricht. Ein rhetorischer common place hingegen ist davon abhängig, daß er von Zeit zu Zeit erfahren wird; erfahren werden kann er, da die Sprache Setzung des Sozialen ist und nur im Sozialen bestehen kann. Das Soziale aber ist rhetorisch gesehen gleich ursprünglich mit der Sprache gestiftet. Der rhetorische Zirkel: Daß die loci communes nur gelten, wenn sie gültig sind.)

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  44. Dem widerspricht scheinbar der Gemeinplatz, daß die Rhetorik nur dort gedieh, wo republikanische Verhältnisse herrschten. Freilich hat Rede nur Sinn in Situationen relativer Freiheit, d. h. solange die Gewalt des Kairos nicht ‚zuschlägt‘. Aber sie hat auch und gerade den Zweck, die ihr nicht eliminierbare Gewalt unschädlich zu machen, sie abzulenken, sich ihr zu entziehen.

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  45. Diese Ergebnisse können jedoch nicht real, sondern nur intentional identisch sein, sonst käme die Welt zum Stillstand, weil eine Identität der intellektuellen Zustände eintreten würde. Sie können aber in ihrem rationalen Substrat identisch sein; die Differenzen markieren dann eine ‚Peripherie‘ als quasi subjektive Begleiterscheinung. Doch heißt dies auch, daß Zustände ohne Peripherie undenkbar sind; die Zustände der Monade sind partielle Identitäten und periphere Differenzen, d. h. Ähnlichkeiten: „{...3 cependant il est tres vray que les perceptions ou expressions de toutes les substances s’entrerépondent, en sorge que chacun suivant avec soin certaines raisons ou loix qu’il a observées, se rencontre avec l’autre qui en fait autant, comme lors que plusieurs s’estant accordés de se trouver ensemble en quelque endroit à un certain jour prefix, le peuvent faire effectivement s’ils veuillent. Or quoy tous expriment les mêmes phenomenes, ce n’est pas pour cela que leur expressions soyent parfaitement semblables, mais il suffit qu’elles soyent proporcionelles; comme plusieurs spectateurs croyent voir la même chose, et s’entrentendent en effect, quoyque chacun voye et parle selon la mesure de sa veue.“ (D, § 14, S. 94 )

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  46. In seiner spekulativen Weiterfiihrung des Leibnizschen Zeitbegriffs interpretiert Gernot Böhme die Zeit der Monade als „die Lebenszeit“ (Böhme, Zeit, S. 254). Abgesehen von dem trivialen Einwand, daß Böhme nicht, wie er formuliert, eine „Zeit der Monade“ (ebd.), sondern die Zeit eines ihrer Zustände meinen kann, bleibt diese Definition unklar, da unter Lebenszeit entweder die Zeit des Organismus oder die Zeit mentaler Selbstgegenwart oder die Zeit intellektueller Selbstmächtigkeit verstanden werden kann.

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  47. Die Intuition Gottes erscheint ad hominem als Umkehrung der Perspektivenmetapher des Blicks auf die Stadt: „Car Dieu tournant pour ainsi dire tous costés et de toutes les façons le Systeme general des phenomenes qu’il trouve bon de produire pour manifester sa gloire, et regradant toutes les faces du monde des toutes les manieres possibles, puisqu’il n’y a point de rapport qui échappe à son omniscience“ (Discours de métaphysique § 14, S. 94, § 14, S. 92)

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  48. Wie Hans Heinz Holz in der Einleitung zu dem Abschnitt Unendlichkeit und Fortschritt der sich mit dem Pascalschen Unendlichkeitsbegriff auseinandersetzt, schreibt, war Leibniz durchaus nicht von einer quasi automatischen und kontinuierlichen Zunahme der Vollkommenheit des Universums überzeugt: „Wird Vollkommenheit nach dem Vorbild der Kraft gedacht, so muß die Summe stets die gleiche bleiben; wird sie hingegen als ein Modus des Vollzugs genommen, so ist sie steigerungsfähig, im unendlichen Ganzen der Welt sogar unendlich stiegerungsfähig.“ (A. a. O., S. 366)

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  49. Nicht das Gedächtnis, sondern die Erinnerung ist Spefizikum der beseelten Lebewesen (als qualitative Erinnerung) und der Menschen (als reflektierende Erinnerung). Gedächtnis ist eine Funktion der Perzeption selbst, nur durch die Leistung der Monade, in ihrer Identität Perzeptionen zu bewahren, ist es überhaupt nöglich, Tatsachen zu erinnern, die zuvor nicht Inhalt der bewußten Aufmerksamkeit waren: „Car toute attention demande de la memoire, et souvent quand nous ne sommes point admonestés pour ainsi dire et avertis de prendre garde à quelques unes de nos propres perceptions presences, nous les liassons passer sans reflexion et même sans être remarquées; mais si quelcun nous en avertit incontinent après et nous fait remarquer par exemple quelque bruit qu’on vient d’entendre, nous nous en souvenons et nous nous appercevons d’en avoir eu tantost quelque sentiment. Ainsi c’estoient des perceptions dont nous ne nous estions pas apperçus incontinent, l’apperception ne venant dans ce cas que de l’avertissement aptes quelque intervalle tout petit qu’il soit.“ (NE, Preface, S. XXII)

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  50. Zum Begriff der Spur vgl. Jacques Derrida. Grammatologie. Frankfurt a. M. 1974 S. 81ff.; zur Konzeption Leibnizens vgl. Gérard Lebrun. La notion de ‚ressemblance‘, de Descartes à Leibniz. In: Sinnlichkeit und Verstand in der deutschen und französischen Philosophie von Descartes bis Hegel. Hrsg. v. Hans Wagner. Bonn 1976, S. 39–57.

