Skip to main content

Reflexive Mechanismen

  • Chapter
Soziologische Aufklärung 1

Zusammenfassung

Das Wort „Mechanismus“ hat keinen guten Ruf. Es erinnert an die große Zeit der Uhrmacher. Gleichwohl beginnt es erneut, aus der Physiologie in die Persönlichkeitspsychologie (1)* und von dort in die Soziologie vorzudringen (2). Man kann es daher, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks, heute verwenden, ohne damit eine Reduzierbarkeit psychischer oder sozialer Systeme auf komplizierte physikalische Abläufe zu implizieren. Durch seine Übertragung aus den Naturwissenschaften in die Psychologie und die Soziologie hat der Begriff seinen Uhrmachersinn abgestreift und die Abstraktheit einer allgemeinen systemtheoretischen Funktionsbezeichnung gewonnen. Unter Mechanismus soll demgemäß eine funktional spezifizierte Leistung verstanden werden, deren bei Bedarf wiederholte Erbringung in einem System erwartet werden kann, so daß andere Einrichtungen sich darauf einstellen können. Mechanismen lösen Systemprobleme. Die Varianten ihres Einsatzes sind durch die Art des Problems bedingt, das sie lösen. Man kann sie daher auch als Variablen, als Komp xe funktional äquivalenter Leistungen, bezeichnen, deren konkreter Zustand jeweils durch das Problem reguliert (nicht: bewirkt!) wird, das sie lösen. Die Systemrelevanz eines Mechanismus wird also durch Offenheit für Alternativen vermittelt und nicht durch die Starrheit bestimmter Zustände: Mechanismen können variiert und Probleme können anders gelöst werden.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 54.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Anmerkungen

  1. Vgl. z. B. Anna Freud, Das Ich und die Abwehrmechanismen, London -1946; Edward C. Tolman, „A Psychological Model“, in: Talcott Parsons ‘Edward A. Shils (Hrsg.), Toward a General Theory of Action, Cambridge, Mass., 1951, S. 277–342 (307 ff.), oder Rudolf Bergius, „Behavioristische Konzeptionen zur Persönlichkeitstheorie”, in: Handbuch der Psychologie Bd. 4, Göttingen 1960, S. 475–541 (492 f., 510 f.).

    Google Scholar 

  2. Siehe die häufige Verwendung bei Talcott Parsons, insb. die Erläuterungen in: Talcott Parsons, The Social System, Glencoe, Ill., 1951, S. 22, 201 f.; Parsons /Shils, a.a.O., S. 125; Talcott Parsons /Robert F. Bales, Family, Socialization and Interaction Process, London 1956, S. 187 f. Vgl. ferner N. S. Timasheff, „The Basic Concepts of Sociology“, in: The American Journal of Sociology 58 (1952), S. 170–186 (184); Robert K. Merton, Social Theory and Social Structure, 2. Aufl. Glencoe, Ill., 1957, S. 49, 52.

    Google Scholar 

  3. Vgl. dazu Arnold Gehlen, Urmensch und Spätkultur: Philosophische Ergebnisse und Aussagen, Bonn 1956.

    Google Scholar 

  4. Wir sprechen hier natürlich nur von unmittelbar wirkender Tradition, nicht von traditionalistischer Rechtfertigung, die im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der Rechtfertigung als Wert bevorzugt wird. Vgl. zu dieser Unterscheidung Bert F. Hoselitz, „Tradition und Economic Growth“, in: Ralph Braibanti/Joseph J. Spengler (Hrsg.), Tradition, Values, and Socio-Economic Development, Durham, N. C., 1961, S. 83–113.

