Zusammenfassung
liebe eltern . liebe kolleginnen und kollegen . meine sehr verehrten damen und herren, und vor allen dingen . liebe abiturientinnen und abiturienten ..
Die Textsequenz verweist auf den Beginn einer feierlichen Rede im Rahmen eines schulischen Kontextes. Bereits mit der Anredereihung sind Prioritäten ausgewiesen. Die an erster Stelle genannten Eltern werden durch die Wahl der Anredeform „liebe“ eng an das gleichqualifizierte Kollegium gerückt und dadurch auf vertrauliche Nähe im Rahmen eines Erziehungsverhältnisses verwiesen. Der Redner legt somit eine Eltern-LehrerGemeinschaft nahe, wobei er sich gleichzeitig als Mitglied des Kollegiums ausweist und verdeutlicht: seine Perspektive ist die institutionelle. Die anschließend begrüßten „damen und herren“ stehen hierzu durch die gewählte Kombination der Qualifizierung — persönlicher Verehrung und folglich Aufwertung bei gleichzeitig allgemeinster und anonymer Bezeichnung — in eigentümlichem Widerspruch. Dies kann als inkonsistenter Versuch gelesen werden, die Öffnung der gestifteten Gemeinschaft zu markieren. Am Ende der Anredefolge werden in einem erweiterten Horizont Abiturientinnen und Abiturienten — der schulische Zusammenhang präzisiert sich zum gymnasialen Kontext — besonders hervorgehoben. Allerdings läßt sich die Hervorhebung nicht eindeutig auf die Würdigung dieser Gruppe beziehen, vielmehr besteht die Möglichkeit des Auffangens eines ‚beinahe Vergessens‘. Gestärkt wird die Spannung, wenn einer weiteren Lesart folgend, mit „damen und herren“ keine separierte anonyme Gruppe, sondern Eltern und Kollegium in doppelt qualifizierender Weise, Nähe und Verehrung gleichzeitig thematisierend, angesprochen sind.
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Literatur
In der Organisationspsychologie wird von corporate identity als ‚unsichtbare Einflußgröße‘ dann gesprochen, wenn es gelingt, daß die Mitglieder die Systemziele der Organisation verinnerlichen und ihnen wie selbstverständlich folgen, die Organisation mit anderen Worten in ihr Selbst integrieren (vgl. Sackmann 1983). Diese Haltung einer Institution gegenüber konkretisiert sich in der Äußerung des Redners.
Im allgemeinen ist Werbung immer auch der Versuch einer Manipulation und erreicht durch Applizierung einer Wertigkeit auf das Produkt Attraktivität, die jenseits der Kernfunktion sachhaltiger Funktionalität liegt. Diese extrafunktionale Wertigkeit ist das Image des Produkts, soweit sind Werbekampagnen immer auch Imagekampagnen. Die Werbebotschaft ist tragendes Element der Werbung, deren Funktion es ist, der Zielgruppe zu verdeutlichen, daß sie mit Erwerb des Produktes Mitglied einer exklusiven Gemeinschaft wird, die sich von den Nichtbesitzern abgrenzt. Somit kann strukturell, nicht inhaltlich, analog zur prophetischen Praxis eine Verwandtschaft zwischen Heilsversprechung, Erlösungsbotschaft und Werbebotschaft gesehen werden (vgl. Hörmann/Mereien 1996). Der „Warenprophet“ ist der Ungewißheit der offenen Zukunft ausgesetzt, inwieweit es gelingt, „Käufergefolgschaft“ zu bilden.
Die Fragen des sozialen Miteinanders sind immer auch moralische Fragen. Die Qualität moralischen Handelns läßt sich nun nicht dem Handlungsakt selbst entnehmen, sondern kann nur aus dessen Begründung erschlossen werden, da die „Ableitung ethischer Aussagen aus Tatsachenfeststellungen“ (Aufenanger 1992, S. 131) zum naturalistischen Fehlschluß führt. Erst die Begründungen und Rechtfertigungen, der präskriptive Charakter von Urteilen, ermöglicht die Differenzierung von Seins- und Sollensfragen. Unter Berücksichtigung psychologischer und ethischer Theorien gelang es Lawrence Kohlberg in der Zusammenführung entwicklungsbezogener Kriterien von Differenzierung und Integration sowie den formal-moralischen Kriterien deontologischer Ethiken, dieses Problem zu überwinden. Entsprechend seiner Theorie der Entwicklung moralischen Denkens „äußert sich der zunehmende präskriptive Charakter moralischer Urteile in der zunehmenden Differenzierung von Seins- und Sollens-Aussagen im Stufensystem des moralischen Urteils“ (vgl. Aufenanger 1992, S. 132ff.).
(H1 Koch, S. 14, Z. 60)
(H2 Musiol, S. 6, Z. 32/33)
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Helsper, W., Böhme, J., Kramer, RT., Lingkost, A. (2001). Portrait der Schule C. In: Schulkultur und Schulmythos. Studien zur Schul- und Bildungsforschung, vol 13. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96398-7_7
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