Zusammenfassung
Das Konzept der „streitbaren Demokratie“ ist ein vor allem vom Bundesverfassungsgericht mehrfach bekräftigtes Verfassungsgebot. Wenn man, wie Wolfgang Rudzio, „wehrhafte Demokratie als Fazit der Geschichte“ betrachtet im Rahmen der „antitotalitären Demokratie des Grundgesetzes“, beides als Teile der „Staatsräson der Bundesrepublik“ (Rudzio, 1983, S. 13ff.), dann bedeutet es mehr: Ein verfassungspolitisches und demokratietheoretisches Grundverständnis. Sein eigentlicher Kern besteht in dem Auftrag, die Gegner der Verfassung davon abzuhalten, sie außer Kraft setzen zu können. Träger dieser Schutzfunktion sind, wie wir gesehen haben, vor allem Institutionen, aber auch darunter liegende öffentliche Diskurse. Der Verfassungsschutz schöpft sehr unmittelbar seine Legitimation aus dem Streitbarkeits-Gebot. Seine Beobachtungstätigkeit, seine Berichte an die zuständigen Ministerien und die veröffentlichten Jahresberichte sollen den Schutz der Verfassung vor „Extremisten“ sichern helfen. Seine jüngste historische Entwicklung offenbart jedoch Tendenzen, die über diese Schutzfunktion hinausgehen: Der Wandel vom okkasionellen „Hüter der Verfassung“ zu einer mit modernsten informationstechnologischen Mitteln ausgestatteten großbürokratischen Infrastruktur hat sich vollzogen, Tendenzen einer Veränderung hin zum präventiv orientierten Staatsschutz sind unübersehbar. Die Dominanz des Konzepts der „inneren Sicherheit“ führt zu sicherheitspolitischem Denken in Kategorien von Bedrohung und Abwehr. Sie vernachlässigt die mit dem „Streitbarkeits“-Prinzip verbundene „geistig-politische Auseinandersetzung“. Diese diskursive, konfliktorientierte Ebene erschöpft sich praktisch auf die jährliche Vorlage von Verfassungsschutzberichten. Eine Alternative künftiger Entwicklung kann nur lauten: Mehr Offenheit und Transparenz, mehr Durchschaubarkeit, stärkere Öffnung hin zum Diskurs mit der Gesellschaft, Überprüfung der Rechts-Links-Begrifflichkeit, innere Reformbereitschaft.
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Jaschke, HG. (1991). „Streitbare Demokratie“, politische Institutionen und Konflikte: Zusammenfassende Überlegungen. In: Streitbare Demokratie und Innere Sicherheit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97015-2_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97015-2_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-12198-7
Online ISBN: 978-3-322-97015-2
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