Zusammenfassung
Wie kann der Aufschwung der ökonomischen Beziehungen zwischen kapitalistischen und sozialistischen Staaten erklärt werden, und welche Gründe haben die Regierungen in sozialistischen Ländern für das immer wieder betonte Interesse an intensiven Handelsbeziehungen mit dem Systemgegner? Die spektakuläre Ausweitung der Handelsbeziehungen zwischen den beiden Systemen bis Mitte der siebziger Jahre (und teils auch in späteren Jahren) hat, angesichts des vorher vergleichsweise geringen Umfangs, Anlaß zu vielfältigen Erklärungen gegeben. Was waren die Ursachen und Antriebskräfte? War der Handel, vor allem der Import von Technologie, für sozialistische Länder systemnotwendig, wie gelegentlich im Westen behauptet wird? Erfordert „das realsozialistische Herrschaftssystem ... aus systemstrukturellen Gründen immer von neuem ... kapitalistisches Know-how“?1 Ist Abhängigkeit die strukturelle Ursache für die Bereitschaft zur Kooperation? Haben sozialistische Länder keine Alternative zum Handel mit dem Westen?
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Literatur
Renate Damus, Bestimmungsfaktoren sowjetischer Außenpolitik, in: Leviathan 4/1983, S. 523.
Autorenkollektiv DDR-UdSSR, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Berlin (DDR) 1981, S. 320.
Nikolai Patolischew, Faktor der Festigung des Friedens und der Zusammenarbeit, in: Außenhandel UdSSR 3/1982, S. 2.
Der sowjetische Generalsekretär hob dies im Jahre 1986 hervor. Siehe dazu Christian Meier, Die sowjetische Wirtschaft im 12. Planjahrfünft: Außenwirtschaft auf neuen Wegen?, in: Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, 51/1986, S. 31 ff.
Nikolai Schmeljow, Friedliche Koexistenz und wirtschaftliche Zusammenarbeit, in: Gesellschaftswissenschaften 2/1977, S. 54, zit. in Wolfgang Borchardt, Friedliche Koexistenz und Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik, Hamburg 1978, S. 57.
Paul Freiberg, 65 Jahre Kampf der UdSSR für gleichberechtigte Wirtschaftsbeziehungen, in: Internationales Institut für Wirtschaft und Politik-Berichte (im folgenden als IPW-Berichte) 11/1982, S. 1. Dies ist auch der Leitgedanke, „die von Lenin generell vorgezeichnete Außenwirtschaftsstrategie“, des Buches Autorenkollektiv UdSSR, Trade and Coexistence, Moskau 1984.
W. I. Lenin, Über die Politik der friedlichen Koexistenz, Berlin (DDR), 1976, S. 69.
In diesem Sinne wird beispielsweise Erich Honecker zitiert von P. Freiberg/J. Nitz/G. Scharschmidt, Zum Charakter der dreiseitigen Wirtschaftskooperation, in: IPW-Berichte 2/1979, S. 19.
Autorenkollektiv DDR-UdSSR, a. a. O., S. 318. Auch hier ist Lenin Kronzeuge. Siehe W. I. Lenin, Werke, Band 33, Berlin (DDR) 1962, S. 138.
Dieser Aspekt wird auch in dem 1987 zwischen SPD und SED gemeinsam erarbeiteten Papier deutlich, siehe SPD/SED, „Der Friede kann nicht errüstet, sondern nur vereinbart werden“, abgedruckt in: Frankfurter Rundschau, 28. August 1987, S. 14.
Siehe dazu das Vorwort des Instituts für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED zu W. I. Lenin, Über die Politik der friedlichen Koexistenz, a. a. O., kritisch dazu Wolfgang Borchardt, a. a. O., S. 49–69.
Dieser Begriff wurde von Monika Wandrow, Formen der industriellen Kooperation zwischen sozialistischen Staaten und kapitalistischen Industrieländern, in: IPW-Berichte 4/1979, S. 28, zur Begründung für industrielle Ost-West-Kooperation verwendet.
Wladlen Kusnezow, Internationale Entspannungspolitik. Aus sowjetischer Sicht, Wien 1975, S. 51.
Michal Dobroczynski, Policy Concepts of East-West Economic Relations, in: Co-existence 1/1980, S. 84.
Günter Hinkel, Faktoren zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen sozialistischen und kapitalistischen Staaten, in: Deutsche Außenpolitik 6/1976, S. 859.
Wladimir Kamenzew, Zur Umgestaltung der Außenwirtschaft der UdSSR, in: OstWest-Commerz, 1/1987, S. 28.
Günter Hinkel, a. a. O., S. 856, schreibt apodiktisch: „Die Tendenz zur Internationalisierung des Wirtschaftslebens ist gesetzmäßig.“ Siehe auch Monika Wandrow, Technologieblockade gegen beiderseits vorteilhafte Wirtschaftsbeziehungen, in: IPW-Berichte 1/1985, S. 22.
