Zusammenfassung
Am 10. Januar 1929 übertrug der Kölner Rundfunk eine Studiodiskussion über die aktuelle Situation des Theaters in Deutschland, an der auch Bertolt Brecht teilnahm. Brecht ging es in dieser Zeit darum, die überkommene Institution des Theaters frontal anzugreifen und durch experimentelle Inszenierungen zu ersetzen, in denen die strikte Trennung von Agenten und Konsumenten, von Kunstwelt und Alltagswirklichkeit aufgehoben werden könnte. Brecht wußte, daß eine durchgreifende Veränderung des Theaters nicht in erster Linie von „revolutionären“ Stücken oder Themen abhing, sondern von einer Transformation des Theaters als Institution, die Habitus und Sehgewohnheit des Publikums ganz unabhängig von den präsentierten Inhalten der Inszenierungen bestimmt. Die Wendung zur marxistischen Theorie hatte Brecht darüber belehrt, daß die soziale Wirklichkeit der „Kunst“ unsichtbar bleibt, wenn sie vorrangig als „semantisches“ Phänomen bestimmt wird, und daß alles darauf ankomme, ihre materielle Organisation in den Apparaten und Agenturen des Kulturbetriebs in den Blick zu nehmen. Den Impuls der Avantgarde, die die konventionelle Kunst erstmals in ihrer sozialen Existenz als institutionalisierte Kommunikationskonvention sichtbar gemacht hatte,1 nahm Brecht auf und stellte ihn in den analytischen Zusammenhang einer marxistisch orientierten Theorie der Kultur.
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Literatur
Vgl. Peter Bürger: Theorie der Avantgarde. Frankfurt/M. 1974.
Werner Hecht (Hrsg.): Brecht im Gespräch. Frankfurt/M. 1975, S. 29.
Marxistisch-leninistische Ästhetik. Autorenkollektiv unter Leitung v. Michail Owsjannikow. Berlin 1976, S. 5.
Erhard John: Einführung in die Ästhetik. Halle/S. 1969, S. 8.
Georg Lukäcs: Einführung in die ästhetischen Schriften von Marx und Engels. In: G.L.: Schriften zur Literatursoziologie. Hrsg. v. P. Ludz. Neuwied/Berlin 1961, S. 213.
Marxistisch-leninistische Ästhetik, a.a.O., S. 21.
Andrej A. Shdanow: Ausgewählte Reden zur Kunst, Wissenschaft und Politik. Berlin o.J., S. 75 ff.
Hans Christoph Buch (Hrsg.): Parteilichkeit der Literatur oder Parteiliteratur? Materialien zu einer undogmatischen Ästhetik. Reinbek b. Hamburg 1972, S. B.
Georg Klaus/Manfred Buhr (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2. 7. Aufl. Berlin 1970, S. 684 f.
Vgl. die Marx-Deutung von Louis Althusser in: Für Marx. Frankfurt/M. 1968.
Louis Althusser: Ideologie und ideologische Staatsapparate. Aufsätze zur marxistischen Theorie. Hamburg/Berlin 1977.
Louis Althusser: Frühe Schriften zur Kunst und Literatur. Berlin 1981 (alternative 137); Pierre Macherey: Zur Theorie literarischer Produktion. Darmstadt/Neuwied 1974.
Bertolt Brecht: Arbeitsjournal. Hrsg. v. W. Hecht. Band 1. Frankfurt/M. 1973, S. 36.
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Plumpe, G. (1993). Theorie und Politik der Kunst: Marx. In: Ästhetische Kommunikation der Moderne. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97031-2_3
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