Zusammenfassung
Am Anfang unserer Erzählung steht eine priesterliche Gestalt, deren schwankende Umrisse wir nur wie durch Nebel und Weihrauch wahrzunehmen vermögen. Pythagoras (570?–497? v. Chr.; 73?) wurde auf Samos geboren, einer jener ionischen Inseln, auf denen soviel Geist zur Welt gekommen ist. Griechische Neugier und Reiselust trieben ihn in die Fremde, und auf langen Wanderungen sog er sich voll mit der alten Weisheit Ägyptens und Babyions. Der Vierzigjährige gründete in dem unteritalienischen Kroton eine Schule, die man sich eher als eine religiöse Lebensgemeinschaft denn als eine Lehranstalt zu denken hat. Er muß etwas unendlich Ehrfurcht-gebietendes und geradezu Heiligmäßiges an sich gehabt haben. Seine Anhänger konnten nicht immer deutlich zwischen ihm und dem Gott Apoll unterscheiden, und auch dem Pythagoras selbst scheint dies mit den Jahren zunehmend schwerer gefallen zu sein. Hab und Gut war den Pythagoreem gemeinsam, und ebenso gemeinsam war ihnen das Verlangen nach der politischen Herrschaft in Kroton. Diese Herrschbegier ließ die Bruderschaft und ihren Gründer ein böses Ende nehmen. Eines Tages umstellte die demokratische Partei Krotons das Versammlungshaus der Pythagoreer, brannte es nieder und trieb die Anhänger des Wundermannes aus der Stadt. Pythagoras selbst soll auf der Flucht erschlagen worden sein.
Es bleibt mir eine unerschöpfliche Quelle des Erstaunens, wenn ich sehe, wie ein paar Kritzeleien auf einer Tafel oder auf einem Blatt Papier den Lauf menschlicher Angelegenheiten verändern können.
Stanislaw Ulam
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Literatur
Zahlreiche der in diesem historischen Überblick benutzten Originalarbeiten findet man, jedenfalls auszugsweise, in den folgenden Büchern, auf die wir hier ausdrücklich hinweisen: O. Becker: Grundlagen der Mathematik in geschichtlicher Entwicklung (Freiburg 1964 );
D. J. Struik: A source book in mathematics, 1200–1800 (Cambridge, Mass. 1969 );
G. Birkhoff: A source book in classical analysis ( Cambridge, Mass. 1973 ).
Plutarch: Leben des Marcellus, in Große Griechen und Römer, Artemis-Verlag Zürich und Stuttgart 1955. Auch die anderen, Archimedes betreffenden Zitate sind Plutarchs Marcellus-biographie entnommen.
Der Ausdruck calculus differentialis geht auf eine Anregung Johann Bernoullis zurück; ursprünglich sprach Leibniz von der methodus tangentium directa. Dementsprechend nannte er den calculus summatorius auch methodus tangentium inversa. Die Bezeichnung calculus integralis wurde erst 1698 eingeführt, wiederum auf den Rat Johann Bernoullis. Das Wort Integral findet sich erstmals in einer Arbeit von Jakob Bernoulli aus dem Jahre 1690. Das lateinische Wort integrare bedeutet „wiederherstellen“. Die Integration stellt aus der Ableitung die ursprüngliche Funktion wieder her.
Infinitesimale Größen sind, wenn auch in ganz anderer Form als ihre Erfinder es sich denken konnten, vor etwa zwanzig Jahren in der sogenannten non-standard-analysis wieder zum Leben erweckt worden. Sie sind natürlich keine reellen Zahlen, sondern Objekte, die von außen zu R hinzugefügt werden. Den interessierten Leser verweisen wir auf D. Laugwitz: Infinitesimalkalkül. Eine elementare Einführung in die Nichtstandard-Analysis (Mannheim/ Wien/Zürich 1978).
Johann Bernoullis älterer Bruder Jakob (1654–1705; 51) gehört in das 17. Jahrhundert. Die beiden Bernoullis nahmen sich der neuen Analysis mit solchem Erfolg an, daß Leibniz sie als Miterfinder des Calculus bezeichnete.
Jour. reine u. angew. Math. 4 (1829), 157–169. In dieser Arbeit eröffnete Dirichlet den Zugang zur Konvergenztheorie der Fourierreihen, den wir in den Nummern 135 und 136 dargestellt haben.
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Heuser, H. (2000). Ein historischer tour d’horizon . In: Lehrbuch der Analysis. Mathematische Leitfäden. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96812-8_16
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