W. I. Lenin, Werke, a. a. O., S. 138. Diese Passage wird in den heutigen Arbeiten zum Ost-West-Handel immer wieder als Begründung angeführt. So z. B. bei J. Nitz, Zum Charakter ökonomischer Beziehungen zwischen sozialistischen und kapitalistischen Ländern, in: IPW-Berichte 10/1975, S. 17, G. Hinkel, a. a. O., S. 857, Autorenkollektiv DDR-UdSSR, a. a. O., S. 318 f. und Paul Freiberg, a. a. O., S. 2.
Jürgen Nitz, a. a. O., S. 16. Kritisch dazu Uwe Stehr, Wie nötig braucht der Osten den Westen?, in: Friedensanalysen 9, Frankfurt/Main 1979, S. 81–114 und die von ihm zitierte Literatur, S. 90 ff.
Auf technologische Abhängigkeit wird in den Veröffentlichungen aus sozialistischen Ländern kaum eingegangen. Paul Freiberg, a. a. O., S. 6. Ähnlich argumentiert G. Stepanow, East-West Business Ties: A Sphere of Cooperation, not an Instrument of Blackmail, in: International Affairs (Moskau) 12/1981, S. 46. Ebenso O. Bogomolov, The Helsinki Conference and Economic Cooperation, in: International Affairs (Moskau) 9/1985, S. 82.
Jürgen Nitz, a. a. 0., S. 25. Paul Freiberg, a. a. 0., S. 5, schreibt, „die Dank des beharrlichen Kampfes… um gleichberechtigte, gegenseitig vorteilhafte Wirtschaftsbeziehungen entwickelten Formen der Wirtschaftszusammenarbeit begannen sich von ihrem Inhalt und ihren Prinzipien her wegweisend für die Schaffung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung durchzusetzen…“. Dazu auch Jürgen Nitz, Europäische Sicherheit und ökonomische Zusammenarbeit, in: IPW-Berichte 1/1987, S. 4.
Janos Szita, Perspectives for All-European Economic Cooperation, Leyden/Budapest, 1977, S. 44.
Max Schmidt, Der Entspannungsprozeß und Probleme der ökonomischen Zusammenarbeit von Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung, in: IPW-Berichte 2/1979, S. 1–3.
Text siehe Bulletin, Presse-und Informationsdienst der Bundesregierung vom 15. August 1975, S. 975.
A. Bykov, Economic Exchanges: A Factor for Peace, in: International Affairs (Moskau) 9/1985, S. 86.
So Max Schmidt in seinem zur XIII. Konferenz der International Political Science Association 1985 in Paris vorgelegten Papier (deutsche Version), Bedingungen und Erfordernisse friedlicher Koexistenzpolitik in Europa und einer dementsprechenden Koalition der Vernunft, S. 5.
Christine Fiedler/Jürgen Nitz, Wirtschaftskrieg — ökonomische Komponente der USA-Konfrontationspolitik, in: IPW-Berichte 10/1982, S. 9–15.
Paul Freiberg/Jürgen Nitz, Tendenzen im Ost-West-Handel Mitte der 80er Jahre, in: IPW-Berichte 11/1985, S. 7–12.
Paul Freiberg/Jürgen Nitz, Tendenzen im Ost-West-Handel am Beginn der achtziger Jahre, in: IPW-Berichte 5/1983, S. 1–7; dies., Tendenzen im Ost-West-Handel Mitte der achtziger Jahre, a. a. O., S. 12. Ebenso Gaston Gaudard, East-West Trade in a Changing World Economy, in: J. Dobozi/H. Matejka (Hrsg.), East-West Relations in the Mid-Eighties: in Search of a New Equiilibrium, Budapest 1984, S. 11–26.
Otto Reinhold, Den Frieden miteinander sichern, in: Horizont, 4/1986, S. 3.
Bruce Parrott, Soviet Foreign Policy, Internal Politics, and Trade with the West, in: Bruce Parrott (Hrsg.), Trade, Technology, and Soviet-American Relations, Bloomington 1985, S. 41 ff.
Heinrich Machowski, Die Sowjetunion, in: Reinhard Rode/Hanns-D. Jacobsen (Hrsg.), Wirtschaftskrieg oder Entspannung?, Bonn 1984, S. 274f. erwähnt „zahlreiche Diskussionen mit sowjetischen Kollegen und Fachleuten“, die die Annahme bestätigen, daß die praktizierte Außenwirtschaftspolitik in der Sowjetunion Gegner hat. Ähnliche Beobachtungen kann man auch in der DDR machen.
Auch zur Unterstützung der innergesellschaftlichen Reformen Gorbatschows, speziell der Notwendigkeit ökonomischer Leistungsreize, wird Lenin als Kronzeuge bemüht. Die von Lenin 1921 durchgesetzte „Neue Wirtschaftspolitik“ wird, statt wie bisher als taktischer Rückzug, nunmehr als langfristig vorausschauende Strategie interpretiert. Dazu Henrik Bischof, Reformmaßnahmen in der Sowjetunion, in: Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, April 1987, S. 29.
