Zusammenfassung
Die Crux bei der Analyse derartiger Texte (am meisten noch bei Reden von Nazi-Größen) ist die Einschätzung ihrer Wirkung: Die Mechanismen der nationalsozialistischen Propaganda erscheinen beim heutigen Lesen meist bis an die Grenzen des Komischen plump und durchsichtig, so daß es schwerfällt, eine größere Wirkung anzunehmen (was der bequemen Erklärung der damaligen gesellschaftlichen Integration allein durch Terror Vorschub leistet). Das in den DB abgedruckte Material, insbesondere Texte von Kindern und Jugendlichen, bietet hier Anhaltspunkte, wie die offiziellen Texte überhaupt erst gelesen werden können.
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Literatur
Das gilt, wie oben in Hinblick auf den „Reichsberufswettkampf“ angedeutet, so für die nicht-bürgerliche Jugend, gilt aber auch für große Teile der anderen Jugendlichen, die in einem idealistischen Elan hier über ihren bürgerlichen Schatten springen konnten; s. den in dieser Hinsicht eindrucksvollen Bericht der Melita Maschmann (1963).
Die Voraussetzung ist, daß die HJ trotz des Gesetzes über die Staatsjugend eine freiwillige Organisation blieb; das änderte sich erst mit den Durchführungsverordnungen zu diesem Gesetz, die sehr viel später erlassen wurden: zunächst im Mai 1939 und vor allem dann unter Kriegsbedingungen mit der Jugenddienstpflicht im April 1940.
Das ist der Kern der frühen Faschismusanalyse von Ernst Fraenkel (1974). Vgl. dazu auch die Widersprüche von ungewünschtem national-sozialistischem Elan und faschistischer Verstaatlichung, auf die ich oben in Abschnitt 4 hingewiesen habe, s. bes. Anm. 9.
Das gilt ex negativo auch für diejenigen (wieviele?), die sich den Leistungsprüfungen nicht unterzogen. Das Leistungsabzeichen wurde 1934 eingeführt (s. dazu die gerade wegen ihrer apologetischen Haltung aufschlußreiche Darstellung bei Blohm (1977), bes. S. 134. Unsere Quelle ist ein 1935 ausgestelltes „Leistungsbuch“ der Hitler-Jugend (Druck: München: Eher Verlag, o.J.), das einer Arbeitsgruppe des Seminars von dem Schwiegervater einer Teilnehmerin zur Verfügung gestellt wurde — Beleg für die in Gang gesetzte Diskussion. Ich danke Elke Wehrmann bzw. Herrn Johann Wehrmann für die Bereitschaft, mir die Materialien zur Auswertung zu überlassen.
Das Leistungsbuch präsentiert sich als offizielles Dokument nach der Art eines Personalausweises (im vergleichbaren Format, ca. 10 x 14 cm, fester grauer Umschlag mit an Hoheitszeichen anknüpfenden, runenähnlichen Ornamenten). Seite 1 enthält die Personaldaten mit gesiegeltem Paßfoto und den Unterschriften des Inhabers wie des Vertreters der ausstellenden HJ-Behörde. Im folgenden Vorlagen für die Beurkundung von Prüfungen („Pimpfenprobe“ und die abgestuften „Leistungsabzeichen“, S. 4–5), generelle Bestimmungen über die Prüfungen, Vordrucke für die Leistungsnachweise u.dgl., insges. 61 S.17 Die prominente Rolle Stellrechts spiegelt sich noch gut in der apologetischen Darstellung bei Blohm (1977), wo er passim in unterschiedlichen Funktionen bei der „Reichsjugendführung“ erwähnt wird (1936 als „Obergebietsführer“, S. 105; 1937 als Chef des „Hauptamtes für Leibeserziehung“, S. 127; 1938 als Leiter des Amtes für „Ertüchtigung“, S. 131). Dabei wird von Schirach mit Bezug auf den extremen Militarismus seines Untergebenen Stellrecht reingewaschen — wie er es selbst im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß versuchte (demnach hat er Stellrecht aus der „Reichsjugendführung“ versetzen lassen), vgl. a.a.O., S. 126 u. 132.
S. dazu recht informativ Lange (1941).
Auch hier sind die Grenzziehungen „kontextfrei“ nicht so eindeutig. Der Ausdruck Staat gehörte zugleich zu dem zeremonialen Apparat, der seines (potentiellen) begrifflichen Inhaltes entleert wurde. So kommt er gerade im Diskurs von und für Frauen vor — denen er damit zugleich eine symbolische Anerkennung, ihre Aufnahme in den politischen Raum signalisiert. Vgl. „Während diese Forderung für die männliche Jugend vor allem die Wehrhaftigkeit erstrebte, kommen für die Frauen und Mädchen andere Ziele in Frage. Hier gilt es in erster Linie dem Staate gesunde Mütter durch die Pflege körperlicher Ertüchtigung zur Verfügung zu stellen, die ihm wehrfähigen Nachwuchs geben und erziehen“ (in:. Deutsche Sportschau 13 (1933), hier zitiert nach Meißner (1956: 194).
Bei Luise Fick (1939) wird diese Akzentuierung kurios deutlich, wenn sie die Folgen davon (wie sie es sieht) beschreibt, daß im Ersten Weltkrieg die wirklichen Führer an der Front waren: daß zuhause eine „mädchenhafte, weichlichere Art“ in der Jugendbewegung um sich griff, gegen die „die echten Jungen Sturm (liefen)“ (a.a.O., S. 115). Militarisierung und opferbereite Pflichterfüllung sind hier wie da verquickt.
Die gesuchte Komplementarität der Frauenrolle zu männlichen Welt ist ein Topos in der Turn-Zeitung. Ein Beispiel mag genügen: Unter der Titelfrage „Eine neue Frauenbewegung?“ schreibt dort eine Erna Hahn (ebenfalls Heft 41 des Jahrgangs 1933, S. 856):
S. dazu Bernett (1983) und auch Franke (1983): Über die der Partei vorbehaltenen Ernennung der Dietwarte wurde die keineswegs immer reibungslose „Gleichschaltung“ der Turnvereine betrieben — andererseits blieb die „Dietarbeit“ von der eigentlichen „politischen Schulung“ getrennt. Indiz für die Reibungen in der Praxis sind nicht nur die
Zum BDM s. Klaus 1980. Für die Kanalisierung dieser emanzipatorischen Bestrebungen in den BDM bzw. den Nationalsozialismus s. vor allem Trepte 1942 — merkwürdigerweise geht Luise Fick in ihrem ansonsten sehr gut dokumentierten Buch (1939) auf das Problem nicht eigens ein!
S. dazu Schoenbaum (1966) und Mason (1965), jetzt auch Mason (1976). Die Inszenierung änderte sich dann unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft wieder, als es der Abzug der Männer für den Wehrdienst erzwang, die Frauen wieder vom Herd in die Betriebe zu holen.
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Maas, U. (1984). „Dein Körper gehört Deiner Nation“ Texte aus der Hitlerjugend. In: „Als der Geist der Gemeinschaft eine Sprache fand“. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96994-1_6
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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