    Google Scholar 

  5. Vgl. hierzu auch den etwas anders definierten logischen Begriff der Reflcxivitüt. Er bezeichnet eine Relation, welche die Voraussetzung erfüllt, daß jedes Glied zu sich selbst in derselben Relation steht wie zum anderen. (Siehe z. B. D. Hilbert/W. Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, 3. Autl. Berlin—Göttingen—Heidelberg 1949, S. 115). Wir halten uns hier nicht an diese Definition, weil die genaue Identität der retlexiven Relation uns gerade das Argument verbauen würde, auf das wir hinauswollen: die Leistungssteigerung durch Reflexivität. Hier soll daher ein Mechanismus dann als reflexiv gelten, wenn er einen Gegenstand intendiert, der ein gleichartiger Mechanismus ist, sich also der Art nach auf sich selbst bezieht.

    Google Scholar 

  6. Siehe besonders: Zeit-Bilder: Zur Soziologie und Ästhetik der modernen Malerei, Frankfurt—Bonn 1960, S. 62 ff.

    Google Scholar 

  7. Vgl. dazu das viel diskutierte Experiment von Lloyd G. Humphreys,„The Acquisition and Extinction of Verbal Expectations in a Situation Analogous to Conditioning“, Journal of Experimental Psychology 25 (1939), S. 294–301, wonach Erwartungen, die auf ausnahmslos gesicherten Vorerfahrungen beruhen, im Enttäuschungsfalle rasch zusammenbrechen, während Erwartungen, die sich nur im großen und ganzen bewährt haben und infolgedessen gleich mit eingebauter Enttäuschungsbercitschaft gelernt wurden, sich als sehr viel bestandsfester erweisen.

    Google Scholar 

  8. Einen guten Eindruck hiervon vermittelt das für ein anderes Begriffsschema zusammengetragene Material von David Riesman /Reuel Denney /Nathan Glazer, Die einsame Masse: Eine Untersuchung der Wandlungen des amerikanischen Charakters. Dt. Übers., Darmstadt—BerlinNeuwied 1956. Siehe ferner William H. Whyte, Herr und Opfer der Organisation. Dt. Übers., Düsseldorf 1958, insbes. S. 269 ff.

    Google Scholar 

  9. Die erheblichen Vorteile solcher Kritikfähigkeit kann abschätzen, wer miterlebt hat, wie selbst in rational und angeblich unpersönlich arbeitenden Grolibürokratien und gerade in höheren Rängen das Argumentieren mit eigener, langjähriger Erfahrung verbreitet ist und neuerungswillige Mitarbeiter zum Verstummen bringt, weil ihnen dieses Argument nur noch den Weg einer persönlichen Kränkung offenläßt. Vgl. dazu auch Fritz Morstein Marx, Das Dilemma des Verwaltungsmannes, Berlin 1965, S. 12 ff., und aus der Industrie: Friedrich Weltz, Vorgesetzte zwischen Management und Arbeitern, Stuttgart 1964, S. 63 ff. Ähnliches gilt auch für andere Argumente, die den Lernvorgang mystifizieren, z. B. Intuition, Judiz, Fingerspitzengefühl.

    Google Scholar 

  10. Zum Beispiel durch Organisation der politischen Wahl als Kampf um eine begrenzte und konstant bleibende Anzahl von Parlamentssitzen. Zur neueren Kritik dieser und ähnlicher Nullsummenhypothesen vgl. namentlich Talcott Parsons, „On the Concept of Influence“, Public Opinion Quarterly 27 (1963), S. 37–62 (59 ff.), und ders., „On the Concept of Political Power”, Proceedings of the American Philosophical Society 107 (1963), S. 231–262 (250 ff.), sowie Thomas C. Schelling, The Strategy of Conflict, Cambridge, Mass., 1960, insb. S. 83 ff., und Karl W. Deutsch, The Nerves of Government: Models of Political Communication and Control, New York—London 1963, S. 66 ff.

    Google Scholar 

  11. Ähnliche Formen der doppelstufigen Reflexivität gibt es auch sonst: daß man lernt, das Lernen zu lehren; oder daß man durch Aufnahme von Kredit die Möglichkeit eintauscht, Tauschmöglichkeiten zu vertauschen.