So z. B. Gerhard Brendel/Dietmar Willme, Bürgerliche „Theorien“ zum Außenhandel der RGW-Länder, in: Deutsche Außenpolitik 4/1975, S. 548–561. Ebenso Autorenkollektiv DDR-UdSSR, a. a. O., S. 353.
Zitat nach der englischen Übersetzung der Prawda vom 22. Januar 1986 des Informationsdienstes des schwedischen Instituts für Außenpolitik. Siehe auch Presseberichtserstattung, z. B. Neue Züricher Zeitung vom 25. Januar 1986.
Stalins Position zum Handel mit kapitalistischen Ländern wird bis heute in den zahlreichen oben zitierten Veröffentlichungen nie erwähnt. Ebensowenig Trotzki, der sich in diesen Fragen ähnlich äußerte wie Lenin; siehe z. B. das Zitat in E. H. Carr, A History of Soviet Russia, Band 5, London 1958, S. 453.
Zwischen 1924 und 1928 fand in der UdSSR eine Auseinandersetzung um Konzepte eines gleichgewichtigen Wachstums in Industrie und Landwirtschaft (einer der Verfechter war Bucharin) und einer binnen-und akkumulationsorientierten Entwicklung der Schwerindustrie statt (wichtigster Vertreter war Preobraenskij). Mit der Annahme des Fünf-Jahres-Planes 1928 war der Streit zugunsten der „Superindustrialisierung“ entschieden, mit der Stalin die Macht der Bauern brechen wollte. Siehe hierzu Hans-Erich Gramatzki, Industrialisierung, in: D. Nohlen (Hrsg.), Pipers Wörterbuch zur Politik, München 1986, Bd. 4, S. 180f.
Alec Nove, An Economic History of the U.S.S.R., Harmondsworth 1972, S. 316.
Von Stalin niedergelegt in seiner Schrift Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR, Moskau 1952.
Zitiert nach der deutschen (gekürzten) Ausgabe Gunnar Adler-Karlsson, Der Fehlschlag, Wien/Frankfurt/Zürich 1971, S. 94.
In diesem Sinne interpretierte Uwe Stehr, a. a. O., S. 85, M. Senin, Sozialistische Integration, Berlin (DDR) 1972; ebenfalls in Uwe Stehr, a. a. O., S. 83f., M. Maksimova, in: MEIMO 8/1986, S. 76f.
Hans-Hermann Höhmann, Von Breschnew zu Andropov, in: Berichte des Bundesinstitutes fair ostwissenschaftliche Studien, 10/1983, S. 6f.
F. Kozma, Economic Integration and Economic Strategy, Budapest 1982, S. 31–33, zit. in L. Csaba, Three Studies on the CMEA, in: Trends in the World Economy, No. 52, Budapest 1985, S. 64 f.
Innerhalb der RGW findet vermutlich (nicht öffentlich) eine Diskussion statt. L. Csaba, a. a. O., beleuchtet das importinduzierte Wachstumsmodell kritisch. Aussagen wie die des Sekretärs des tschechoslowakischen Zentralkomitees, Vasil Bilak „Wer Westkredite nimmt, verschreibt sich dem Teufel“, zit. in Frankfurter Rundschau vom 26. Juni 1985, die er auf dem Höhepunkt der Polenkrise tätigte, sollten sicherlich nicht als ernstgemeinte politische Analyse verstanden werden. Siehe auch OECD, East-West Technology Transfer, Paris 1984, S. 38 ff.
Egbert Jahn, Vier Ansätze zur Analyse sozioökonomischer Grundlagen der sowjetischen Außenpolitik, in: Egbert Jahn (Hrsg.), Sozioökonomische Bedingungen der sowjetischen Außenpolitik, Frankfurt/New York 1975, S. 13–33, wirft der sowjetisch-sozialistischen Außenpolitik vor, „nicht einmal den Schein einer historisch-materialistischen Anlayse“ (S. 16) zu wahren.
J. Primakow, Die neue Philosophie der Außenpolitik, in: Prawda, 10. Juli 1987, abgedruckt in: Mediatus, 8/9, 1987, S. 10. Ähnliche Äußerungen tauchen in den politischen Bewertungen in sozialistischen Ländern seit wenigen Jahren immer häufiger auf. Siehe dazu Christiane Rix, Ansätze für eine neue Sicherheitspolitik der DDR, in: Hamburger Beiträge, Heft 10/1986, S. 48ff.
Otto Reinhold, a. a. O.; dazu ebenfalls Christiane Rix, a. a. O., S. 33f
Max Schmidt/Gerhard Basler, Koalition der Vernunft und des Realismus, IPW-Berichte 5/1985, S. 3. Dazu ebenso das gemeinsame Papier von SPD und SED, a. a. O.
Gerhard Scharschmidt, Stellung und Perspektiven der Ost-West-Zusammenarbeit auf Drittmärkten aus der Sicht der DDR, in: IPW-Berichte 7/1984, S. 7.
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Wulf, H. (1989). Warum sind sozialistische Länder am intersystemaren Technologie-Handel interessiert?. In: Albrecht, U. (eds) Technikkontrolle und Internationale Politik. Leviathan Sonderheft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97003-9_4
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