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  51. Vgl. NE III, Kap. 9, S. 165ff.

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  52. Für Leibniz impliziert dies die Abwehr quietistischer Mystik (vgl. Discours, § 9f., S. 84ff.).

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  53. Maschinenbau ist die Domäne der Deutschen — sie sind in der Lage, „bewegende Wercke zu verfertigen, die nicht nur die augen sättigen, und großer Herrn Curiosität büßeten, sondern auch etwas verrichten, die natur der Kunst unterwerffen, und die Menschliche arbeit leicher machen körten.“ (SS 4,1, S. 544); doch auch wenn sie die Neugier befriedigen, können sie als,Kommunikationsmaschinen durchaus nützen, wie Leibniz in den Lebensregeln überlegt: „man mus allezeit etwas bey sich (haben) da mit man den leüten verwunderung erwecken könne. Zum exempel die kleine machine so viel last ziehet.“ (SS 4,1, S. 888) Natürlich ist auch die Schöpfung — neben der Unendlichkeit des Lebendigen (vgl. Mo, § 66ff.) — als unendliche Maschine darstellbar (Mo, § 65).

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  54. Indem Leibniz eine klare Sprache fordert, steht er gegen die verblümte Rede barocker Rhetorik; mit seinen Maschinen allerdings scheint er der Allegorie als Erkenntnisfigur — vergleichbar der Metapher im Blumenbergschen Sinne — das Wort zu reden. Vom klassischen Symbolbegriff trennt ihn die Arbitrarität der Setzung, doch ist diese wiederum nicht Produkt eines objektivierten Stiftungsmoments, sondern Resultat intellektueller Mimesis, die in der Verbindung der distanzierten Isomorphie von mundus sensibilis und mundus intelligibilis ein Drittes, Mittleres: ein Zeichen schafft. In der Maschinenmetaphorik wird das Materiale seinerseits zum ‚Zeichen‘ der Relation bewegender Kräfte. Die Maschinenmetaphern sind — als sprachlich materiale — Zeichen und — indem sich das Material als Medium der Transmissions und Transformation von Kräften definiert — zugleich Zeichen des Zeichens.

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  55. Vgl. Leibniz zur Anamnesis: NE I, Kap., 1, § 5, S. 2111

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  56. Ce n’est donc pas le souvenir qui fasse justement le même homme. {...3 car il faut savoir que chaque ame garde toutes les impressions précendentes et ne sauroit se mypartir de la manière qu’on vient de dire: l’avenir dans chaque substance a une parfaite liaison avec le passé, c’est ce qui fait l’identité de l’Individu.“ (NE II, Kap. 1, § 12, S. 110)

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  57. Im Fragment An Mandas perfection crescat (Philosophische Schriften, I, S. 268–272) und anderen Reflexionen zu Pascals Unendlichkeitsbegriff erörtert Leibniz die Möglichkeit des Wiederabstiegs der einzelnen Monade und prüft das Konzept eines ruhenden Universums.

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  58. Zur Stadt vgl. Mo, § 57 u. 8511; zum Getriebe (der Mühle): Mo, § 64, NE LIX; zum Spiegelkabinett vgl. Th II, § 147, S. 458f., NE II, Kap. 29, § 8, S. 458ff.

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  59. Die basale Metaphorizität des Zeichens ist chronologisch, nicht etwa referentiell, wie Leibniz in einer ‚wertneutralen‘ Version des Sündenfalltheorems formuliert: „C’est que nos besoins nous ont obligé de quitter l’ordre naturel des idées, car cet ordre seroit commun aux anges et aux hommes et à toutes les intelligences en general et devroit estre suivi de nous, si nous n’avoins point egard à nos interests: il a donc fallu s’attacher à celuy que les occasions et les accidens, où nostre espece est sujette, nous ont fourni; et cet ordre ne donne pas l’origine des notions mais pur ainsi dire l’histoire de nos decouvertes.“ (NE III, Kap. 1, § 5, S. 8) Zeichen sind an sich Zeichen der Geschichte und zugleich Zeichen einer in den status hominis gefallenen, also Metaphern der absoluten Wahrheit.

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  60. Vgl. Gerhard Schmidt. Leibniz contra Locke — eine Systemkonfrontation. In: Sinnlichkeit und Verstand, S. 59–73; Lüder Gäbe. Zur Aprioritätsproblematik bei Leibniz-Locke in ihrem Verhältnis zu Decartes und Kant. In: A. a. 0., S. 75–106. Zu Locke vgl. Friedrich Kambartel. Erfahrung und Struktur. Bausteine zu einer Kritik des Formalismus und Empirismus. Frankfurt a. M. 1968.

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  61. Mais une Ame ne peut lire en elle même que ce qui y est representé distinctement, elle ne sauroit developper tout d’un coup se replis, car ils vont à l’infini.“ (Mo, § 61, S. 466)

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  62. Leibniz folgt damit für seine Individual-Metaphysik der Tradition der antiken Musikästhetik und ihrer Deduktion tonaler Verhältnisse aus dem Monochord (vgl. auch Th II, § 181, S. 524).

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Schneider, L.L. (1994). Statt eines Schlusses: Leibniz oder die Moral der Vernunft. In: Reden zwischen Engel und Vieh. Kulturwissenschaftliche Studien zur deutschen Literatur. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97042-8_7

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