    Google Scholar 

  12. Dies Entscheiden, nicht zu entscheiden, rühmt Chester I. Barnard, The Functions of the Executive, Cambridge, Mass., 1938, S. 193 f., als „fine art of executive decision“. Siehe auch das Zeugnis eines anderen Verwaltungspraktikers: Harold E. Dale, The Higher Civil Service of Great Britain, London 1941, S. 99 f. Es ist zum Beispiel eine der Voraussetzungen für die Prüfung und Einhaltung eigener begrenzter Entscheidungskompetenzen und schon deshalb eine unentbehrliche Grundlage jeder Organisation kooperativer Entscheidungsprozesse.

    Google Scholar 

  13. Diese Auffassung der Verwaltung als funktional verselbständigter Entscheidungsprozeß scheint auch in der Verwaltungswissenschaft mehr und mehr Anhänger zu finden. Siehe statt anderer: William J. Gore, Administrative Decision-Making: A Heuristic Model, New York—LondonSydney 1964, und im breiteren Rahmen einer entscheidungstheoretischen Organisationstheorie auch Herbert A. Simon, Das Verwaltungshandeln: Eine Untersuchung der Entscheidungsvorgänge in Behörden und privaten Unternehmen. Dt. Übers., Stuttgart 1955.

    Google Scholar 

  14. Dieser Bindungseffekt kann allerdings durch besondere Techniken der „indirekten“, maskierten Kommunikation vermieden werden, dadurch nämlich, daß die Mitteilung als unabsichtlich stilisiert wird und so zwar etwas mitteilt, aber den Mitteilenden nicht festlegt. Dazu näher: Niklas Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organisation, Berlin 1964, S. 363 ff.

    Google Scholar 

  15. Wir verbinden mit dem Begriff des reflexiven Mechanismus also nicht die graphische Vorstellung eines Kreises. Kreisförmig kann Reflexivität überhaupt nur gedacht werden, wenn man vom Zeitfluß abstrahiert. Auf die Mitberücksichtigung der Zeit wollen wir jedoch nicht von vornherein verzichten. Vgl. näher unter II, 2. In der Sprache der Entscheidungstheorie wären demnach nicht nur „Regelkreise“; sondern auch „decision trees” einschlägige Beispiele für reflexive Mechanismen.

    Google Scholar 

  16. Das ist eine mehr oder weniger gleichzeitig gewonnene Erkenntnis der Phänomenologie, der Lebensphilosophie und des Pragmatismus. Siehe z. B. Edmund Husserl, Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie Bd. I, Husserliana Bd. Ill, Den Haag 1950, S. 103, 177 ff.; William James, Essays in Radical Empiricism, New York—LondonToronto 1958 (zuerst 1912), S. 75, 132 f.; Max Scheler, Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik: Neuer Versuch einer Grundlegung eines ethischen Personalismus, 4. Aufl., Bern 1954, S. 273, 385; Alfred Schütz, Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt: Eine Einleitung in die verstehende Soziologie, Wien 1932, passim, z. B. S. 58 f.; Gerhard Mackenroth, Sinn und Ausdruck in der sozialen Formenwelt, Meisenheim/Clan 1952, S. 136 ff.

    Google Scholar 

  17. Intentionalität setzt als Struktur des reinen Aktes mithin keinerlei Identität voraus. Deshalb konnte Husserl glauben, hier eine Grundlage zu finden für seinen Versuch, Identität schlechthin zum Problem zu machen und die Konstitution des Seienden in letzter Radikalität wissenschaftlich zu begründen.

    Google Scholar 

  18. Vgl. dazu näher: Luhmann, a.a.O. (1964), S. 108 ff.

    Google Scholar 

  19. Das gilt besonders typisch für manche Richtungen der modernen Kunst, die sich bemühen, im Kunstwerk den Herstellungsvorgang miterscheinen zu lassen. Siehe dazu auch die Bemerkungen zur Action-Art bei Arnold Gehlen, Zeit-Bilder a.a.O., S. 192 f.

    Google Scholar 

  20. Auf diesen Aspekt haben in letzter Zeit besonders die Veröffentlichungen von Erving Coffman eine breite Aufmerksamkeit gelenkt. Siehe insb. The Presentation of Self in Everyday Life, 2. Aufl., Garden City, N. Y., 1959.

