Zusammenfassung
Stöbert man in den populären Balladensammlungen des späten neunzehnten, frühen zwanzigsten Jahrhunderts, stößt man auf das stehende Kapitel Heldentum. Um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts entstand der Plan, die ganze deutsche Nationalgeschichte von den alten Sachsen bis zu den Freiheitskriegen herauf, von Hermann und Thusnelda bis Feldmarschall Blücher durch Balladen — aus “vaterländischen Dichtern zusammengestellt”1 — abzudecken. Die reaktionäre Erneuerung der deutschen Ballade kurz nach 1900 steht deutlich unter ähnlichen Vorzeichen. “Wo Sporenklirr und Mut und Manneszorn, / Wo Grimm und Scham die harten Fäuste ballen; Das Hifthorn tönt... es gurrt der wilde Tauber ... / Ein Schrei im Wald ... ein mörderisches Erz ... / Ein letzter Hauch ... / -Das ist Balladenzauber!”, schreibt Joseph Lauff im “balladischen “ Geleitwort zum Neuen deutschen Balladenschatz, 2 einer Anthologie, die aus einem literarischen Preisausschreiben hervorgegangen ist, das die schlummernden poetischen Kräfte wecken sollte, die — eben jetzt: 1906 — der Gestalt einer Balladendichtung zustreben, die so gerne das Wirken elementarer Mächte, das Eingreifen des Wunderbaren in das Menschenleben schildert. — Wolfgang Kayser trug diesen Tendenzen Rechnung, wenn er, und zwar zu einem Zeitpunkt, da mit der Lyrik Frank Wedekinds und Bertolt Brechts Gegenentwürfe einer modernen deutschen Ballade vorlagen, in seiner Geschichte der deutschen Ballade wie folgt definierte: “Balladendichtung.
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Literatur
Als Beispiel, Liederchronik deutscher Helden, hrsg. v. Adolf Böttger, Leipzig o. J. — Beispiele dafür, daß Brecht — als Schüler — derlei patriotischen Phrasen, wie sie im folgenden als Ausgangspunkt genommen werden, recht nah stand, gibt Dieter Schmidt, Baal und der junge Brecht, Stuttgart 1966, S. 32 ff; darunter etwa Äußerungen wie: “Wir alle, alle Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt” oder — mit Bezug auf den Ausbruch des ersten Weltkriegs — “Das ist so schön, daß alle Stimmen schweigen / Und still vor dieser einen Stimme sind, / Die sich erhob mit Donnerklang im Reigen / Der Zeit, die sonst so größelos verrinnt.”
Neuer deutscher Balladenschatz, Berlin 1906, Achtes Sonderheft der Woche, S. XIII.
Wolfgang Kayser, Geschichte der deutschen Ballade, Berlin 21943, S. VII.
Karl Simrock: Drusus Tod” zit. nach Balladenbuch, hrsg. v. Ferdinand Avenarais, erneuert v. Hans Böhm, München, Brunn, Wien 1943, S. 292.
Börnes von Münchhausen, Des deutschen Michels Tod, zit. nach Balladenbuch, a.a.O., S. 305.
Conrad Ferdinand Meyer, Das Lied vom deutschen Schmied, zit. nach Balladenbuch, a.a.O., S. 325.
Amo Holz, Werke, hrsg. v. Wilhelm Emrich, Neuwied, Berlin 1961 ff, Bd. 5, S. 117f.
Hans Fritz von Zwehl, Frühlingsschlacht, zit. nach Balladenbuch, 1961, S. 330.
Deutsche Balladen, hrsg. v. Hans Fromm, München 1965.
Ferdinand Kürnberger, Feuilletons , hrsg. v. Karl Riha, Frankfurt/Main 1967, S. 57ff.
Frank Wedekind: Gesammelte Werke, München, Leipzig 1919 ff, Bd. 1, S. 89ff.
Kurt Mautz, Mythologie und Gesellschaft im Expressionismus, Die Dichtung Georg Heyms, Frankfurt/Main, Bonn 1961, S. 315.
Hans Otto Münsterer in Bert Brecht, Erinnerungen aus den Jahren 1917–1922, Zürich 1963.
Dieses und die folgenden Textzitate nach der Ausgabe der Gesammelten Werke, Frankfurt/Main 1967, Bd. 8, S. 256. — Im Vorwort zur Hauspostille, “Anleitung zum Gebrauch der einzelnen Lektionen” notiert Brecht zur fünften Lektion, in der die Legende vom toten Soldaten enthalten ist: “Es wird geben Tagzeiten des Andenkens und der frühen Geschehnisse. Die nachfolgenden fünf Kapitel der fünften Lektion (Die kleinen Tagzeiten der Abgestorbenen) sind für das Andenken und die frühen Geschehnisse. ... Das fünfte Kapitel vom toten Soldaten ist zum Gedächtnis des Infanteristen Christian Grumbeis, geboren den 11. April 1897 in Aichach, gestorben in der Karwoche 1918 in Karasin (Südrußland).”
Börnes von Münchhausen, Frage des Toten, zit. nach Balladenbuch, 1963, S. 333.
s. Anmerkung 8.
Detlev von Liliencron: Gesammelte Werke, Berlin 1911, Bd. 2, S. 49f.
Conrad Ferdinand Meyer: Gedichte, Leipzig 1922, S. 223.
Bertolt Brecht: Gesammelte Werke, 1963, Bd. 19, S. 340ff.
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke, hrsg. v. Mary Gerold-Tucholsky u. Fritz J. Raddatz, Reinbek beim Hamburg 1961, Bd. 2, S. 1062ff.
Bertolt Brecht: Gesammelte Werke, 1963, Bd. 19, S. 395ff.
Kail Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, München 1964, S. 193.
Kail Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, München 1964, 235.
Kail Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, München 1964, S. 143f.
Karl Kraus: Die Fackel, Nr. 413–417, S. 83.
Die Pleite, hrsg. v. Wieland Herzfelde, Berlin 1919. — Siehe auch George Grosz, Frühe Druckgraphik, Sammelwerke illustrierter Bücher, 1914–1923, Ausstellungskatalog Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Berlin 21. Mai bis 27. Juni 1971.
Wieland Herzfelde, Wie ein Verlag entstand, In: Paul Raabe, Expressionismus, Aufzeichnungen und Erinnerungen der Zeitgenossen, Ölten und Freiburg im Breisgau 1965, S. 230.
Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke, 1965, S. 1064f.
Martin Esslin, Brecht, Das Paradox des politischen Dichters, Frankfurt/Main, Bonn 1962, S. 99.
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Riha, K. (1992). Notizen zur Legende vom Toten Soldaten . In: Kritik, Satire, Parodie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97029-9_14
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