Zusammenfassung
Wenn die Technisierung des Alltags eine Veränderung der Strukturen der Lebenswelt des Alltags vor allem in der Hinsicht impliziert, daß die Bedingungen des Alltagshandelns mehr und mehr vergesellschaftet werden, mehr und mehr gesellschaftliche Abhängigkeiten des individuellen Handelns entstehen, dem Subjekt in der Orientierung seines Handelns mehr und mehr Relevanzen „sozial auferlegt“ werden, stellt sich die Frage, wie eine solche gesellschaftliche Strukturierung des Handelns, die ja letztlich in einer gesellschaftlichen Vorgabe von Sinn oder in einer Institutionalisierung und Standardisierung von Orientierungs- und Handlungsschemata besteht, mit dem Schützschen theoretischen Ausgangspunkt vom intentionalen Handeln, vom Sinn setzenden Subjekt, zu vereinbaren ist. Zwar konnte gezeigt werden, wie aus subjektiven Handlungsentwürfen durch Objektivierung gesellschaftlich geteilter Sinn entsteht, wie also ein am subjektiven intentionalen Handeln ansetzender Begriff von Gesellschaft konzipiert werden kann. Ein Problem stellt aber dann die Begründung eines Begriffes von Struktur dar. In welchem Sinne sind die technisch auferlegten Relevanzen im subjektiv intentionalen Handeln eingebettet? Wie gehen sie aus dem motivierten Handeln der Techniknutzer hervor? Gezeigt wurde, daß die Übernahme auferlegter Relevanzen pragmatisch motiviert ist. Gezeigt wurde aber auch, daß der alltagspraktische Modus des Umgangs mit Technik typisch ein Defizit an Bestimmtheit der Bedingungen und Folgen dieser Aneignung und damit eine Abhängigkeit des Handelns von gesellschaftlich vorgegebenen Strukturen impliziert. Damit sind nun relevante Anteile des Handelns nicht aus den subjektiven Intentionen der Techniknutzer herzuleiten. Die Vergellschaftung von Handlungsschemata durch technische Artefakte als Objektivierungen von Um-zuZusammenhängen implizierte ja auf der Seite der Subjekte einen Verzicht auf die Thematisierung der Technik und eine routinisierte, selbstverständliche Anwendung der technisch materialisierten Teilhandlungen.
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Literatur
Vgl. hierzu den Problemaufriß bei Berger (1978).
Vgl. hierzu auch die Verteidigung handlungstheoretischer Ansätze gegen Berger (1978) bei Joas (1979).
Vgl. hierzu die umfassende kritische Auseinandersetzung mit Giddens bei Kießling (1988a). 226
In einem Interview spricht Giddens die Verbindung des Begriffs des praktischen Bewußtseins zu Schütz’ Begriff des “Rezeptwissens” an (vgl. Kießling 1988b, S. 291).
Kießling (1988a) sieht hier den zentralen Schwachpunkt bei Giddens. Mit dem Begriff des praktischen Bewußtseins rücke er von seinem Ausgangspunkt, dem handelnden Subjekt, ab und mache dies zu einem blinden Vollstrecker objektiver Strukturen. Meiner Meinung nach würdigt Kießling aber den Begriff der Regel und der Routine bei Giddens nicht ausreichend, der deutlich macht, inwiefern von “praktischem Bewußtsein” als reflektiertem Handeln gesprochen werden kann
Siehe zur Bedeutung des Begriffs der nicht-intendierten Folgen des Handelns in der Soziologie: Jokisch (1981).
Rückkopplungsprozesse, wiederum als nichteingestandene Bedingungen weiteren Handelns darstellen.“ (Giddens 1988, S. 79)
Es sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, daß auch von der Seite der Technikgenese her Technik als nicht-intendierte Folge sozialen Handelns aufgefaßt werden muß. Die soziale Produktion von Technik umfaßt die interessierte Einflußnahme verschiedener sozialer Gruppen
aus deren Interaktion sich (in Verbindung mit dem durch den gegebenen Stand der Technik bestimmten “technischen Momentum” [Hughes]) das Design einer neuen Problemlösung oder eines technischen System als nicht intendierte Folge der verschiedenen Motive der beteiligten Akteure ergibt (verg. Kap. 2.2 der vorl. Arbeit).
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Hennen, L. (1992). Technische Strukturierung: Technisierung als Handlungsermöglichung und Handlungszwang. In: Technisierung des Alltags. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 104. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97027-5_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97027-5_7
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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