    Google Scholar 

  21. Aufl., in: Ges. Werke Bd. 8, Bern—München 1960, S. 375 f., unterscheidet: reflexionslose (ekstatische) Hingegebenheit, natürliche Reflexion (als mitlaufendes Aktbewußtsein) und künstliche Reflexion (als thematische Erfassung der Innenwelt). Dabei fehlt noch die Stufe, die hier behandelt wird: die Reflexion auf die Darstellung der Persönlichkeit.

    Google Scholar 

  22. Zu den Gefahren unbedachter Spontaneität siehe besonders Erving Coffman „Alienation from Interaction“, Human Relations 10 (1957), S. 47–59.

    Google Scholar 

  23. So namentlich Hans Freyer, Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft: Logische Grundlegung des Systems der Soziologie, Leipzig—Berlin 1930.

    Google Scholar 

  24. Siehe als klassische Formulierung Herbert Spencer, First Principles, 5. Aufl. London—Edinburgh 1887, insb. S. 307 ff. (§§ 107 ff.), und ders., The Principles of Sociology, Bd. I 3. Aufl., London—Edinburgh 1885, insb. S. 584 f. (§ 271).

    Google Scholar 

  25. Sehr bezeichnend hierfür ist die Position, die Emile Durkheim, De la division du travail social, zuerst Paris 1893, einnimmt. Sie liegt genau auf der Grenze des 19. zum 20. Jahrhundert — zwischen Spencer und Parsons. Einerseits setzt Durkheim soziale Differenzierung noch wie im 19. Jahrhundert mit Arbeitsteilung gleich, sprengt aber andererseits diesen Begriff zum Beispiel durch Hereinnahme des Funktionsunterschiedes der Geschlechterrollen. Einerseits hält er in seiner Unterscheidung von „mechanischer“ und „organischer Solidarität” bereits sehr deutlich den Gedanken fest, daß differenzierte Gesellschaften mehr und komplexere Probleme zu lösen haben als ihre einfacheren Vorfahren; andererseits bleibt der Problemlösungsbegriff, der dafür vorgesehen ist, nämlich „organische Solidarität“, eigentümlich blaß und ungeklärt: eine Leerstelle, die künftige Forschung auszufüllen hat.

    Google Scholar 

  26. Diese Übersetzung des Begriffs „generalized medium of interchange“ findet sich mit einem knappen Abriß der Theorie bei Talcott Parsons, „Die jüngsten Entwicklungen in der strukturell-funktionalen Theorie”, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 16 (1964), S. 30–49 (37 ff.). Vgl. auch die oben (Anm. 13) zitierten Studien.

    Google Scholar 

  27. Siehe als Ausgangspunkt die an Kant anschließende Formulierung, daß beim Menschen „die Notwendigkeit zu handeln weiter reicht als die Möglichkeit zu erkennen“ (Arnold Gehlen, Der Mensch: Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 6. Aufl., Bonn 1958, S. 328). Als Ausarbeitung siehe ders., Urmensch und Spätkultur: Philosophische Ergebnisse und Aussagen, Bonn 1956.

    Google Scholar 

  28. Vgl. W. Ross Ashby, Design for a Brain, 2. Aufl., London 1954; ders., An Introduction to Cybernetics, London 1956; und Stafford Beer, Kybernetik und Management, Dt. Übers., Frankfurt 1962.

    Google Scholar 

  29. Besonders wirksam war hier die These Herbert A. Simons, daß die Beschränkung der menschlichen Kapazität für rationale Datenverarbeitung das Bezugsproblem aller Organisation sei — siehe H. A. Simon, Das Verwaltungshandeln: Eine Untersuchung der Entscheidungsvorgänge in Behörden und privaten Unternehmen, Dt. Übers., Stuttgart 1955.

    Google Scholar 

  30. Vgl. hierzu die Bemerkungen von Gehlen, a.a.O. (1958), S. 68, zur „fortschreitenden Indirektheit des menschlichen Verhaltens“, die aber nicht ganz durchsichtig werden lassen, wodurch Indirektheit entlastet.

    Google Scholar 

  31. Das gilt selbst für elementare, institutionslose Systeme auf der Basis persönlicher Bekanntschaft — hierzu Theodore M. Newcomb, The Acquaintance Process, New York 1961; erst recht natürlich für den Prozeß der Institutionenbildung.

    Google Scholar 

  32. Vgl. hierzu die kybernetischen Forschungen von W. Ross Ashby (Hinweise oben Anm. 33); ferner Herbert A. Simon, „The Architecture of Complexity“, Proceedings of the American Philosophical Society 106 (1962), S. 467–482.

    Google Scholar 

  33. Unter diesem Gesichtspunkt wird zum Beispiel verständlich, daß einer der entscheidenden Entwicklungsfortschritte in der Entstehung von sich selbst reproduzierenden (lebenden) Systemen liegt — eine enorme Zeitersparnis gegenüber allen Systemen, die sich nur durch Selektion zufällig eintretender Ereignisse aufbauen können. Auch dieser Zeitgewinn ist letztlich die Folge eines Reflexivverhältnisses: der Produktion eines Reproduktionspotentials. In Sozialsystemen hat, wie wir oben sahen, die Institutionalisierung der ebertragbarkeit von Macht eine ähnliche zeitsparende Bedeutung.

    Google Scholar 

  34. Vgl. dazu Kenneth E. Bock, „Evolution, Function, and Change“, American Sociological Review 28 (1963), S. 229–237.

    Google Scholar 

  35. Einsichtige Bemerkungen über die im Zivilisationsprozeß zusammengehende Steigerung von Interdependenzen und Tempo des Verhaltens finden sich bei Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation: Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, Basel 1939, Bd. II, S. 337 f. Siehe dazu ferner Wilbert E. Moore, Man, Time, and Society, New York—London 1963, insb. S. 16 ff.

    Google Scholar 

  36. Vgl. Talcott Parsons, „Evolutionary Universals in Society“, American Sociological Review 29 (1964), S. 339–357. Parsons begnügt sich allerdings damit, den Gewinn, den solche „evolutionary universals” vermitteln, als bessere Anpassungsfähigkeit lebender Systeme zu bezeichnen (vgl. insb. S. 341 f.). Dabei bleibt offen, wie und an was diese Systeme sich besser anpassen, zumal für den Begriff der evolutionary universals gerade bezeichnend ist, daß sich nicht nur ein System, sondern viele dieser Errungenschaft bedienen, so daß sich mit dem System zugleich die Umwelt ändert, an die es sich anzupassen hat. Die Analyse reflexiver Mechanismen vermag demgegenüber etwas deutlicher zu zeigen, daß der Gewinn in einer Steigerung der Systemkomplexität, mithin in einer adäquateren Relation zwischen Systemkomplexität und Weltkomplexität, besteht. Das impliziert eine Deutung des Entwicklungsprozesses als Komplexitätssteigerung, die hier außer durch Hinweis auf die kybernetische Grundlagenforschung nicht näher begründet werden kann.

    Google Scholar 

  37. Siehe zum Beispiel Talcott Parsons, „Introduction to Part Two“, in: Talcott Parsons/Edward Shils/Kaspar D. Naegele/Jesse R. Pitts (Hrsg.), Theories of Society, Glencoe, Ill., 1961, Bd. I, S. 239–264; ders., „Some Considerations on the Theory of Social Change”, Rural Sociology 26 (1961), S. 219–239; Fred W. Riggs, „Agraria and Industria“, in: William J. Siffin (Hrsg.), Toward the Comparative Study of Public Administration, Bloomington, Ind., 1957, S. 23–116; Neil J. Smelser, Social Change in the Industrial Revolution: An Application of Theory to the Lancashire Cotton Industry 1770–1840, London 1959; ders., The Sociology of Economic Life, Englewood Cliffs, N. J., 1963, S. 106 ff.; Bert F. Hoselitz, „Economic Policy and Economic Development”, in: Hugh G. J. Aitken (Hrsg.), The State and Economic Growth, New York 1959, S. 325–352; Joseph La Palombara, „Bureaucracy and Political Development: Notes, Queries, and Dilemmas“, in: Joseph La Palombara (Hrsg.), Bureaucracy and Political Development, Princeton 1963, S. 34–61 (39 ff.), und weitere Aufsätze in diesem Sammelband; Shmuel N. Eisenstadt, „Social Change, Differentiation and Evolution”, American Sociological Review 29 (1964), S. 375–386; Robert N. Bellah, „Religious Evolution“, American Sociological Review 29 (1964), S. 358–374.

    Google Scholar 

  38. Vgl. Helmut Schelsky, „Ist die Dauerreflexion institutionalisierbar? “, Zeitschrift für evangelische Ethik, 1 (1957), neu gedruckt in: ders., Auf der Suche nach Wirklichkeit, Düsseldorf—Köln 1965, S. 250–275.

    Google Scholar 

  39. Vgl. die Darstellung und Kritik dieser Auffassung bei Dieter Claessens, „Rationalität revidiert“, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 17 (1965), S. 465–476.

    Google Scholar 

  40. Siehe als die wohl bekannteste Darstellung dieser Relativität John Dewey, Human Nature and Conduct, New York 1922.

    Google Scholar 

  41. Vgl. z. B. Hann.s Linhardt, Grundlagen der Betriebsorganisation, Essen 1954, S. 109 ff.

    Google Scholar 

  42. Siehe statt anderer David L. Sills, The Volunteers: Means and Ends in a National Organization, Glencoe, III., 1957, S. 64 ff., oder Peter Heintz, Einführung in die soziologische Theorie, Stuttgart 1962, S. 172 ff.

    Google Scholar 

  43. Diese, die antike Auslegung der teleologischen Struktur des Handelns mußte deshalb durch die neuzeitliche Auslegung des Handelns als Bewirken von Wirkungen abgelöst werden, weil der Bedarf an reflexiven Handlungsplanungen mit zunehmender Komplexität der Gesellschaft wuchs, und ebenso gilt das Umgekehrte: daß ein langfristig-weiträumiges Planen im Rahmen des antiken Handlungsverständnisses und seiner Schultradition nicht möglich gewesen wäre, weil deren Komplexitätspotcntial dafür nicht ausreichte. Die Ideengeschichte der Handlungsauslegung, vor allem ihr entscheidender Bruch: daß die Zwecke ihren Substanzcharakter und ihre Wahrheitsfähigkeit verloren haben, kann nur im Zusammenhang mit dem allgemeinen Geschichtsprozeß der Ausbildung reflexiver Mechanismen recht gewürdigt werden.

    Google Scholar 

  44. Beachtlich ist immerhin der Vorschlag von Claessens, a.a.O., von einem dem Geldwesen (einem reflexiven Mechanismus des Eintauschens von Tauschmöglichkeiten!) abgelesenen Prinzip der „Beliebigkeit“ auszugehen. Wenn man diese provokative Formulierung durch den Begriff der „Indifferenz” ersetzt, erhellt nicht nur ein Zusammenhang mit der älteren Freiheitslehre (libertas indifferentiac), sondern zugleich die mögliche Verbindung zum grundlegenden kybernetischen Prinzip der Systembildung, dem Gedanken der Invarianz des Verhaltens komplexer Systeme gegenüber Veränderungen ihrer Umwelt. Beliebigkeit hieße dann Systemstabilität.

    Google Scholar 

  45. Vgl hierzu auch die knappen Ausführungen in: Niklas l.uhmann, „Funktionale Methode und Systemtheorie“ S. 45 ff.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1970 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

About this chapter

Cite this chapter

Luhmann, N. (1970). Reflexive Mechanismen. In: Soziologische Aufklärung 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96984-2_5

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-96984-2_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-11161-2

  • Online ISBN: 978-3-322-96984-2

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics